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Schatten des Bürgerkriegs

Gabriel Dominguez / Monika Griebeler21. September 2015

Auf seiner Südasien-Reise besucht Außenminister Steinmeier nach Bangladesch auch Sri Lanka. Er will ein Zeichen der Unterstützung setzen für Aussöhnung in dem Land, das jahrzehntelang unter einem Bürgerkrieg litt.

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Bild: picture-alliance/ dpa

Eigentlich hat Frank-Walter Steinmeier gerade andere Themen auf seiner Agenda: Russland und die USA arbeiten - zusammen mit den Europäern - wieder intensiver an einer politischen Lösung des Syrien-Konflikts. Steinmeiers Mitarbeiter bereisen seit Tagen den Nahen Osten, um dort für die Initiative zu werben. Doch auch andere Brandherde erfordern die Aufmerksamkeit des Außenministers.

Erste Station von Steinmeiers Südasien-Reise: Bangladesch. Thema: Der Klimaschutz. Trotz aller aktuellen Krisen dürften "langfristige Gefahren" nämlich nicht aus dem Blick verloren werden, sagte der Außenminister - und meinte damit die Erderwärmung, die Bangladesch besonders bedroht. Mehr als die Hälfte des dicht besiedelten Landes liegt weniger als zwölf Meter über dem Meer. Steigt der Meeresspiegel weiter, hat das katastrophale Folgen. Steinmeier warnte daher vor einer neuen Fluchtbewegung. "Wir wissen, dass sich Millionen Menschen aus ihren Heimatländern aufmachen, wenn der Klimawandel ihre Lebensgrundlage zerstört."

Zweite Station: Sri Lanka

Auf seiner zweiten Station Sri Lanka geht es Steinmeier um die demokratische Entwicklung des Landes und um die Aufarbeitung des Bürgerkrieges seiner Folgen. Steinmeier möchte "ein Zeichen der Unterstützung setzen für die Aussöhnung nach dem Ende des Bürgerkrieges", heißt es offiziell.

Doch auch wenn der Wiederaufbau in Sri Lanka vorankommt - zur Aussöhnung ist es noch ein weiter Weg. Das zeigen auch neue Vorwürfe, die kürzlich in einem Bericht der Vereinten Nationen erhoben wurden.

"Unsere Untersuchungen haben das erschreckende Ausmaß der Kriegsverbrechen und Gesetzesverstöße in Sri Lanka gezeigt. Dabei geht es unter anderem um wahllosen Beschuss, außergerichtliche Hinrichtungen, Entführungen, erschütternde Berichte von Folter und sexueller Gewalt, Rekrutierung von Kindern und andere schwerwiegende Verbrechen." Das sagte der Hohe Kommissar für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Zeid Ra'ad Al Hussein, als er den lange erwarteten Bericht seiner Organisation vorstellte.

Kriegsverbrechen auf beiden Seiten

Auf 261 Seiten geht es um die Verbrechen, die allein zwischen 2002 und 2011 in Sri Lanka verübt wurden - und damit in den letzten sieben Jahren des Bürgerkrieges sowie den zwei Jahren nach seinem Ende. Laut Bericht haben "höchstwahrscheinlich" beide Seiten - tamilische Rebellen wie sri-lankische Armee - Gräueltaten an Zivilisten verübt. Um sie aufzuarbeiten, fordert der UN-Kommissar ein spezielles Kriegsverbrechertribunal aus internationalen Richtern, Staatsanwälten, Verteidigern und Ermittlern. Es könnte ein "unentbehrlicher Schritt Richtung Gerechtigkeit" sein.

Srilankischer Soldat steht Wache (Foto: ddp images/AP Photo/Gemunu Amarasinghe)
26 Jahre lang kämpften tamilische Separatisten und Armee in Sri Lanka gegeneinanderBild: AP

Von 1983 an kämpfte die sri-lankische Armee 26 Jahre lang gegen die militante Separatistengruppe Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE), die einen unabhängigen Staat für die tamilische Minderheit im Norden und Osten des Landes schaffen wollte. Im Mai 2009 eroberte die Armee die letzte LTTE-Bastion zurück und beendete so den Krieg. Mindestens 100.000 Menschen waren nach UN-Angaben bis dahin gestorben, Zehntausende spurlos verschwunden.

