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PolitikSudan

Save-the-Children-Helferin im Sudan: Lebensgefahr für Kinder

20. April 2023

Die Kämpfe im Sudan gefährden die Versorgung der Menschen mit Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten. Die DW sprach mit einer Mitarbeiterin von Save the Children in Khartum.

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Sudan Khartum | Flucht Bewohner vor Kämpfen
Bild: AFP

Seit Samstag liefern sich im Sudan die Armee und die paramilitärische Gruppe Rapid Support Forces (RSF) erbitterte Kämpfe. Sie gefährden das Leben und die Versorgung der Zivilbevölkerung.

Die Deutsche Katharina von Schroeder arbeitet für die Hilfsorganisation Save the Children in der Hauptstadt Khartum. Als die Kämpfe ausbrachen, war sie mit ihrem achtjährigen Sohn und anderen Familien zum Sport in einer Schule, wo sie seitdem ausharren. Waffenruhen sind mehrfach gescheitert.

DW: Wie ist die Lage in Khartum und wie geht es Ihnen in der Schule?

Katharina von Schroeder: Heute Morgen hatten wir eine ganz kurze Pause, plötzlich war Stille. Doch dann ging es wieder los: Wir hören viele Luftangriffe und Kampfgeräusche von allen Seiten. Etwas weiter weg sind Kampfhandlungen zu hören. Da ist die Sorge, ob sich das verlagern kann. Bisher waren wir etwas entfernt, aber nah genug, dass man alles mitbekommt, wir haben auch Querschläger hier gehabt.

Man ist sehr angespannt und macht sich Sorgen um Freunde und Kollegen, wo Kämpfe direkt vor der Haustür sind. Khartum ist um den Flughafen gebaut. Deswegen sind die Kämpfe um den Flughafen im Stadtzentrum so dramatisch, die Wohngebiete grenzen direkt daran. Es gibt viele Einschüsse an Häusern, getötete Zivilisten und ganz viele Verletzte.

Eine Frau mit langen Haaren steht vor einer kargen Landschaft im Sonnenuntergang und schaut ernst in die Kamera
Katharina von Schroeder arbeitet für die Hilfsorganisation Save the Children im SudanBild: Privat

Hier in der Schule gibt es einen Keller. Bei Angriffen gehen wir runter, man fühlt sich ein bisschen sicherer, hört die Geräusche nicht so, was für die Kinder, aber auch für uns selbst gut ist. Da warten wir, bis es vorbei ist. Ich weiß, dass jemand rausgegangen ist auf die Straße, um kurz zu gucken, wie die Lage ist. Er wurde angeschossen. Man ist kein Ziel, aber die Lage ist einfach zu chaotisch.

Wie ist die Versorgungslage?

Die Versorgungslage ist sehr schlecht, die Stromversorgung ist an vielen Stellen ausgefallen, auch viele Krankenhäuser arbeiten nicht mehr. Besonders dramatisch: Es gibt nur zwei Krankenhäuser, die auf Kinder spezialisiert sind. Beide sind aus Sicherheitsgründen evakuiert worden. Das heißt, die ganze spezialisierte Versorgung für Kinder funktioniert nicht mehr. Ein Krankenhaus hatte das gesamte Insulin für Kinder für den ganzen Sudan, für alle, die Diabetes haben. Und es gibt andere Medikamente, die durch die mangelnde Stromversorgung verderben, die eigentlich dringend benötigt werden.

Bei uns in der Schule waren ein paar Vorräte für die Schulkinder. Hier ist die Wasserversorgung noch nicht abgeschnitten wie in vielen anderen Teilen der Stadt, wo die Wasserrohre durch die Kämpfe zerstört sind.

Geschäfte öffnen, wenn überhaupt, nur kurz. Essen wird knapp, weil nichts nachgeliefert wird. Praktisch die ganze Grundversorgung ist nicht mehr gegeben. Von Sudanesen höre ich, dass sie versuchen, aufs Land zu gehen. Es sind sehr viele Leute auf dem Weg in ländliche Gegenden.

