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Medizin mit Nebenwirkungen

23. März 2009

Der Euro hat in der vergangenen Woche an einem einzigen Tag sechs US-Cent zugelegt. Klarer Fall: Die Notmaßnahmen der US-Notenbank stoßen auf immer mehr Skepsis und schaden dem Dollar, meint Rolf Wenkel

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Bild: DW

Es ist noch kein Jahr her, als praktisch alle europäischen Exporteure jeden Morgen sorgenvoll ihr Büro betraten und als erstes im Internet die neuesten Devisenkurse abfragten. Im Juni des vergangenen Jahres hatten die Unternehmer besonders dicke Sorgenfalten - da kostete ein Euro zeitweilig fast 1,60 Dollar. Entsprechend teuer waren Produkte aus Europa in der ganzen Welt, die in Dollar abgerechnet werden.

Doch im November des vergangenen Jahres lösten sich alle Sorgenfalten der europäischen Exporteure in Wohlgefallen auf, als der Euro nur noch 1,24 Dollar wert war. Mit anderen Worten: Der Dollar hatte gegenüber dem Euro enorm an Wert gewonnen - obwohl die Finanz- und Wirtschaftskrise bekanntlich ihren Ursprung in den USA genommen hat.

Sicherer Hafen

Rolf Wenkel

Ein Paradox? Nicht ganz. Dass der US-Dollar in den vergangenen Monaten trotz Finanzkrise an Wert gegenüber anderen Währungen gewonnen hat, liegt ganz einfach daran, dass der Dollar auch in Krisenzeiten für viele Anleger und Investoren als sicherer Hafen gilt. Viele Devisenhändler sehen die enorme Verschuldung der USA, bezogen auf die jährliche Wirtschaftsleistung, immer noch niedriger an als die entsprechenden Relationen in Europa. Und außerdem hat die amerikanische Notenbank aus Sicht der Devisenhändler bislang eine Politik der Zinssenkungen und Liquiditätsspritzen gefahren, die mit Blick auf das Ausmaß der Krise als angemessen galt.

Doch wenn wir auf den aktuellen Rand der Euro-Dollar-Entwicklung schauen, erleben wir eine Überraschung: Am vergangenen Donnerstag (19.03.2009) schoss der Euro innerhalb eines einzigen Handelstages von 1,31 auf 1,37 Dollar hoch. Was war geschehen? US-Notenbankchef Ben Bernanke hatte angekündigt, in den kommenden sechs Monaten zur Rettung der Finanzinstitute zusätzlich 1000 Milliarden Dollar auszugeben. Für 700 Milliarden Dollar will er den Banken Schrotthypotheken abkaufen, für 300 Milliarden Dollar will er der US-Regierung langfristige Staatsanleihen abkaufen.

Notenpresse angeworfen

Das kann man auch einfacher ausdrücken: Die amerikanische Notenbank setzt die Notenpresse in Gang - trotz nachlassender Wirtschaftsleistung. Das ist eine Medizin, die erhebliche Nebenwirkungen zeigen wird. Denn mittelfristig wird sich in den USA ein enormes Inflationspotenzial aufbauen. Die gegenwärtige Krise ist unter anderem durch zu viel Liquidität ausgelöst worden, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in die Märkte geschleust worden ist - darüber sind sich alle Fachleute einig. Nun wird der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben: Man steigt mit dem Helikopter auf, schüttet das Geld in die Märkte und legt damit den Keim für die nächste Blase. Das haben die Anleger in Ben Bernankes Ankündigungen durchaus erkannt und deshalb den Dollar innerhalb eines Tages gnadenlos abgestraft.

Bislang hat es die Europäische Zentralbank nicht nötig gehabt, sich solchen abenteuerlichen Liquiditätsinjektionen für die Finanzmärkte anzuschließen. Doch das ist kein Freifahrtschein für den Siegeszug des Euro. Denn hier haben Länder wie Griechenland, Portugal, Italien oder Spanien dermaßen viele Wettbewerbsvorteile verspielt, dass sie eigentlich dem Euroclub nicht mehr angehören dürften - und in Irland wird schon hinter vorgehaltener Hand über den Staatsbankrott gemunkelt. Keine rosigen Aussichten also für den Euro.

Große Unsicherheit

Was bleibt, ist eine große Unsicherheit. Löst die Dollarschwemme eine Hyperinflation aus, wie es manche Beobachter befürchten? Kann der Euro, intern selbst einer Zerreißprobe ausgesetzt, langfristig von der chronisch defizitären Leistungsbilanz der USA profitieren? Vermutlich wird erst einmal alles beim alten bleiben und der Euro um 1,40 Dollar pendeln. So lange jedenfalls, wie die internationalen Anleger immer noch glauben, die Amerikaner könnten ad infinitum weiter Schulden machen - und zurückzahlen.

Autor: Rolf Wenkel
Redaktion: Julia Elvers-Guyot