Sexuelle Gewalt als Teil der Strategie

Besonders schockierend sei das Ausmaß der sexuellen Gewalt, die gegen Gefangene der sri-lankischen Sicherheitskräfte verübt wurde, gegen Männer genau so wie gegen Frauen. "Fälle von sexueller Gewalt waren keine einzelnen Handlungen, sondern Teil einer gezielten Terrorpolitik", heißt es in dem UN-Bericht.

Mit Blick auf Zehntausende verschwundene Menschen geht der Bericht davon aus, dass auch dies Teil eines "weit verbreiteten und systematischen Angriffs" auf die Bevölkerung war. Viele mutmaßliche Rebellen, die sich den Streitkräften in der letzten Phase des Bürgerkrieges ergeben hätten, seien bis heute verschwunden. Die tamilischen Separatisten hätten zudem Kindersoldaten zwangsrekrutiert.

Kriegswitwen des Bürgerkriegs in Sri Lanka (Foto: LAKRUWAN WANNIARACHCHI/AFP/Getty Images)
Auch nach dem Ende des Krieges dauerten die Repressalien gegen Angehörige von Opfern an, kritisiert die UNBild: Getty Images/AFP/L. Wanniarachchi

Darüberhinaus berichten die UN vom "weit verbreiteten und brutalen Einsatz von Folter" durch die Sicherheitskräfte - nicht nur während des Krieges, sondern auch noch direkt nach Ende des Konflikts. Der Bericht dokumentiert Jahre voller Dementi und Vertuschungen seitens der Regierungen, nicht geführte Untersuchungen, ausgesetzte Ermittlungen und Repressalien gegen Familienangehörige der Opfer und andere, die sich für Gerechtigkeit eingesetzt haben.

Zwar hätten die verschiedenen Regierungen seit Ende des Bürgerkriegs Ermittlungen und Aussöhnung versprochen, tatsächlich - so der Bericht - hätten die Behörden aber nicht eine einzige Person zur Verantwortung gezogen. Für die Überlebenden sei das frustrierend, zumal "viele der Strukturen, die für die Gewalttaten verantwortlich sind, noch immer bestehen".

"Das Rechtssystem ist noch nicht bereit"

Erst wenige Tage vor Veröffentlichung des UN-Berichts hatte die neue Regierung Sri Lankas verkündet, eine eigene Wahrheitskommission einzurichten. Die UN-Forderungen nach einem internationalen Sondertribunal wies die Regierung jetzt zurück. Es gebe für Sri Lanka keinen anderen Weg, als ein eigenes Sondergericht einzurichten, sagte Außenminister Mangala Samaraweera.

Aus Sicht der Tamilenführer gehen die Pläne der Regierung jedoch nicht weit genug. Sie unterstützen die Pläne der Vereinten Nationen - andernfalls würden die Verbrechen nicht korrekt untersucht, heißt es.

Sri Lankas Präsident Maithripala Sirisena (Foto: Ishara S.KODIKARA/AFP/Getty Images)
Die Regierung um Präsident Maithripala Sirisena will die Kriegsverbrechen selbst klärenBild: AFP/Getty Images/S. Kodikara

Das befürchtet wohl auch UN-Kommissar Al-Hussein: "Die unglückliche Realität ist, dass das Rechtssystem Sri Lankas noch nicht bereit ist." Das zeige sich etwa darin, dass es kein verlässliches Zeugen- und Opferschutzprogramm gebe. "Ein rein inländisches Gerichtsverfahren hätte keine Chance gegen das weit verbreitete und berechtigte Misstrauen, das von jahrzehntelangen Verstößen, Missbrauch und nicht gehaltenen Versprechen angefacht wurde", sagte Al-Hussein.

Probleme der Vergangenheitsbewältigung, die wohl auch Bundesaußenminister Steinmeier ansprechen wird. Er will in Sri Lanka unter anderem Präsident Maithripala Sirisena und Regierungschef Ranil Wickremesinghe zu Gesprächen treffen.