1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Scholz sagt der Ukraine weitere Wirtschaftshilfe zu

14. Februar 2022

Bundeskanzler Olaf Scholz hat der Ukraine angesichts der Spannungen des Landes mit Russland weitere Finanzhilfen zugesagt. Das Land erhalte 150 Millionen Euro als neuen ungebundenen Finanzkredit, sagte Scholz in Kiew.

https://p.dw.com/p/46z7V
Besuch Olaf Scholz Ukraine Wolodymyr Selenskij
Antrittsbesuch und Krisengespräch: Bundeskanzler Scholz (l.) und Präsident Selenskyj in KiewBild: Press/ Presidential Office Ukraine

Zudem stünden 150 Millionen Euro aus einem bestehenden Kredit bereit, die noch nicht abgeflossen seien, betonte der Bundeskanzler bei einem gemeinsamen Auftritt mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew. Die beiden Politiker hatten sich zuvor fast zwei Stunden unterhalten, länger als geplant.

"Es sind sehr ernste Zeiten, in denen ich die Ukraine besuche", sagte Scholz. Deutschland stehe eng an der Seite Kiews. Kein Land der Welt habe der Ukraine in den vergangenen acht Jahren mehr finanzielle Hilfe geleistet als Deutschland. Die Bundesrepublik habe mehr als zwei Milliarden Euro an Kiew gegeben. Der SPD-Politiker kündigte in Kiew an, die Zusammenarbeit entschlossen fortsetzen zu wollen. "Deutschland steht ganz fest an Ihrer Seite", versicherte Scholz.

Klare Botschaft für Moskau

Der Bundeskanzler drohte Russland in der Krise mit der Ukraine erneut mit harten Sanktionen, bekräftigte aber zugleich das Dialogangebot. "Im Falle einer militärischen Eskalation sind wir zu sehr weitreichenden und effektiven Sanktionen in Abstimmung mit unseren Verbündeten bereit", sagte der SPD-Politiker in Kiew. "Wenn Russland die territoriale Integrität der Ukraine erneut verletzen sollte, wissen wir, was zu tun ist", versicherte Scholz.

Zugleich sagte der Kanzler: "Wir sind bereit für einen ernsthaften Dialog mit Russland über Fragen europäischer Sicherheit." Deutschland unterstütze entsprechende Vorschläge der NATO und der USA. Nun erwarte man von Russland eine Antwort darauf. Scholz forderte Moskau auf, die bestehenden Dialogangebote zu nutzen. Deutschland werde dabei für eine enge Abstimmung mit der Ukraine eintreten. Erwartet würden von Russland "eindeutige Schritte zur Deeskalation der gegenwärtigen Spannung", sagte Scholz. Für die Bundesregierung sei klar, dass eine weitere militärische Aggression gegen die Ukraine schwerwiegende politische, wirtschaftliche und geostrategische Konsequenzen für Russland zur Folge hätte. Das werde er auch am Dienstag bei seinem Besuch in Moskau unterstreichen, betonte der Kanzler.

Scholz dankte der Ukraine "für ihre besonnene und zurückhaltende Reaktion auf eine sehr schwierige und auch bedrohliche Situation, der sie seit vielen Wochen mit Augenmaß begegnet". Er ermutige Kiew, diese verantwortungsvolle Politik fortzusetzen. "Unser gemeinsames Ziel ist die Vermeidung einer Eskalation", betonte Scholz. Dafür arbeite man eng mit Verbündeten und Partnern zusammen.

Ukraine will weiter in die NATO

Der ukrainische Präsident bekräftigte bei der Pressekonferenz den NATO-Kurs seines Landes. Als Mitglied in der Militärallianz würde sich die Ukraine in der aktuellen Lage sicherer fühlen, sagte er nach dem Treffen mit Scholz in Kiew. "Leider hängt nicht alles von uns ab." Selenskyj erinnerte daran, dass das Beitrittsziel in der Verfassung verankert ist. "Wann wir dort sein werden, weiß niemand, nicht einmal einige Nato-Mitglieder", sagte er. "Wir müssen auf dem Weg weitergehen, den wir gewählt haben."

Scholz erklärte: "Die Frage von Mitgliedschaften in Bündnissen steht ja praktisch gar nicht an, und deshalb ist es schon etwas eigenwillig zu beobachten, dass die russische Regierung etwas, das praktisch nicht auf der Tagesordnung steht, zum Gegenstand großer politischer Problematiken macht."

Zuvor konnten Äußerungen des ukrainischen Botschafters in Großbritannien, Vadym Prystajko, in einem Interview mit der BBC so interpretiert werden, dass Kiew auf die angestrebte NATO-Mitgliedschaft verzichten könnte, um einen Krieg mit Russland zu vermeiden. Wenig später stellte der Diplomat allerdings klar, es habe sich um ein Missverständnis gehandelt.

