1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Sahra Wagenknechts BSW: Linke in der Sackgasse

2. September 2024

Das Bündnis Sahra Wagenknecht BSW will nach ihren starken Ergebnissen bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen nun regieren. Unter Bedingungen, die potenzielle Koalitionsparteien ablehnen. Geht da trotzdem was?

https://p.dw.com/p/4kCJx
Ein Wahlkampfplakat des Bündnisses Sahra Wagenknecht BSW ist auf dem Dresdner Schlossplatz zu sehen.
Sahra Wagenknecht: "Wer mit uns regieren will, muss auch mit mir sprechen"Bild: Sylvio Dittrich/imageBROKER/picture alliance

"Wir sind zu einem Machtfaktor in Deutschland geworden", sagt Sahra Wagenknecht bei ihrer ersten Pressekonferenz nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. In beiden Bundesländern wurde das erst im Januar 2024 gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) drittstärkste Kraft. Um nun Regierungen ohne die Alternative für Deutschland (AfD) zu bilden, könnte die neue Partei zum Zünglein an der Waage werden.

"Die Menschen, und das habe ich auch im Wahlkampf gespürt, setzen große Hoffnungen in uns", betont Wagenknecht. Der BSW-Erfolg sei auch Ausdruck der Stimmung in Deutschland. Das habe auch damit zu tun, wie wenige Menschen den etablierten Parteien noch Vertrauen schenken könnten und wie viele sich politisch im Stich gelassen fühlten. Davon hat aus Wagenknechts Sicht auch die vom Verfassungsschutz in Sachsen und Thüringen als "gesichert rechtsextremistisch" eingestufte AfD profitiert.

BSW-Wahlkampfthema: Krieg und Frieden

Und dann kommt die ehemaligen Linken-Politikerin auf ein Thema zu sprechen, das im BSW-Wahlkampf mit die wichtigste Rolle gespielt hat: Krieg und Frieden. Auf Plakaten wurde es als Alternative formuliert: "Krieg oder Frieden". Eine Anspielung auf Russlands Krieg gegen die Ukraine, in dem Deutschland das angegriffene Land mit Waffen unterstützt. Das will die Wagenknecht-Partei ändern.

Sahra Wagenknecht (r.) veranstaltete mit der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer im Februar 2023 in Berlin eine Friedenskundgebung. "Aufstand für Frieden" steht neben einer weißen Friedentaube auf einem großem Transparent, vor dem die beiden Frauen stehen und zum Publikum sprechen.
Sahra Wagenknecht (r.) veranstaltete mit der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer im Februar 2023 in Berlin eine Friedenskundgebung Bild: Monika Skolimowska/dpa/picture alliance

Das Problem: Über Waffenlieferungen oder die vom BSW ebenfalls abgelehnte Stationierung neuer Mittestreckenraketen in Deutschland entscheiden keine Landesregierungen in Sachsen oder Thüringen, sondern Bundesregierung und Bundestag in Berlin. Trotzdem sagt Wagenknecht: "Die Menschen erwarten, dass Landesregierungen auch in diesem Punkt ihre Position, ihre mehrheitliche Meinung widerspiegeln."

Wagenknecht fordert diplomatische Initiativen für Frieden

Umfragen seien in diesem Punkt eindeutig: "Die Hälfte der Menschen in Deutschland hat Angst davor, in einen großen Krieg hineingezogen zu werden, im Osten sogar eine Mehrheit", betont Wagenknecht. Eine Landesregierung unter Beteiligung des BSW müsste sich demnach klar in ihrem Sinne positionieren. Dazu gehören nach ihrem Verständnis auch mehr diplomatische Initiativen der Bundesregierung. "Und wir erwarten natürlich von einem Ministerpräsidenten, dass er das dann auch öffentlich zum Ausdruck bringt."

In die gleiche Kerbe schlagen die BSW-Spitzenkandidatinnen Sabine Zimmermann (Sachsen) und Katja Wolf (Thüringen), die ebenfalls früher bei der Linken waren: "Sahra Wagenknecht wird selbstverständlich in der Frage Krieg und Frieden und all das, was Bundesthemen auch auf Landesebene bewegt, eng eingebunden sein", sagt Wolf.

