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Russland beherrscht Davos

Ashutosh Pandey z.Zt. Davos
24. Mai 2022

Im "Russia House" in Davos präsentierte sich Russland einst als lohnendes Ziel für Investitionen. Jetzt wird das Haus von Ukrainern genutzt, um an russische Kriegsverbrechen zu erinnern.

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Bild: DW

Russische Stimmen hallen durch das ehemalige Russia House in Davos, ganz wie früher - allerdings richten sie sich dieses Mal nicht an potenzielle Investoren. Vielmehr sind es die Stimmen russischer Soldaten, die ihren Angehörigen in der Heimat stolz von Verbrechen erzählen, die sie in der Ukraine begangen haben.

Seit 2018 war das Haus die russische Residenz in dem Schweizer Alpenort. Jetzt wird es von einer ukrainischen Organisation genutzt, die es in Haus der russischen Kriegsverbrechen umbenannt hat.

Die Umbenennung sei "ein Beispiel für das, was sich Russland selbst angetan hat, indem es zu einem Staat von Kriegsverbrechern geworden ist", sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selensky am Montag in seiner virtuellen Ansprache an die Teilnehmer des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos.

Früher wurde das Russland-Haus von der Stiftung Roscongress unterhalten und war ein wichtiges Element in der Selbstdarstellung des Landes gegenüber der globalen Investoren. Im Januar 2020, beim letzten regulären WEF vor der Pandemie, besuchten mehr als 2000 Gäste aus 85 Ländern das Haus, darunter der US-Milliardär Ray Dalio und Scheich Ali Alwaleed Al Thani, ein Mitglied der katarischen Herrscherfamilie.

In diesem Jahr konnten Ukrainer das Gebäude übernehmen, nachdem das WEF beschlossen hatte, als Reaktion auf den Krieg keine russischen Vertreter und Wirtschaftsführer nach Davos einzuladen.

Das Haus, das gut sichtbar an der Davoser Promenade liegt, zeigt nun eine Ausstellung, für die Tausende von grausamen Fotos ukrainischer Kriegsopfer zu einem Film zusammengeschnitten wurden, während im Hintergrund die Stimmen der russischen Täter zu hören sind.

"Früher war dies der Ort, an dem sich Russland der Welt präsentierte. Für uns ist es unglaublich wichtig, dass wir hier über die Realität Russlands sprechen", sagt Bjorn Geldhof, einer der Kuratoren der Ausstellung.

"Wir zeigen nicht nur die Grausamkeit, sondern auch den enormen Umfang - wie viele Verbrechen an Ukrainern begangen wurden. Alle Körper, die man hier sieht, sind Bürgerinnen und Bürger, die von russischen Soldaten erschossen wurden", so der künstlerische Leiter des PinchukArtCentre in Kiew zur DW.

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Bjorn Geldhof, Kurator der Davoser Ausstellung über russische KriegsverbrechenBild: DW

Unterstützung für die Ukraine

Die Isolierung Russlands steht im Gegensatz zum roten Teppich, der für die Ukraine ausgerollt wurde. Noch nie hat das Land eine so große Delegation nach Davos geschickt.

Zahlreiche Veranstaltungen und Meetings sind dem vom Krieg verwüsteten Land gewidmet, und die ukrainischen Vertreter hoffen auf weitere Unterstützung durch Regierungen und Unternehmen.

"Wenn wir die Geschichte dieser Tragödie so laut und breit wie möglich erzählen, wird das einige Leben retten. Wir hoffen, dass es Politiker auf der ganzen Welt dazu veranlasst, schneller Waffen [in die Ukraine] zu schicken und noch schärfere Sanktionen [gegen Russland] zu verhängen", sagte der ukrainische Milliardär Victor Pinchuk, dessen gleichnamige Stiftung hinter dem Haus der russischen Kriegsverbrechen steht, bei der Eröffnungsfeier der Ausstellung am Montag.

Die Entscheidung des WEF, Russland in diesem Jahr auszuschließen, wurde von vielen Teilnehmern des Gipfels in Davos begrüßt.

"Ich glaube nicht, dass man zu diesem Zeitpunkt einen sinnvollen Dialog mit Russland führen kann. Wir haben es versucht", sagte die ukrainische Parlementarierin Ivanna Klympush-Tsintsadze der DW. "Daraus müssen wir unsere Lehren ziehen. Russland muss besiegt und so weit geschwächt werden, dass es nicht mehr in der Lage ist, einen weiteren Krieg gegen irgendjemanden zu führen."

Das Ende der russischen Davos-Party

Es ist das erste Mal seit dem Fall des Kommunismus, dass es keine russische Präsenz beim jährlichen Treffen der Reichen und Mächtigen in Davos gibt. Auch an die wilden Partys, mit denen russische Oligarchen ausländische Investoren umgarnten, hatte man sich beim WEF gewöhnt.

Sie ließen olympische Eiskunstlauf-Stars für eine Show einfliegen oder Enrique Iglesias für ein privates Konzert - und taten auch sonst alles, um es krachen zu lassen und die versammelte Elite zu beeindrucken.

Doch auch jenseits von Partys und Investorentreffen hat Davos für Russen eine besondere Bedeutung.

Im Jahr 1996 schloss eine Gruppe russischer Oligarchen in den Schweizer Alpen den Pakt von Davos, um die sicher geglaubte Niederlage von Präsident Boris Jelzin zu verhindern, als sich dieser zur Wiederwahl stellte. Mehr als ein Jahrzehnt später reiste Dmitri Medwedew, damals Erster Stellvertretender Ministerpräsident Russlands, zum WEF - ein Auftritt, der als Vorstellung des Nachfolgers von Präsident Wladimir Putin interpretiert wurde.

Putin, der jahrzehntelang persönliche Beziehungen zu WEF-Gründer Klaus Schwab pflegte, hat zweimal auf dem Forum gesprochen, unter anderem im vergangenen Jahr per Videoschalte.

Russlands Rendezvous mit Davos hatte selbst die westlichen Sanktionen nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 überstanden. Doch nach dem Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 änderte sich die Lage dramatisch.

Innerhalb weniger Tage verurteilte Schwab die russische Aggression und die Gräueltaten. Das WEF legte sämtliche Beziehungen zu russischen Unternehmern und Einrichtungen auf Eis, darunter auch lukrative Partnerschaften.

"Wir hätten gerne Brücken gebaut, indem wir den Dialog erleichtern. Aber die Lage ist so, dass sich eine Nation oder vielmehr eine Person nicht auf einen solchen Dialog einlassen will", so WEF-Sprecher Yann Zopf zur DW. "Aber sollte sich die Lage ändern, wird das WEF bereit sein, zu vermitteln und zu versuchen, diese Brücken zu bauen."

Der Bericht wurde aus dem Englischen adaptiert.