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PolitikAfrika

Russland, China und Katar verbreiten Fake News in Afrika

Nikolas Fischer | Zanem Nety Zaidi | Sandrine Blanchard
11. November 2024

Die Desinformationskampagnen in den sozialen Netzwerken Westafrikas nehmen massiv zu - vor allem in den Putsch-Staaten der Sahelregion. Das hat Folgen für die tägliche Arbeit von Journalistinnen und Journalisten.

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Burkina Faso | Eine Hand hält ein kleines Schild "Fake" hoch, im Hintergrund (unscharf) eine Frau am Handy
Unabhängige Berichterstattung ist in vielen westafrikanischen Staaten äußerst schwierig bis unmöglichBild: Boureima Salouka/DW

Westafrikanische Länder stehen besonders im Visier von Propagandakampagnen auf Social Media. In der Sahelzone haben sich die Desinformationskampagnen in sozialen Netzwerken in den letzten zwei Jahren fast vervierfacht. Das belegen Recherchen und Studien des Africa Center for Strategic Studies, von Amnesty International, Reporter ohne Grenzen oder dem nigrischen Onlinemedium L'Evénement.

Die meisten Desinformationskampagnen kommen aus Russland

Laut Africa Center werden fast 60 Prozent der Kampagnen von ausländischen Staaten gesponsert. Besonders häufig liefern sie demnach einen antiwestlichen Diskurs zugunsten Russlands: Das Land habe die Sahelzone seit 2018 mit 19 Kampagnen überschwemmt, die vor allem auf Mali, Burkina Faso und Niger gerichtet waren. Insbesondere Russland möchte seinen Einfluss ausbauen, nachdem die herrschenden Militärjuntas die westlichen Streitkräfte vertrieben haben.

"Wir kennen die Haltung Russlands gegenüber der EU und den USA", sagt Bilal Taïrou, Koordinator der African Verification Alliance. "Es gibt eine Welle antiwestlicher Stimmungen, also nutzt Russland diesen fruchtbaren Boden." Die Medienschlacht verschärfte sich im Jahr 2020, kurz bevor die Wagner-Gruppe in Mali auftauchte. Zu dieser Zeit schloss Facebook drei einflussreiche Online-Netzwerke auf seiner Plattform, von denen zwei mit Russland in Verbindung standen. "Man konnte Botschaften wie 'Adieu Frankreich, willkommen Russland' lesen", berichtet Dimitri Zufferey, Journalist und Mitglied des Kollektivs "All Eyes on Wagner". Und das Land scheine seine Ziele zu erreichen: "Mit unehrenhaften Mitteln ist es Russland gelungen, die öffentliche Meinung in Ländern wie Mali und Burkina Faso zu seinen Gunsten zu beeinflussen."

Sankt Petersburg: Burkina Fasos Präsident Ibrahim Traoré, in Tarnuniform, reicht Russlands Präsident Putin die Hand; Marmor und Kronleuchter im Hintergrund
Im regen Austausch: Burkina Fasos Präsident Ibrahim Traoré 2023 bei Wladimir PutinBild: Alexander Ryumin/dpa/Tass/picture alliance

Ein Beispiel: Seit 2023 kursiert im Netz ein Animationsvideo, in dem Geistersoldaten mit französischen Flaggen nach Afrika aufbrechen. "Wir sind Macrons Dämonen", sagen sie auf Französisch. "Jetzt ist dies unser Land." Ein Kämpfer vor der malischen Flagge gerät unter Druck, bevor Wagner-Söldner zur Rettung herbeieilen. Russland lanciert darüber hinaus Propaganda-Geschichten in lokalen Medien, über die die öffentliche Meinung beeinflusst werden soll.

Manipulation der öffentlichen Meinung

Neben Russland sind aber auch andere staatliche Akteure wie etwa China und Katar in den Putsch-Staaten der Sahel-Region präsent. "Es gibt eine Machtrivalität zwischen alten Partnern und potenziellen neuen Partnern, die sich in diesen neuen Räumen dauerhaft etablieren wollen", sagt Harouna Simbo, Journalist und Analyst für Desinformation in der Sahelzone.

Die bewusst verbreiteten Falschinformationen haben direkte Auswirkungen auf die Arbeit der lokalen Journalisten, die ohnehin unter starkem politischem Druck stehen. Denn die Militärs in Mali, Burkina Faso und Niger haben Maßnahmen ergriffen, um kritische "unpatriotische" Medien mundtot zu machen: Laut Reporter ohne Grenzen werden hunderte Journalisten in der Sahelzone eingeschüchtert und bedroht. Es gibt Berichte etwa über Entführungen und Zwangsrekrutierungen.

