1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Russland stoppt Gaslieferungen an und durch Weißrussland

19. Februar 2004

– Minsk bestellt seinen Botschafter in Moskau zu Konsultationen in die weißrussische Hauptstadt – Auch westliche Staaten betroffen

https://p.dw.com/p/4h3p

Moskau, 19.2.2004, INTERFAX-SAPAD, INTERFAX.RU, WREMJA NOWOSTEJ

INTERFAX-SAPAD, russ., 19.2.2004, aus Minsk

Die weißrussische Seite hat am Donnerstag (19.2.) nervös auf den Stop der Gaslieferungen am Mittwoch (18.2.) um 18:00 Uhr Moskauer Zeit durch den russischen Konzern Gasprom an Weißrussland reagiert. Der Präsident Weißrusslands hat den Botschafter Weißrusslands in Russland, Wladimir Grigorjew, zu Konsultationen nach Minsk bestellt. Wie "Interfax" am Donnerstag beim Pressedienst des Staatsoberhauptes Weißrusslands mitgeteilt wurde, steht das im Zusammenhang mit der Krisensituation nach dem Beschluss von Gasprom, am Mittwoch die Gaslieferungen an Weißrussland zu stoppen.

Der Pressedienst von Aleksandr Lukaschenka hat eine Erklärung veröffentlicht, in der der Präsident erklärt, dass "jetzt unsere Beziehungen zu Russland auf lange Zeit vergiftet sein werden".

Auch die Regierung Weißrusslands hat am Donnerstagmorgen eine Erklärung veröffentlicht, in der der Stop der Gaslieferungen nach Weißrussland als "offene Erpressung und eine beispiellose Form des Drucks auf das weißrussische Volk" bewertet wird. "Solch einen einmaligen Schritt wie einen Lieferstop im Winter bei minus 20 Grad hat es seit dem Großen Vaterländischen Krieg nicht mehr gegeben", heißt es in der Erklärung der Regierung Weißrusslands. "In dieser Situation ist der Ministerrat gezwungen, im Land harte Maßnahmen zu ergreifen, um Rohstoffe zu sparen", heißt es in der Erklärung. Gleichzeitig verspricht der Premierminister der Republik, Sergej Sidorskij, dass "das Problem mit den Gaslieferungen die Bevölkerung Weißrusslands nicht betreffen wird".

Der erste stellvertretende Premierminister Weißrusslands, Wladimir Semaschko, erklärte seinerseits am Donnerstag gegenüber "Interfax": "Den Stop der Gaslieferungen an Weißrussland betrachten wir als Verletzung durch die russische Seite des Abkommens über die Schaffung gleicher Bedingungen im Bereich Preispolitik, das von den Regierungen Russlands und Weißrusslands am 12. April 2002 unterzeichnet wurde." Da kein einziger Teilnehmer dieses Abkommens das Abkommen für ungültig erklärt habe, sei dieser internationale Vertrag auch weiterhin gültig. "Sollte Russland von diesem Abkommen Abstand nehmen wollen, muss es das Rechtsprozedere einhalten und uns vorher darüber in Kenntnis setzen", betonte er. Dabei erklärte der erste Vizepremier, dass die weißrussische Seite sich das Recht vorbehält, andere russisch-weißrussische Abkommen in Frage zu stellen.

Der stellvertretende Chef der Administration des Präsidenten Weißrusslands, Oleg Proleskowskij, hat in diesem Zusammenhang am Donnerstag gegenüber "Interfax" erklärt, dass "Weißrussland nie zugelassen hat und nie zulassen wird, dass es unsererseits zu Verletzungen der Unionsbeziehungen und der Vereinbarungen mit der Russischen Föderation, darunter auch was die Gaslieferungen betrifft, kommen wird, egal was uns das kostet". (...) (lr)

INTERFAX.RU, russ., 19.2.2004

Mit Befremden wurde in Moskau der Beschluss des Präsidenten Weißrusslands Aleksandr Lukaschenka aufgenommen, den Botschafter seines Landes in Russland, Wladimir Grigorjew, zu Konsultationen nach Minsk zu bestellen. "Dieser Beschluss kann lediglich Befremden und Enttäuschung hervorrufen. Welchen Sinn hat es, komplizierte, jedoch wirtschaftliche Fragen zu politisieren", erklärte eine gut informierte Quelle des Außenministeriums der Russischen Föderation am Donnerstag (19.2.) "Interfax". Der Diplomat betonte, dass "kein Unternehmen der Welt Waren liefert, ohne einen Vertrag unterzeichnet zu haben, wenn es sich nicht um humanitäre Hilfe handelt". Eine andere Quelle des Außenministeriums sagte, dass Moskau keine ähnlichen Maßnahmen ergreifen werde, dass es seinen Botschafter aus Minsk nicht zu Gesprächen nach Moskau bestellen werde. (...) (lr)

WREMJA NOWOSTEJ, russ., Aleksej Griwatsch

(...) Minsk hat das zusätzliche Abkommen über den Erwerb von Gas beim Unternehmen "Transnafta" so auch nicht unterzeichnet. (...) " (...) Im Zusammenhang damit war Gasprom gezwungen, ab 18:00 Uhr Moskauer Zeit die Gaslieferungen an Weißrussland und den Transit von Gas durch das Territorium dieser Republik ganz zu stoppen", heißt es in einer offiziellen Erklärung von Gasprom. Das bedeutet, dass nicht nur die Lieferungen an die Republik selbst, sondern ins Gebiet Kaliningrad, nach Litauen, in die Ukraine, nach Polen und Deutschland gestoppt wurden. Einem Vertreter des russischen Konzerns zufolge sei die härteste Variante gezielt gewählt worden, da nur auf diese Weise das Problem vom toten Punkt bewegt werden kann. (...) "Nachdem die weißrussische Seite begann, bei uns Gas zu stehlen, blieben uns nur drei Möglichkeiten", wurde bei Gasprom erklärt. "(...) Wir mussten harte Maßnahmen ergreifen, die Minsk zwingen werden, den ganzen Ernst der Sache zu begreifen."

Im Jahr 2004 will Gasprom durch Weißrussland 31 Milliarden Kubikmeter Gas transportieren. 23 bis 24 Milliarden Kubikmeter davon werden über die Pipeline Jamal-Europa nach Polen und weiter nach Deutschland geliefert, weitere 7 bis 8 Milliarden Kubikmeter in die Ukraine (3,6 Milliarden), nach Litauen (3,1 Milliarden) und ins Gebiet Kaliningrad (640 Millionen). In den Wintermonaten werden diesen Kunden täglich über 80 Millionen Kubikmeter geliefert, von denen 20 Prozent Polen bekommt und über die Hälfte nach Deutschland und weiter nach Westeuropa fließt.

Gasprom verspricht, die möglichen Verluste der ausländischen Abnehmer von russischem Gas auf alternativen Wegen zu kompensieren. "Wir können unseren Verpflichtungen jedoch derzeit nicht hundertprozentig nachkommen", wurde beim Konzern erklärt. "Die Verantwortung für die Verletzung der Vertragsverpflichtungen der Offenen Aktiengesellschaft Gasprom gegenüber den ausländischen Abnehmern von russischem Gas trägt die weißrussische Seite." (...) (lr)