Frankens Küchenklassiker
Fast 300 Brauereien gibt es hier, vor allem kleinere Familienbetriebe. Genauso aber ist die Gegend für ihre hervorragenden Weine bekannt, allen voran der Silvaner. Sein 350. Geburtstag in diesem Jahr wurde 2009 in der Region ausgiebig gefeiert wird. Und was kommt in Franken auf den Teller? Vor allem reichlich. Zumindest bei Christine Jäger im Landgasthof "Zum Falken" in Mainbernheim, einem kleinen Dorf südöstlich von Würzburg.
Kräftig, deftig
"Fränkische Küche ist herzhaft, deftig und kräftig", betont Christine Jäger. Sie muss es wissen. Schließlich führt ihre Familie das Gasthaus seit sechs Generationen. Fränkische Küche bedeutet für sie "viel Fleisch, viel Wurst, leckeres regionales Gemüse und viele Kartoffeln." Nudeln gibt es in der Region weniger. Dafür aber reichlich Wirsing, der hier Wirsching genannt wird, dazu Lauch, Sauerkraut und Rotkohl, der hier Blaukraut heißt. Nicht zu vergessen die fränkischen Bratwürste, das Reh aus dem Steigerwald und und und...
Regionale Vielfalt
Natürlich werden die Bratwürste 20 Kilometer nördlich oder östlich von Mainbernheim schon wieder anders gewürzt, hat der Koch aus dem Nachbardorf ein ganz eigenes Rezept für den Schweinebraten und die Zubereitung des Karpfens. Aber ein paar Gemeinsamkeiten lassen sich trotz Vielfalt finden. Das Schäufele ist eine dieser kulinarischen Ikonen Frankens und die besondere Spezialität im Gasthof zum Falken:
"Das Schweineschäufele stammt von der Schulter des Schweins", erklärt die versierte Köchin Christine Jäger. Jedes Schwein gibt im Prinzip vier Schäufele, von jeder Schulter zwei. "Das wird oben an der Schwarte schön eingeritzt, damit es schön knusprig wird. Dann wird es mit Salz und Pfeffer kräftig gewürzt und in einer Pfanne kräftig angebraten. Anschließend wird es in einen Bräter mit Wurzelgemüse gesetzt, ein bisschen Brühe kommt hinzu und wird dann schön langsam drei Stunden in der Röhre knusprig gebraten."
Eine gehörige Portion Fleisch
Bei Christine Jäger gelingt der Klassiker so gut, dass ihr Restaurant schon eine kleine Legende in der Gegend ist. Seinen Namen hat das ganz besonders aromatisch zubereitete Stück vom Schwein übrigens, weil die Schulter einer Schaufel ähnelt. Und da die Franken genauso wie die Schwaben gerne Dinge verniedlichen, kam das "Schäufele" dabei heraus. Niedlich ist das Schäufele allerdings wahrlich nicht, sondern ein gehöriger Brocken Fleisch. Falken-Koch Martin Schulze-Vorberg verrät noch, dass es besonders kross wird, wenn man zehn Minuten, bevor das Schäufele fertig ist, einen Kochlöffel in die Backofentür steckt, damit die feuchte Luft abziehen kann.
Halbseidene Klöße
Als Beilage zum deftig Gebratenen gibt’s halbseidene Kartoffelklöße. "Klingt unanständig, ist es aber nicht", sagt Christine Jäger. "Halbseiden" bedeutet im Fränkischen, dass der Kloß sowohl aus rohem Kartoffelteig als auch aus gekochten Kartoffeln besteht. Außerdem dürfen geröstete Weißbrotwürfel für das Innenleben der Klöße nicht fehlen. Die Sauce wird aus dem Fond vom Schäufele gezogen, dem Bratensud. Und dazu gibt es entweder Sauerkraut oder klassisch fränkisches Wirsinggemüse.
Blaue Zipfel
Eine andere Ikone der fränkischen Küche kommt nicht aus dem Bratrohr, sondern aus dem Kochtopf - hat dort aber gar nicht so lange Zeit verbracht. Falken-Koch Martin Schulze-Vorberg schwärmt von den Blauen Zipfeln als fränkischer Verführung. Eigentlich handelt es sich dabei um Bratwürste, nur dass sie eben nicht gebraten, sondern in einem Essigsud gekocht oder besser langsam gegart werden. Dadurch nehmen sie eine leicht bläuliche Färbung an. Entscheidend ist der gewürzte Essigsud, der mit Wein verfeinert wird, am besten mit fränkischem Silvaner, klar. Zu den Zutaten gehören außerdem Wacholderbeer, Lorbeerblatt, eine Gewürznelke und frisches Gemüse: Lauch, Sellerie und Karotten. Alles zusammen in einen Topf, Würste hinein, nach zehn Minuten sind die Blauen Zipfel fertig, im Idealfall sind sie hausgemacht.
Auch Sternekoch Bernhard Reiser schwört auf regionale Produkte. In seinem Restaurant in Würzburg gibt es ausgefallene und anspruchsvolle Gerichte: Kaninchenravioli mit grüner Kräutersauce und Rote-Beete-Sprossen, Quittenmus mit Kardamomeis und etwas, das sich nur akustisch wie ein Witz anhört. "Das Scherzerl ist ein ganz bestimmtes Stück aus der Schulter vom Rind", erklärt Reiser und betont: "Ich liebe so Gegensätze wie arm und reich. Das Filet ist ja immer etwas Teures. Das Scherzerl ist vom Produkt her viel billiger, aber als Koch muss man damit wesentlich mehr machen, um es als Delikatesse erscheinen zu lassen. Ein Filetstück zu braten ist dagegen eher etwas für Anfänger. Da kann ich nicht viel verkehrt machen."
Filet für Langweiler
Bernhard Reiser kombiniert beides und macht keinen Hehl daraus, dass seine Vorliebe eindeutig dem Scherzerl gilt. Das Fleisch vom Scherzerl sei sehr grobfaserig, dadurch könne es sehr viel Saft in sich aufsaugen. "Es hat eine sehr lange Garzeit und man muss vorsichtig damit umgehen. Aber wenn man es richtig macht, ist das Scherzerl ein Genuss und viel hochwertiger als ein Stück Filet. Das ist eher etwas für Langweiler." Der Meister hat gesprochen. Der Reporter probiert und nickt. Und während er sich noch die Lippen leckt, macht er sich auf ins Schwabenland, auf der Suche nach den schwäbischen kulinarischen Spezialitäten...
Autor: Günther Birkenstock
Redaktion: Marlis Schaum