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Südostasien ist Eldorado für Piraten

Rodion Ebbighausen17. August 2016

Piraterie ist in Südostasien eine ständige Bedrohung. Die Bedingungen für die Piraten sind gut. Die Gegenmaßnahmen der Regierungen laufen schleppend an. Das zeigt ein aktueller Fall aus Malaysia.

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Schiffe durchqueren die Straße von Malakka (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: Rahman/AFP/GettyImages

Die malaysische Regierung meldet, dass in der Nacht ein Tanker geentert und von den Piraten anschließend in indonesische Gewässer gesteuert wurde. Das Schiff fährt unter indonesischer Flagge und hat 900.000 Liter Diesel geladen.

Der Fall ist typisch. In den tropischen Gewässern vor den Küsten Malaysias, Indonesiens und Singapurs bleibt die Zahl der Piratenüberfalle weltweit am höchsten. Das belegt der Jahresbericht des International Maritime Bureau (IMB) 2015. Der Report zählt im vergangenen Jahr 147 Piratenüberfälle und Versuche in Südostasien, allein in den Gewässern Indonesiens wurden 108 Fälle registriert.

Die Region ist ein Eldorado für Piraten. Die Seestraßen von Malakka und Singapur sowie das Südchinesische Meer gehören zu den am dichtesten befahrenen Seegebieten der Welt. Es lockt also reiche Beute.

Ein Gewirr von Inseln bietet den Piraten Schutz. Noch dazu sind Südostasiens Gewässer in viele, oft kleine Hoheitsgebiete unterteilt, in denen jeweils andere Staaten das Sagen haben - das macht die Lage sehr unübersichtlich. Und nicht zuletzt sind viele Institutionen in der Region schwach ausgeprägt, einige Küstenwachen korrupt.

Kriminelle Netzwerke

Besorgniserregend ist aber vor allem die zunehmende Professionalisierung der Piraten. Ursprünglich handelte es sich laut Experten um organisierte kriminelle Banden. Seit 2014 soll es eine deutliche Veränderung gegeben haben. Ein typisches Netzwerk umfasst inzwischen neben der Entercrew und ihrem Anführer eine ganze Reihe von Hintermännern. Dazu gehört ein Mittelsmann, der über die notwendigen Kontakte verfügt; ein Fälscher, der Dokumente fingiert, mit denen die gestohlene Ware weiterverkauft werden kann; ein sogenanntes Phantomschiff, auf das die Ware umgeladen werden kann; ein Käufer, der bereits im Vorfeld mögliche Endkunden sucht; ein Geldgeber, der in Vorleistung geht, um das Unternehmen zu finanzieren - und schließlich ein oder mehrere Insider, die das Netzwerk mit Informationen versorgen. Bei den Insidern kann es sich um Hafenmitarbeiter, Zollbeamte oder Besatzungsmitglieder handeln.

Logistische Meisterleistung

Bei einem typischen Überfall spähen der Gruppenführer und/oder ein Mittelsmann ein infrage kommendes Zielschiff aus. Bei den 2015 am häufigsten gestohlenen Waren handelt es sich häufig um tausende Tonnen Flüssigkeiten, etwa Benzin, Palmöl für Biokraftstoff und flüssiges Gas. Derartige Produkte auf hoher See umzuladen, das erfordert ein hohes Maß an logistischem Know-how, das sich die Piraten über die Jahre angeeignet haben.

Illegaler Schiff-zu-Schiff-Transfer (Foto: Risk Intelligence)
Illegaler Schiff-zu-Schiff-TransferBild: Risk Intelligence/Karsten von Hoesslin
Infografik Schema eines Piratennetzwerks in Südostasien Deutsch

Erst nachdem alle Vorbereitungen abgeschlossen sind, kommt die Entermannschaft ins Spiel. Diese besteht aus etwa acht Mann. Sie kapert das Zielschiff, überwältigt die Mannschaft, stört die Kommunikationssysteme und beginnt mit dem Umladen auf das Phantomschiff. Der Vorgang des Umpumpens dauert zwischen sechs und zehn Stunden.

Anschließend wird die Beute an internationale Umschlagplätze wie Hongkong, Singapur und sogar ins weit entfernte Rotterdam verschifft.

Eine Pumpe mir Schläuchen, die zum Umladen von Palmöl oder Treibstoff verwendet wird (Foto: Risk Intelligence)
Eine Pumpe mir Schläuchen, die zum Umladen von Palmöl oder Treibstoff verwendet wirdBild: Risk Intelligence/Karsten von Hoesslin

Immenser Schaden

Den finanziellen Schaden, den die Piraterie anrichtet, kann niemand genau beziffern. Aber er geht - darin sind sich die Experten einig - ohne Zweifel in die Abermillionen. Das ergibt sich schon aus den Verdienstmöglichkeiten der Piraten. Jedes Mitglied eines Enterkommandos kann bei einem einzelnen Überfall etwa 30.000 Euro verdienen, ein Gruppenführer bis zu 100.000. Ein Mittelsmann streicht nicht selten mehr als eine halbe Million Euro für einen erfolgreichen Überfall ein.

Tote und Verletzte sind glücklicherweise eher die Ausnahme als die Regel. Laut dem Bericht des Internationalen Maritime Bureau (IMB) wurden in Südostasien bisher im Jahr 2015 insgesamt knapp 200 Geiseln genommen, vier Menschen verletzt, aber niemand getötet.

Unzureichende Gegenmaßnahmen

Das Problem der Piraterie gibt es seit Jahren. Eine Reihe von Initiativen wurde ins Leben gerufen, um dagegen vorzugehen. Malaysia, Indonesien und Thailand vereinbarten gemeinsame Patrouillen, die sogenannten "Eyes in the Sky Initiative". Der Erfolg ist bisher bescheiden. Das lag unter anderem daran, dass die Einheiten nur tagsüber patrouillierten, obwohl die Piraten überwiegend in der Nacht zuschlagen. Auch die zwanzig Staaten umfassende Initiative zur Bekämpfung der Piraterie ReCAAP (Regionale Kooperation zur Bekämpfung von Piraterie und bewaffneten Überfallen auf Schiffe in Asien) brachte nur langsam Fortschritte.

Der Report des IMB empfiehlt Schiffern in der Region besonders wachsam zu sein. Wenn die Angriffe frühzeitig entdeckt und der Alarm ausgelöst würde, würden die meisten Piraten unverrichteter Dinge abdrehen.

Ein typisches Piraten-Speedboot aus Indonesien (Foto: Risk Intelligence)
Ein typisches Piraten-Speedboot aus IndonesienBild: Risk Intelligence/Karsten von Hoesslin