Salafisten fordern Tunesien heraus
12. Juni 2012Die Beamten setzen Tränengas ein, um hunderte Islamisten in den Griff zu bekommen. Die liefern sich mit der Polizei in der Hauptstadt Tunis Straßenschlachten. Die Sicherheitskräfte nahmen nach Angaben des Innenministeriums 86 Demonstranten fest, es gab mehr als einhundert Verletzte.
Provokation durch Mekka-Karikaturen?
Ein Grund für die Gewaltaktionen der Salafisten ist eine Kunstausstellung in der Stadt La Marsa, 18 Kilometer nord-östlich von Tunis. Gezeigt wurden dort unter anderem Bilder, auf denen die muslimische Pilgerstadt Mekka karikiert wurde. Dieses und andere Werke empfanden die tiefreligiösen Islamisten als Gotteslästerung und zerstörten sie.
Es blieb aber nicht dabei: Die Radikalen brannten außerdem das Büro eines Staatsanwalts nieder und stahlen die Computer. "Das ist sehr bedenklich, denn ein Gericht steht für die Souveränität eines Staates“, beklagte der Staatsanwalt Amor Ben Mansour. Auch das Hauptbüro des mächtigen Dachverbandes der tunesischen Gewerkschaften (UGTT) im Nordwesten der Stadt Jendouba brannten salafistische Gruppen nieder. Mehrere Polizeiposten wurden attackiert.
Immer aggressiveres Vorgehen der Salfisten
Die Regierung will die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Diese müssten einen “hohen Preis bezahlen“, drohte der tunesische Justizminister Nourredine Bhiri. “Das sind terroristische Gruppen, die keine Macht haben, sie stehen isoliert in der Gesellschaft“, so Bhiri.
Nach Expertenmeinung leben schätzungsweise 10.000 Salafisten in Tunesien. Sie teilen sich in mehrere Lager: Einigen geht es lediglich um die Religion, andere sind Politiker und wieder andere sind Dschihadisten, die der Ansicht sind, Gewalt sei ein legitimes Mittel, um ihren Glauben zu verbreiten.
Da die aktuellen Anschläge an mehreren Städten des Landes gleichzeitig stattfanden, geht die Regierung davon aus, dass es sich um ein organisiertes Verbrechen handelt. Dahinter vermutet sie entweder Al-Qaida oder Anhänger des ehemaligen Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali, die das Land destabilisieren wollen, um an die Macht zu kommen.
Regierung distanziert sich von Dschihadisten
Die moderate tunesische Regierung wehrt sich gegen die radikalen Islamisten, unter anderem indem sie die Imame des Landes dazu aufgefordert hat, junge Tunesier nicht mehr zum Dschihad in Syrien aufzurufen. Syrien benötige politische Hilfe und keine Dschihadisten, erklärte ein Sprecher der Übergangsregierung in Tunis. Aus einem Brief, den Syrien im vergangenen Monat an die Vereinten Nationen schickte, geht hervor, dass von 26 in Syrien festgenommenen Kämpfern 19 aus Tunesien stammten.
nem/SC (ap, afp, rtr, dapd)