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Schlag gegen Bakijew-Clan

22. Juli 2010

Die kirgisische Regierung hat den Bruder von Ex-Präsident Bakijew als Drahtzieher der Unruhen verhaftet. Doch wer wirklich dahinter steckt, ist weiterhin unklar.

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Im Zentrum von Osch weht die kirgisische Flagge. Aber hat der Staat wirklich die Kontrolle?Bild: AP

Für die kirgisische Regierung stehen die Schuldigen fest: Anhänger und Verwandte des ehemaligen Präsidenten Kurmanbek Bakijew hätten die ethnischen Unruhen im Süden Kirgistans veranstaltet, um das Land zu destabilisieren, so ihre Version der Ereignisse. Nun hat die kirgisische Polizei den Bruder des Ex-Präsidenten verhaftet. Die Regierung in Bischkek teilte mit, Achmat Bakijew habe bereits seine Verwicklung in die Unruhen gestanden.

Razzien in Usbekenvierteln

Aljaksandr Lukaschenka Kurmanbek Bakijew
Der kirgische Ex-Präsident Bakijew und sein Gastgeber Alexander LukaschenkoBild: AP

Im April stürzten die Kirgisen in einem Volksaufstand Präsident Kurmanbek Bakijew, der als äußerst korrupt galt. Bakijew floh zunächst nach Kasachstan und lebt mittlerweile in Weißrussland. Die zersplitterte Opposition einigte sich schnell auf eine Übergangsregierung unter Führung der früheren Außenministerin Rosa Otunbajewa. Doch es gelang der neuen Regierung nicht, schnell wieder für Ordnung zu sorgen. Vor allem im Süden des Landes, wo der alte Präsident seine Machtbasis hatte, blieb lange unklar, wer die eigentliche Macht ausübt. Im Juni eskalierte die Lage, es kam zu Ausschreitungen zwischen Kirgisen und der usbekischen Minderheit. Hunderte wurden getötet, hunderttausende Usbeken flohen in das Nachbarland, dessen Grenze nur wenige Kilometer von den Städten Osch und Dschalalabad entfernt verläuft.

Die Lage ist nach wie vor angespannt. Die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ berichtete diese Woche, dass kirgisische Polizisten Razzien in den Usbekenvierteln durchführen, um usbekische Kämpfer aufzuspüren „Sie gehen von Tür zu Tür, um die Häuser zu durchsuchen“, sagte der Landeskoordinator Andrej Slawuzki am Montag bei einem Besuch in Genf. „Jeder Verletzte Usbeke ist ein potentieller Kämpfer für sie.“ Die Vereinten Nationen sprechen davon, dass junge Usbeken von den Sicherheitskräften mehrfach gefoltert worden seien. „Wir können die Vorwürfe nicht überprüfen“, sagt UN-Menschenrechtskommissar Navi Pillay. „Aber wir haben keinen Grund daran zu zweifeln.“

Flash-Galerie Kirgistan Kirgisien Unruhen in Osch
Vor allem usbekische Häuser wurden während der Unruhen angezündetBild: AP

Racheakte in Polizeiuniform

Welche Rolle Polizei und Militär während der Unruhen gespielt haben, ist umstritten. „Ein Stück weit muss man den Eindruck haben, dass die Sicherheitskräfte dort nicht mehr unter der Kontrolle der Regierung stehen, sondern eigene Interessen verfolgen. Ein Stück weit kann man auch davon ausgehen, dass Leute in Uniformen auftreten, die gar keine Sicherheitskräfte sind, um ihre persönlichen Rechnungen zu begleichen“, sagt die Kirgistan-Expertin Beate Eschment von der Universität Bremen.

In der vergangenen Woche forderte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle eine internationale Untersuchung der Ereignisse. Denn nach wie vor ist unklar, warum die Situation eskaliert ist. Offenbar hatte es eine Auseinandersetzung zwischen usbekischen und kirgisischen Jugendlichen gegeben. Andere Augenzeugen sprechen von maskierten Männern, die aus Autos auf Passanten geschossen haben sollen. Eine Welle der Gewalt, Barrikaden, brennende Häuser von Usbeken waren die Folgen. Die Stadt ist größtenteils zerstört.

Wer hat ein Interesse am Chaos?

Das Verhältnis zwischen Kirgisen und Usbeken ist schon lange angespannt. Bereits 1990, in den letzten Tagen der Sowjetunion, kam es zu Ausschreitungen. Dennoch zweifelt kaum jemand daran, dass bei den Ausschreitungen im Juni noch andere Interessen im Spiel waren. Während die Einen die Rolle von Armee und Polizei in Frage stellen, und damit zumindest die Frage aufwerfen, ob die Regierung wirklich versucht hat, die Lage zu beruhigen, konzentriert sich diese ganz auf ihre Version von einer gezielten Provokation des Ancien Regime. „Man kann davon ausgehen, dass die Familie Bakijews davon profitiert“, glaubt Beate Eschment. „Aber die Familie ist mit Sicherheit nicht die einzige Kraft, die diese Unruhen ausgelöst hat.“ Osch gilt als einer der wichtigsten Drogenumschlagplätze der Region. Es gibt viele, denen das Chaos gelegen kommt.

Autor: Mathias Bölinger (mit ap, rtr)
Redaktion: Silke Ballweg