Scholz pocht auf Teil-Impfpflicht
9. Februar 2022"Wir gehen davon aus, dass Gesetze eingehalten werden", sagte Olaf Scholz nach Angaben des stellvertretenden Regierungssprechers Wolfgang Büchner im Kabinett. "Das ist einer der Vorzüge des deutschen Rechtssystems", habe der Kanzler hinzugefügt.
Büchner verwies darauf, dass es die Länder gewesen seien, die den Bund im vergangenen Jahr "explizit" zur Einführung einer einrichtungsbezogenen Impfpflicht aufgefordert hätten, um gefährdete Gruppen der Bevölkerung besser zu schützen. Daraufhin hätten Bundestag und Bundesrat im Dezember das Gesetz dazu verabschiedet. Für die Umsetzung seien nun die Länder zuständig. Das Bundesgesundheitsministerium sei derzeit mit den Ländern im Gespräch, "um eine einheitliche und pragmatische Umsetzung sicherzustellen", fügte der Sprecher hinzu. Zugleich blieb weiter offen, wie die zahlreichen Detailfragen bei der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht gelöst werden sollen.
Die Teil-Impfpflicht sieht vor, dass Beschäftigte in Pflegeheimen und Kliniken bis 15. März Nachweise als Geimpfte oder Genesene vorlegen müssen - oder ein Attest, nicht geimpft werden zu können. Arbeitgeber müssen die Gesundheitsämter informieren, wenn das nicht geschieht. Diese können die Beschäftigung dort dann untersagen. Der Bund signalisierte erneut Gesprächsbereitschaft, um "eine einheitliche und pragmatische Vorgehensweise" sicherzustellen, wie Büchner deutlich machte.
Gewisser Ermessensspielraum
Das Bundesgesundheitsministerium erläuterte nun, den Gesundheitsämtern werde ausdrücklich ein gewisser Ermessensspielraum gelassen. Dabei gehe es um individuelle Klärungen je nach Lage in der Einrichtung etwa zu Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auch an anderen Stellen. Dies könne der Bund nicht pauschal klären. Sollte es bei den Ländern weiteren Abstimmungs- oder Klärungsbedarf geben, "würden wir uns dem nicht verschließen", sagte ein Sprecher.
Die Landesregierung in Bayern hatte am Montag angekündigt, den Vollzug de facto auszusetzen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder begründete dies mit ungeklärten Fragen. Er verwies zugleich auf drohende Personalengpässe. Seitdem hat sich der Streit zwischen den Bundesländern und mit dem Bund verschärft. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach kritisierte Söders Vorstoß scharf und sagte den Ländern Hilfe für eine möglichst einheitliche Umsetzung.
Verfassungswidriger Akt?
Auch Staatsrechtler kritisierten die Ankündigung einer Aussetzung. Nach der Ankündigung Söders, "großzügigste Übergangsregelungen" zu schaffen, die "de facto zunächst einmal auf ein Aussetzen des Vollzugs" hinauslaufen würden, sagte Staatsrechtler Joachim Wieland der "Welt": "Ein solches Handeln wäre verfassungswidrig."
Der Präsident des Bundessozialgerichts, Rainer Schlegel, hatte am Dienstag in Kassel erklärt, dass er das Vorgehen Söders für unzulässig halte. Wenn ein Gesetz im Bundesgesetzblatt verkündet worden sei, "kann man nicht einfach sagen, ich setze das aus", betonte Schlegel. Für eventuelle Korrekturen könne der Gesetzgeber nur ein neues Gesetz beschließen oder zumindest mit einer eigenen Regelung erst einmal das Inkrafttreten terminlich hinauszögern.
Praxisrelevant erst im Sommer?
Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) beklagte, die Länder würden bei der Umsetzung im Stich gelassen. Es müsse genauer definiert werden, für wen die Impfpflicht gelten solle - etwa auch für Zulieferer von Heimen und Einrichtungen. NRW werde das Gesetz umsetzen, bekräftige Laumann. Bis es vor Ort greife, werde es aber wohl Sommer.
Die Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Claudia Moll (SPD), mahnte derweil eine bessere Abstimmung zwischen Bund und Ländern an. "Es darf nicht wieder ein solches Desaster passieren, dass eines der Bundesländer ausschert", sagte Moll den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
kle/ml (dpa, epd, kna, afp)