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Schnellradweg und Städtebau

Jens Thurau22. August 2016

Barbara Hendricks (SPD) ist nicht nur Umwelt-, sondern auch Bauministerin. Auf ihrer Sommerreise radelt sie durchs Ruhrgebiet und erfährt, wie die vielen Flüchtlinge die Städte verändern. Aus Essen Jens Thurau.

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Hendricks auf dem Rad (Foto: "DW/J. Thurau)
Barbara Hendricks gibt sogar beim Radfahren InterviewsBild: DW/J. Thurau

Zehn Kilometer mit dem Rad quer durch das Ruhrgebiet: Für Barbara Hendricks ist das ein Klacks. Die Bundesumweltministerin von der SPD ist eine begeisterte Radfahrerin, gerade hat sie ihren Urlaub mehr oder weniger auf dem Sattel verbracht. 15 Tage von Prag nach Berlin, 900 Kilometer ohne Terminstress und Bodyguards. Jetzt aber ist sie auf dem neuen Radschnellweg im Ruhrgebiet unterwegs, von Mühlheim an der Ruhr nach Essen. Nur ein kleiner Teilabschnitt des neuen Radhighways, der einmal über 100 Kilometer lang sein soll. Zehn Städte mit 2,7 Millionen Einwohnern wird er dann verbinden, kosten soll er fast 200 Millionen Euro, auch vom Umweltministerium sollen dafür in Zukunft Gelder kommen.

Vier Meter breiter Radhighway

Das ist neu, bislang konnte sich der Bund an solchen Finanzierungen nicht beteiligen. Eine Autobahn für Fahrräder, mit eigenen Unterführungen und Brücken, vier Meter breit, ohne nervige Querstraßen, und wenn doch, dann haben die Räder Vorfahrt. Ein Stück Zukunftsvision für eine ganz neue Mobilität. Ein Gefühl fast wie im Urlaub: "Gerade für Berufspendler ist das wichtig, die fahren jeden Tag zwischen zwölf und 18 Kilometer zu Arbeit, jetzt können sie das hier im Ruhrgebiet auch gut mit dem Rad machen", so die Ministerin.

70 Millionen Fahrräder gibt es in Deutschland, bei 80 Millionen Einwohnern. Aber gerade die kurzen Fahrten unter fünf Kilometern werden zur Hälfte noch mit dem Auto erledigt, obwohl das Fahrrad gerade hier gut wäre. Die Fahrradautobahn soll helfen, das zu verbessern. "Und das ist ja auch praktizierter Klimaschutz", findet die SPD-Politikerin.

Barbara Hendricks (Foto: DW/J. Thurau)
Hendricks will den sozialen Wohnungsbau fördernBild: DW/J. Thurau

"Willkommen In Europa"

Vor der Radtour bei trockenem Wetter ging es um ein weit ernsthafteres Thema: um Zuwanderung und was sie für eine Stadt wie Dortmund bedeutet. Fast 6700 Flüchtlinge leben zur Zeit in der Stadt, die als Industriestandort über viele Jahrzehnte über reichlich Erfahrung mit Migranten vor allem aus Osteuropa verfügt. 600.000 Einwohner hat die Fußball- und Bierhochburg, 180.000 von ihnen haben das, was man einen Migrationshintergrund nennt. Und in einem der sozialen Brennpunkte, in der Dortmunder Nordstadt, besucht Barbara Hendricks das Projekt "Willkommen in Europa". 20 Mitarbeiter kümmern sich hier um Zuwanderer vor allem aus Bulgarien und Rumänien, also aus EU-Ländern.

"In der Wahrnehmung sind diese Menschen ja zuletzt in den Hintergrund geraten, alle sprechen über Flüchtlinge aus Syrien oder Afghanistan", so die Ministerin. Dabei ist der Dortmunder Norden ein Hotspot für Zuwanderung aus Südosteuropa. 7800 Menschen aus Bulgarien und Rumänien leben in Dortmund, über die Hälfte von ihnen hier im Norden. Mit großen Problemen: Viele Kinder haben noch nie eine Kita oder eine Schule gesehen. "Der Analphabetismus ist hoch, oft höher als in vielen Regionen Syriens oder Afghanistans", so Barbara Hendricks. Und Frank Merkel, einer der Mitarbeiter der Beratungsstelle, ergänzt: "Viele dieser Menschen machen ja in Deutschland erstmals die Erfahrung, dass der Staat ihnen die Hände reicht und ihnen bei ihren Alltagsproblemen hilft."

Das Team um Frank Merkel hilft bei der Arbeitsplatzsuche, vermittelt Deutschkurse. Finanziert wird die Arbeit des Projekts unter anderem vom Hendricks-Ministerium, das auch für das Bauen zuständig ist. Integrationsprojekte wie das in Dortmund profitieren von Geldern des Projekts "Soziale Stadt". Dass mit den vielen Flüchtlingen auch der Druck auf den Wohnungsmarkt steigt, hat die Regierung begriffen: Lange war der soziale Wohnungsbau ein Stiefkind der Politik, jetzt hat Barbara Hendricks eine Milliarde Euro pro Jahr, demnächst sogar 1,5 Milliarden Euro für den Bau preiswerter Wohnungen zur Verfügung. Und damit auch mehr Geld für Projekte wie das im Dortmunder Norden.

270.000 Wohnungen, schätzen Experten, werden in der Zukunft pro Jahr in Deutschland benötigt, weil der Staat sich aus der Bereitstellung von solchen Wohnungen lange zurückgezogen hat. Durch den Flüchtlingszuzug kann die Zahl für einige Zeit auf bis zu 400.000 Wohnungen pro Jahr steigen.