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Schäuble lässt Athen zappeln

Bernd Grässler13. August 2015

Das Bundesfinanzministerium ist mit der neuen Experten-Vereinbarung zwischen Kreditgebern und Griechenland unzufrieden. So bleibt offen, ob der Bundestag nächste Woche in einer Sondersitzung darüber entscheiden kann.

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Griechenland, Zeitung karikiert Wolfgang Schäuble
Bild: Getty Images/AFP/L. Gouliamaki

Wolfgang Schäuble gebe im Verhandlungspoker mit Griechenland wieder einmal den "Bad Cop", spottet die Vize-Fraktionsvorsitzende der oppositionellen Linken, Sarah Wagenknecht. "Gründlichkeit vor Eile" nennt man es dagegen im Berliner Finanzministerium: Noch ist unklar, ob das auf Expertenebene von den Kreditgebern mit der griechischen Regierung ausgehandelte dritte Hilfspaket die Zustimmung Deutschlands findet. Allerdings ist bereits an diesem Freitag ein Treffen der Finanzminister der Euro-Gruppe in Brüssel geplant, bei dem Schäuble Farbe bekennen muss. Während aus Merkels Kanzleramt und dem von Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) geleiteten Wirtschaftsministerium eher positive Töne zu dem 29 Seiten umfassenden Papier zu hören sind, berichten die Süddeutsche Zeitung und andere Medien von einer Bewertung durch das Schäuble-Ministerium, wonach "einige sehr wichtige Reformen noch gar nicht umgesetzt und auch noch nicht spezifiziert" seien.

Zweimal "noch nicht erfüllt"

Zitiert wird eine nach verschiedenen Themen geordnete Gegenüberstellung der neuen Vereinbarung mit den Beschlüssen des EU-Gipfels vom Juli. Dabei komme das Finanzministerium nur drei Mal zu dem Ergebnis, dass die Vorgaben "weitgehend erfüllt" seien. Vier Mal heißt das Ergebnis "teilweise erfüllt", zweimal "noch nicht erfüllt". Die größten Schwierigkeiten ergeben sich demnach bei der Schuldentragfähigkeit Griechenlands, weil der Finanzbedarf offenbar noch höher ist als geplant. Mit den neuen Darlehen stiege der Schuldenberg des Landes 2016 auf einen Rekord von 201 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP).

Skepsis herrscht über die Arbeit des geplanten Privatisierungsfonds. Der soll langfristig 50 Milliarden Euro durch den Verkauf griechischen Staatseigentums einnehmen, was Experten für illusorisch halten. Eine andere Sorge der Bundesregierung gilt der weiteren Einbindung des Internationalen Währungsfonds an der Griechenland-Rettung. Glaubt man der Linken-Politikerin Wagenknecht, dann möchte die Bundesregierung gern die undankbare Rolle des Austeritäts-Wächters der Eurozone gern an den IWF abgeben. Der jedoch will erst im Herbst entscheiden, ob er sich an dem dritten Hilfsprogramm beteiligt. Finanzstaatssekretär Jens Spahn (CDU) forderte am Donnerstag erneut ein "klares Bekenntnis" vom IWF. Der allerdings möchte, das Griechenland zuvor Schulden erlassen werden, weil anders eine Rückkehr des Landes zu einigermaßen stabilem Wachstum nicht möglich sei. Ein solcher weiterer "Schuldenschnitt" würde aber diesmal zu Lasten der öffentlichen Kreditgeber gehen, darunter auch des deutschen Staates. Deshalb lehnen ihn Kanzlerin Merkel und ihr Finanzminister ab.

Griechenland Demonstration Gewerkschaft PAME
Alltag: Gewerkschaftsdemonstration in AthenBild: Reuters/R. Zvulun

Datum für Arbeitsmarktreformen fehlt

Auch in einigen anderen Punkten enthält das Schäuble-Papier, das laut "Spiegel online" nach Brüssel geschickt wurde, deutliche Kritik. So sei beim EU-Gipfel vereinbart worden, bis Dezember 2015 umfassende Arbeitsmarktreformen auf den Weg zu bringen. In der Athener Vereinbarung fehle aber ein klares Datum. Das bedeutet, dass eine wichtige Reform erneut aufgeschoben werde. Auch solle eine Reform der griechischen Verwaltung "in enger Zusammenarbeit" mit der EU-Kommission erfolgen und nicht wie beim Gipfel vereinbart "unter Federführung" der Brüsseler Behörde.

In Berlin machen Meldungen über Meinungsverschiedenheiten zwischen Schäubles Finanzministerium und dem SPD-geführten Wirtschaftsministerium die Runde, die zwar plausibel klingen, aber offiziell zurückgewiesen werden. Finanzstaatssekretär Spahn erklärte, man ziehe da "an einem Strang". Außerdem wurde über ein Telefonat Merkels mit dem griechischen Premier Tsipras berichtet, bei dem es recht "laut" geworden sei. Merkels Sprecher Steffen Seibert bestätigte Telefonate der beiden Regierungschefs, dementierte aber den Bericht über erhöhte Lautstärke.

Sondersitzung in der Sommerpause?

Sollte die Bundesregierung tatsächlich ablehnen was Europäische Zentralbank (EZB), EU-Kommission, Internationaler Währungsfond und Vertreter des Rettungsschirmes ESM mit den Griechen ausgehandelt haben, käme als Notlösung eine sogenannte Brückenfinanzierung ins Spiel. Dies sei immer noch eine Option, heißt es aus dem Finanzministerium. Über das 86 Milliarden Euro schwere dritte Hilfspaket müsste weiter verhandelt werden. Deutschland möchte daran jedoch nicht allein Schuld haben. So verweist Finanzstaatssekretär Spahn auf weitere Länder, die noch Klärungsbedarf hätten, darunter Frankreich.

Geben Schäuble und seine Ministerkollegen aus den insgesamt 19 Euro-Staaten am Freitag grünes Licht, dann würde Bundestagspräsident Norbert Lammert die Abgeordneten des deutschen Parlaments für eine Sondersitzung am Dienstag oder Mittwoch kommender Woche aus der Sommerpause rufen. Eine Mehrheit für die neuen Hilfen gilt als sicher, auch wenn mit der bisher größten Anzahl von Nein-Stimmen gerechnet wird. Gerade noch rechtzeitig könnte Athen neues Geld erhalten, um die am 20.August fällige Rate von 3,2 Milliarden Euro bei der Europäischen Zentralbank zu begleichen. Und Kanzlerin Merkel könnte an diesem Tag ihre lange geplante Dienstreise nach Brasilien antreten.