"Journalisten haben zwei Möglichkeiten", erklärt Malick Konaté, ein Journalist aus Mali, der inzwischen im Exil lebt. "Entweder sich selbst zu zensieren und der Linie zu folgen oder das Land zu verlassen." Jeder, der versuche, sachliche Informationen zu verbreiten, werde als jemand behandelt, der das Land destabilisieren will oder im Auftrag des Westens handelt.

Anfälligkeit für Desinformation: "Ein geopolitisches Schlachtfeld, auch im Internet"

Statt des Westens stehen neue Partner parat, die ihre Sichtweise präsentieren und mit Macht ins Spiel bringen. "Die Region ist zu einem geopolitischen Schlachtfeld geworden, auch im Internet", sagt Hamadou Tidiane Sy. Er ist Direktor der Hochschule für Journalismus, Internet- und Kommunikationsberufe Ejicom in Senegals Hauptstadt Dakar und Gründer des Mediums Ouestaf.com.

Manche Kampagnen seien sehr aufwendig und ausgeklügelt, andere weniger und damit leichter zu durchschauen. "Es gibt Menschen, die dies aus Loyalität oder Zuneigung tun, weil sie glauben, dass es einige afrikanische Länder vom Joch der ehemaligen Kolonialmächte befreien könnte, wenn sie auf der Seite Russlands oder Chinas stehen." Andererseits dürfe man sich aber auch nichts vormachen. Andere Staaten täten genau das Gleiche, um Verbündete zu gewinnen oder andere zu diskreditieren.

Ein großes Problem: Desinformationen verbreiten sich in den sozialen Medien äußerst schnell. "Es ist sehr einfach, die Massen zu manipulieren, die leider manchmal unwissend sind", sagt Sy. Es sei daher äußerst wichtig, Journalisten im Faktenchecken zu schulen. Damit sie Fehler erkennen und nicht weiterverbreiten.

Militärdiktaturen kehren ECOWAS den Rücken

"Wir müssen die Bürger sensibilisieren und Medienkompetenz lehren"

Im Rahmen des Nachrichtenkanals Ouestaf.com organisieren Sy und seine Partner unter anderem öffentliche Debatten zu Fragen der Desinformation oder lassen von Partnerradios Informationen dazu verbreiten. "Wir müssen die Bürger sensibilisieren und Medienkompetenz lehren", sagt der Hochschuldirektor. Ziel müsse sein, den Menschen zu zeigen, dass es seriöse Journalisten gibt, die mit seriösen Informationen arbeiten.

Doch Sy weiß auch: "Nur weil es Pazifisten gibt, heißt das nicht, dass es keine Waffen gibt. Ich glaube, dass es sich um eine Geißel handelt, die noch eine Weile bleiben wird." Wenn die Behörden dieses Problem angehen wollten, müssten sie auch den Zugang zu öffentlichen Informationen erleichtern, fordert er. Und bleibt doch Realist: "Manchmal sind es die Politiker selbst, die die analphabetischen Massen brauchen, um sie besser manipulieren und ihre politischen Ziele erreichen zu können."

Hand hält Karte mit Schriftzug "Desinformationskampagne" vor russischer Flagge
Russland führt die "Rangliste" der Desinformationskampagnen in Westafrika deutlich anBild: Michael Bihlmayer/CHROMORANGE/picture alliance

Ein Faktencheck kann sogar Leben retten

Dass Faktenchecken immer wichtiger wird, weiß Adnan Sidibé aus Burkina Faso. Er arbeitet für die Plattform Fasocheck.org, die gegen Desinformation in der Sahelzone kämpft und Projektpartner der DW ist. Im Oktober wurde Sidibé auf dem Africa Fact Summit in Ghana als bester professioneller Faktenchecker des afrikanischen Kontinents 2024 ausgezeichnet.

Ein Faktencheck mache bei praktisch allen Themen Sinn, an denen es ein öffentliches Interesse gibt und die die Bevölkerung direkt betreffen. Sidibé nennt ein Beispiel aus dem Bereich Gesundheit: Einige "Pseudomediziner", wie er sie nennt, hätten in den sozialen Netzwerken einen "angeblich magischen Trank" angepriesen, für den bestimmte Blätter gekocht werden und der Krankheiten heilen soll. Dafür gebe es allerdings keinerlei fundierte Beweise oder Studien. Solche Inhalte stellen laut dem Faktenchecker eine reale Gefahr für die öffentliche Gesundheit dar. So seien etwa gefährliche Nebenwirkungen wie Nierenversagen aufgetreten.

Auch bei COVID-19 seien in den sozialen Netzwerken diverse dubiose Behandlungsmethoden kursiert. "Einige Menschen kamen nicht mehr lebend aus der Sache heraus", sagt Adnan Sidibé.

Nikolas Fischer, Redakteur
Nikolas Fischer Reporter und Redakteur