Der Kreml erklärte dazu, er betrachte die Äußerungen nicht als Zeichen für eine offizielle Änderung der ukrainischen Position in Bezug auf einen NATO-Beitritt. Weiter hieß es aus Moskau, es würde erheblich dazu beitragen, die Sicherheitsbedenken Russlands zu zerstreuen, wenn Kiew seine Absicht aufgeben würde, Mitglied der Allianz zu werden.

Mützenich: Russland hat berechtigte Sicherheitsinteressen

Vor dem Besuch von Scholz in Kiew hat der SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich die russischen Sicherheitsbedenken auch auf "große Fehler" der US-Regierung unter dem damaligen Präsidenten George W. Bush zurückgeführt. Er nannte dabei neben der "Invasion im Irak" namentlich "Verwerfungen hier in Europa" und den "Abschied von Rüstungskontrolle".

"Alles das sind Dinge, die auch Russland verunsichern", sagte Mützenich dem Sender ARD. "Ich teile gewisse Bedenken nicht, aber ich kann sie durchaus nachvollziehen." Man müsse öffentlich anerkennen, "dass auch Russland berechtigte Sicherheitsinteressen" habe. "Das hat nichts mit der Ukraine zu tun", sondern "mit den USA, dem Wegfall von Rüstungsabkommen".

Militärfahrzeuge fahren über eine Straße
Am Montag brach die Bundeswehr mit Verstärkung für den NATO-Gefechtsverband in Litauen aufBild: Philipp Schulze/dpa/picture alliance

Unterdessen begann die Bundeswehr mit einer Verstärkung des NATO-Gefechtsverbandes in Litauen. Sowohl Soldaten als auch Lastwagen mit Material brachen aus Niedersachsen auf. Flugzeuge mit deutschen Soldaten landeten bereits in Kaunas. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hatte vor dem Hintergrund wachsender Spannungen zwischen Russland und der Ukraine eine Verstärkung des Gefechtsverbandes angekündigt. Deutschland entsendet dazu rund 350 zusätzliche Soldaten mit rund 100 Fahrzeugen. Lambrecht kündigte unterdessen an, an diesem Montagabend mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Oleksi Resnikow über weitere Unterstützung zu beraten.

Melnyk: Ukraine braucht 13.000 deutsche Abwehrraketen

Die Ukraine bekräftigte zuvor den Wunsch nach mehr deutscher Unterstützung mit Ausrüstung. Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, verlangte 12.000 deutsche Panzerabwehrraketen sowie 1000 Luftabwehrraketen, um eine mögliche russische Bodenoffensive gegen die Ukraine abwehren zu können. "Die Lage ist schon dramatisch", sagte er bei "Bild"-TV. "Worauf wir jetzt heute gefasst sein müssen, ist das schlimmste Szenario."

Ein kleines Kind versucht Patronen aus einem Magazin zu holen
Basis-Kampftraining für Zivilisten in der Ost-Ukraine - auch die Kleinsten machen mitBild: Vadim Ghirda/AP Photo/picture alliance

Die Bundesregierung lehnt die Lieferung tödlicher Waffen an die Ukraine ab. Sie prüft allerdings, Rüstungsgütern unterhalb dieser Schwelle zur Verfügung zu stellen. Auf einer Wunschliste der ukrainischen Botschaft von Anfang Februar stehen eine Reihe Rüstungsgüter, die eindeutig keine tödlichen Waffen sind. Dazu gehören elektronische Ortungssysteme, Minenräumgeräte, Schutzanzüge, digitale Funkgeräte, Radarstationen oder Nachtsichtgeräte.

Weitere Sanktionen angedroht

Die Gruppe der sieben führenden Industriestaaten (G7) droht Russland im Falle eines Angriffs auf die Ukraine mit schweren Wirtschafts- und Finanzsanktionen. Die G7-Staaten seien bereit, gemeinsam Sanktionen zu verhängen, die "massive und sofortige Auswirkungen auf die russische Wirtschaft" hätten, hieß es in einer Erklärung der G7-Finanzminister. Oberste Priorität der G7 sei es weiterhin, Anstrengungen zur Deeskalation in der Ukraine-Krise zu unterstützen, betonten die Minister.

Russland dementiert vehement, einen Angriff auf die Ukraine zu planen. Für möglich gehalten wird auch, dass der Kreml eine Drohkulisse aufbauen will, um eigene Sicherheitsforderungen durchzusetzen. Die Regierung in Moskau verlangt etwa ein Ende der NATO-Osterweiterung und einen Verzicht auf eine mögliche Aufnahme der Ukraine in das westliche Militärbündnis.

ust/sti/kle (dpa, rtr, afp, Phoenix)