Die Feuer-Bauern von Sambia
1. März 2014Ein Torbogen aus Baumstämmen, inmitten gelbgrauer Steppe, markiert den Eingang zum Anwesen von Lesa, der Führerin der Lamba-Volksgruppe. Hier, außerhalb des Städtchens Mpongwe im Norden Sambias, leben Lesas Mitarbeiter in kleinen Lehmhütten. In einem nach drei Seiten offenen Pavillon empfängt die sogenannte "chieftainess" Gäste. Den Bauern der Lamba gehe das Land aus, klagt Lesa. "Unsere Bevölkerung wächst. Zugleich müssen die Bauern in immer kürzeren Abständen erschöpftes Ackerland aufgeben und neues erschließen."
14 Millionen Menschen leben in Sambia - auf einer Fläche, doppelt so groß wie Deutschland. Die 80 Prozent Bauern haben also mehr als genug Land. Warum ist trotzdem fast jeder zweite Sambier unterernährt?
Brandrodung zerstört Böden
Antworten gibt der aus Simbabwe stammende Agrarberater George Allison auf einer Fahrt durch den Norden des Landes. Sambias Ackerböden seien von Natur aus sauer und nährstoffarm, erklärt Allison - während entlang der Straße immer wieder abgeholzte und brennende Flächen auftauchen. "Leider bearbeiten die Kleinbauern diese Böden nicht nur mit Hacke und Pflug, sondern auch mit Feuer", sagt der Agrarexperte. Die Sambier sprechen von "Chitemene" - Landwechselwirtschaft mittels Brandrodung.
Das ist eine traditionelle Agrartechnik, bei der der Bauer auf einem kreisförmigen Stück Land zunächst alle Bäume fällt, die Äste in der Mitte aufschichtet und verbrennt. Dann pflanzt er in der Asche Mais oder Maniok an. Die Asche helfe dabei auf zweierlei Weise, erklärt George Allison. "Sie gibt Nährstoffe ab und sie neutralisiert die zumeist sauren Böden für eine gewisse Zeit. Hat der Bauer das Land für zwei oder drei Jahre bebaut, muss es anschließend allerdings für mindestens 20 bis 30 Jahre brach liegen". Erst dann seien die Bäume soweit nachgewachsen, dass der Boden wieder genutzt werden könne.
Landwirtschaft mit Armutsgarantie
In dicht besiedelten Gebieten hat die Brandrodung fatale Folgen. Die meisten Bauern in Sambia leben entlang der wenigen Straßen - dort sind die Böden zusehends erschöpft. Hinzu kommt: Fast alle Kleinbauern pflanzen ertragsarme Mais- und Manioksorten an, sie düngen gar nicht oder falsch, sie leisten gegen Unkraut kaum Widerstand. Die Folge: Diese Bauern ernten im Jahr vielleicht 500 Kilogramm Mais pro Hektar, während kommerzielle Farmer auf gleichen Flächen drei Tonnen Soja im feuchten Sommer und zehn Tonnen Weizen im trockenen Winter einfahren.
Außerdem vernichte die "Chitemene" Sambias Wälder und heize den Klimawandel an, sagt Professor Mick Mwala, Dekan der landwirtschaftlichen Fakultät der Universität von Lusaka. Er beklagt insbesondere, dass Kleinbauern trotz reicher Regenfälle nicht bewässern. "Es ist fast kriminell: Während der Regenzeit lassen unsere Bauern das Wasser einfach davonfließen, und drei Monate später sagen sie: 'Wir können nichts anbauen, weil wir kein Wasser haben'. Seit Jahren reden wir davon, unsere Landwirtschaft zu modernisieren. Im Wasserbereich aber ist da noch beinahe gar nichts geschehen."
Schuld an der Misere seien allerdings nicht die Kleinbauern, sagt Mwala. Im Gegenteil: Sie hätten die aus Südamerika stammenden Mais- und Maniokkulturen zunächst von den Kolonialherren aufgedrängt bekommen; später hätten die Eliten Sambias nie ein Interesse gehabt, kleinbäuerliche Landwirtschaft zu fördern.
Neue Kraft für schwache Böden
Was also ist zu tun? Praktiker George Allison rät zur so genannten "konservierenden Landwirtschaft", die heute in Brasilien, Argentinien, Australien und den USA weit verbreitet ist. Um die kargen Böden wieder fruchtbar zu machen, müssten die Bauern sie zunächst mit Kalk neutralisieren. "Anschließend muss der Bauer seinen Acker systematisch düngen. Und er sollte das Bodenleben möglichst wenig stören, also auf gar keinen Fall den Pflug einsetzen. Pflügen vernichtet zwar Unkraut, aber es lässt zugleich alles organische Material oxidieren und den Kohlenstoff verschwinden". Das verschlechtere die Qualität der Böden dramatisch, speziell im südlichen Afrika.
Kurz: der Bauer sollte nur noch schmale Furchen in den Boden schneiden, in die er Saatgut und Dünger einbringt. Außerdem sollte der Boden stets mit organischem Material bedeckt bleiben - mit Ernteresten vor allem. So ist er geschützt vor Erosion, kann Wasser und Nährstoffe halten, seine Fruchtbarkeit steigt. Und der Bauer muss nicht mehr alle Jahre wieder mit Hacke und Feuer neues Land erschließen.
Es geht nicht ohne Chemie
Die Organisation "Conservation Farming Unit", gegründet vom sambischen Bauernverband und finanziert über internationale Geber, versucht die neuen Techniken im Land zu verbreiten - keine leichte Aufgabe, denn die traditionellen Anbaumethoden sind in Sambia auch kulturell tief verwurzelt.
Außerdem könne die konservierende Landwirtschaft in Sambia keine strikt ökologische Landwirtschaft sein, sagt Vince Hodson, Mitarbeiter der "Conservation Farming Unit". Die Bauern müssten Kunstdünger nutzen, weil sie zu wenig natürlichen Dünger besäßen, erklärt Hodson. Und sie müssten gegen das überall wuchernde Unkraut Herbizide spritzen. "Unkrautbekämpfung ist in Afrika traditionell die Arbeit von Frauen und Kindern. Viele dieser Kinder fangen um fünf Uhr früh an, Unkraut zu jäten - eine überaus anstrengende Arbeit. Gehen die Kinder anschließend zur Schule, sind sie zu müde, um noch aufzupassen."
In den vergangenen Jahren hat die "Conservation Farming Unit" tausende sambische Bauern in der konservierenden Landwirtschaft geschult - auch in Zusammenarbeit mit ausländischen Agrarinvestoren. Immer mehr dieser Investoren zeigen Interesse, mit Kleinbauern auf Vertragsbasis zu kooperieren. Das könnte Sambias Landwirtschaft aus der Krise helfen.