Blick auf einen Fluß und eine Stadt, über die dunkle Rauchwolken ziehen
Kämpfe im Sudan: Schwarzer Rauch über der Hauptstadt KhartumBild: Abdelmoneim SAYED/AFP

Was hören Sie über die Lage in anderen Regionen?

Kämpfe gibt es in vielen anderen Provinzen. In Nord-Darfur ist auch unser Büro geplündert worden. Da wurde vieles entwendet, auch Medikamente. Es gibt viele Probleme. Die Gesundheitslage dürfte dramatisch werden. Das Gesundheitssystem war vorher schon nicht gut, auch deswegen arbeiten wir ja hier als Save the Children. Aber das wird jetzt viel drastischer, weil noch mehr Infrastruktur zerstört wird, Medikamente noch knapper werden.

Was heißt das für Ihre Arbeit?

Wir haben 500 Mitarbeiter und arbeiten normalerweise in 14 von 18 Provinzen, im Moment nur in drei oder vier für eine Notversorgung. Aber meine Kollegen planen fieberhaft und sind in Kontakt mit dem Gesundheitsministerium, denn medizinische Versorgung wird wahrscheinlich die erste Nothilfe sein. Aber auch die Sicherung von Lebensmitteln und Nahrung für kleine Kinder, die im Moment nicht geliefert wird. Sobald sich die Lage in einer Provinz stabilisiert, werden wir dort sofort wieder arbeiten. Aber jetzt ist es einfach zu extrem in den meisten Regionen.

Was fürchten Sie für die Versorgung der Menschen und besonders der Kinder?

Ich glaube, dass das vielerorts zu lebensgefährlichen Situationen führen wird. Als Nebeneffekt der Kampfhandlungen geraten Menschen und besonders Kinder in Lebensgefahr dadurch, dass sie nicht mehr erhalten, was sie brauchen. Save the Children und andere Hilfsorganisationen können nur extrem limitiert arbeiten. Es ist dramatisch.

Schon vor der Eskalation jetzt war ein Drittel der Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen. Es gab eine extreme Wirtschaftskrise, es gibt Folgen der Klimakrise, vor allem in Nord-Darfur und Provinzen am Roten Meer - zusätzlich zu den jahrzehntelangen Konflikten in Darfur. Es gibt 3,7 Millionen Binnenvertriebene im Land.

Ich lebe seit sieben Jahren im Sudan. Hier sind wunderbare Menschen, die so viel Potenzial haben. Das wird leider immer wieder zerschlagen.

Was wünschen Sie sich von der internationalen Gemeinschaft?

Dass diejenigen, die Einfluss haben auf die Akteure, sie dazu bewegen, eine Waffenruhe einzuhalten oder die Kämpfe zu stoppen. Aber ich weiß auch, dass es extrem schwierig ist. Natürlich geht es auch darum, die Bevölkerung so viel möglich zu unterstützen, denn das sind die Leidtragenden. Sie sind nicht diejenigen, die kämpfen, und müssen trotzdem die Folgen tragen.

Ein Versuch der Bundeswehr, Deutsche aus dem Sudan zu evakuieren, ist gescheitert. Wissen Sie, wie es für Sie weitergeht?

Die Botschaft ist mit mir ständig in Kontakt. Sie informieren uns sehr gut. Wir haben das selbst gesehen: Als Flugzeuge versuchen wollten zu landen, gingen hier Abwehrraketen in die Luft. Das wäre völlig unverantwortlich gewesen, nach Khartum zu kommen. Wir bleiben hier, bis es eine Lösung gibt.

Da ich mit meinem achtjährigen Sohn hier bin, werde ich eine Evakuierungsmöglichkeit wahrnehmen, wenn es sie gibt. Wenn ich kein Kind hätte, würde ich wohl hierbleiben, wie viele meiner Kollegen, die ohne Kinder hier sind, weil natürlich ganz viel Arbeit ansteht. Save the Children wird auf jeden Fall weiterarbeiten.

Das Interview führte Andrea Grunau.