Die BSW-Spitzenkandidatinnen für Thüringen, Katja Wolf, und Sachsen, Sabine Zimmermann sitzen nebeneinander bei einer Pressekonferenz in Berlin.
Die BSW-Spitzenkandidatinnen für Thüringen, Katja Wolf (r.), und Sachsen, Sabine Zimmermann Bild: Bernd Elmenthaler/IMAGO

Sachsens CDU-Regierungschef offen für Gespräche mit dem BSW

Man sei bereit, Verantwortung zu übernehmen, erklärt Zimmermann für ihr Bundesland. "Aber wenn die CDU und die SPD nicht grundsätzlich ihre Politik verändern, werden wir uns hier auch nicht an einer Regierungskoalition beteiligen." Sachsens amtierender Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) schließt ein Bündnis mit dem BSW keinesfalls aus: "Ich habe mir das nicht gewünscht, aber ich muss die Realitäten zur Kenntnis nehmen", sagte er im "Deutschlandfunk".

Um die gegensätzlichen Auffassungen zu Waffenlieferungen an die Ukraine und Raketen-Stationierungen zu überwinden, könnte sich der Politikwissenschaftler Antonios Souris von der Freien Universität Berlin (FU) einen Kompromiss vorstellen: in Form einer Absichtserklärung in einem Koalitionsvertrag, dass sich das Land für Frieden einsetzen werde oder etwas Ähnliches.

Zwischen Bundes- und Landespolitik

Eine unverbindliche Erklärung dieser Art wäre vielleicht für alle beteiligten Parteien und ihre Wählerschaft vermittelbar. "Die CDU könnte gelernt haben, sich als Bundespartei nicht unbedingt zu stark in Landesfragen einzumischen", sagt Souris im DW-Interview. Andererseits wolle Wagenknecht bei möglichen Koalitionsverhandlungen ein gewichtiges Wort mitreden. "Und da ist die Frage, wie die CDU darauf reagieren wird. Denn darauf wird es letztlich ankommen", betont der Experte.    

Antonios Souris findet die Fokussierung auf Sahra Wagenknecht "wahnsinnig smart"

Noch kniffliger ist nach der Landtagswahl die Ausgangslage in Thüringen, wo es seit 2019 eine Minderheitsregierung unter Führung der Linken gibt. Die wurde nun abgewählt und der künftige Ministerpräsident könnte von der CDU gestellt werden. Theoretisch denkbar wäre eine Koalition mit dem BSW und der Linken. Das Problem: Die CDU hat schon 2018 auf ihrem Bundesparteitag jegliche Koalitionen mit der AfD und der Linken ausgeschlossen.

Thüringens BSW-Spitzenkandidatin will die Linke einbinden

Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz will daran auch festhalten. Dennoch hofft die Thüringer BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf, dass die Landes-CDU bei diesem Thema flexibler ist: "Wir werden versuchen, genau an diesem Punkt die Gespräche für eine neue politische Kultur in Thüringen zu führen", kündigte sie an.  

Das Bündnis Sahra Wagenknecht gibt sich in jeder Hinsicht selbstbewusst. "An uns kommt niemand vorbei", glaubt die sächsische Spitzenkandidatin Sabine Zimmermann. Auch Politik-Experte Antonios Souris schätzt das Potenzial der neuen Partei hoch ein. Den Zeitpunkt der BSW-Gründung und die erstmalige Teilnahme an Landtagswahlen im Osten hält er für strategisch gelungen – auch mit Blick auf die Bundestagswahl 2025: "Da wird immer noch der Reiz des Neuen bestehen."

BSW: kleine Teams, große Wirkung

Die Fokussierung auf Sahra Wagenknecht hält Souris für "wahnsinnig smart".  Auch mit kleinen Teams wie beim BSW seien in Zeiten von Social Media gute Wahlkämpfe möglich. Außerdem habe die Partei in Sachsen und Thüringen Spitzenkandidatinnen, die sich richtig reingeworfen hätten. So habe das BSW trotz weniger entwickelter Parteistrukturen den klassischen Marktplatz-Wahlkampf bedienen können. Oft mittendrin: Sahra Wagenknecht.

Und was wird nun aus der Linken, in der sich die drei erfolgreichen BSW-Frauen viele Jahre politisch engagiert haben? Souris ist skeptisch: Es werde auf die nächsten Monate ankommen. Dass weitere das Lager wechseln, indem sie von der Linken zum BSW wechseln, hält er für möglich. "Man wird wahrscheinlich Auflösungserscheinungen haben", vermutet der Berliner Politikwissenschaftler.

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland