Russischer Sommer: Jetzt wird es kalt!
13. Juli 2021"Das Modernisierungsniveau in Russland erreicht einen Spitzenwert. Der Zeitplan für das Abstellen von Warmwasser in Ihrem Zuhause ist ab sofort online abrufbar!" - scherzen die Moskauer und stellen schon mal vorsorglich ihre Töpfe auf den Herd, zum Aufwärmen von Wasser.
Welch Glück, dass man bei der Hitze, die in der russischen Hauptstadt gerade herrscht, lieber kalt duscht und das obligatorische Abstellen des warmen Wassers dadurch besser erträgt. Wenn es aber mit der Hitze einmal vorbei ist und die Moskauer wieder zu gemeinen Warmduschern werden, wird die Sehnsucht nach heißem Wasser steigen und mit ihr die allmorgendlichen und allabendlichen Waschsorgen ...
Alljährliches Duschproblem
Denn zwischen zehn Tagen und drei Wochen lang gibt es in Russland jedes Jahr kein warmes Wasser im Sommer. Egal, ob im allerletzten Winkel von Hanty-Mansiysk oder mitten in der Prunkmetropole Moskau. Das ist normal, das ist die russische Realität im 21. Jahrhundert, über die sich höchstens westliche Ausländer wundern. Die Russen ertragen sie mit Haltung. Die Russen wissen: Das muss so. Aber warum eigentlich?
Alles dreht sich um die Zentralheizung, ein Relikt aus der Sowjetzeit. Sie kommt in allen Städten der ehemaligen UdSSR zum Einsatz. Ein komplexes, mehrere Kilometer langes Rohrsystem, das Wasserkraftwerke versorgt, die über die ganze Stadt verteilt sind und ihrerseits Wohnhäuser mit Warmwasser versorgen. Für einen zuverlässigen Betrieb im Winter müsse das System im Sommer gewartet werden, erklären die Wasserversorger. Sämtliche Risse im Rohr könne man nur bei solchen Wartungsarbeiten feststellen. Die Wassertemperatur werde in so einem Rohr auf 40 Grad gesenkt, der Druck darin erhöht. Undichte Stellen würden repariert und später nochmals geprüft.
Die zuständigen Vereinten Moskauer Energie-Werke, kurz MOEK, haben sogar einen Zeichentrickfilm produziert, in dem sie den Stadtbewohnern erklären, warum im Sommer kein Wasser aus ihren Wasserhähnen läuft. MOEK behauptet, mindestens zehn Tage seien für die Rohrinspektion nötig. Es sei leider immer noch nicht möglich, die Zeit, in der das Warmwasser dafür abgestellt wird, zu verkürzen. Auch in der absehbarer Zukunft nicht.
Nicht unbedingt! - widersprechen unabhängige Experten den offiziellen Moskauer Energie-Versorgern. "Aus rein technischer Sicht kann Moskau das Abstellen von Warmwasser vermeiden. Beispielsweise sind neue Wohnquartiere schon jetzt an alternative Wärmeversorgungswege in den Häusern angeschlossen, so dass bei Reparaturen durchaus andere, alternative Wasserleitungen ersatzweise in Betrieb genommen werden können", erklärt Svetlana Razvorotneva, Expertin vom gemeinnützigen Verein "Kommunale Wirtschaft Kontrol" der DW.
Neue Wohnung - altes System
Einer, der in so einem neuen Wohnquartier die Vorzüge der alternativen Wärmeversorgungswege genießen könnte, ist der junge Moskauer Maxim Mihnenko. Er hat vor einigen Jahren eine Wohnung in einem neuen Business-Class-Segment gekauft. Sein Quartier wird rund um die Uhr bewacht, es gibt eine Tiefgarage, diverse Geschäfte, Restaurants und ein Fitnessstudio mit Schwimmbad auf dem Gelände. Nur … jedes Jahr wird auch hier, wie überall in der Stadt, das Warmwasser abgestellt. "Natürlich erhitze ich mein Duschwasser nicht mit einem Wasserkocher. Stattdessen habe ich jede Menge Geld bezahlen müssen, um einen Wasserspeicher mit Aufwärmfunktion zu installieren", klagt Maxim im Gespräch mit der DW. Leider würden in Russland die Preise einer Immobilie nicht der Qualität dieser Immobilie entsprechen.
Bedauerlicherweise seien die russischen Haushalte geradezu gezwungen, das Abstellen des warmen Wassers zu ertragen, denn diese technische Prozedur sei in den technischen Standards festgeschrieben, erklärt Svetlana Razvorotneva vom Verein "Kommunale Wirtschaft Kontrol". "Wir haben technische Sicherheitsstandards, die Unfälle verhindern sollen. Und nach ihnen müssen jährlich Vorsorgeuntersuchungen stattfinden. Es kommt also nicht auf das Baujahr des Hauses an, sondern alle müssen für die Sicherheit mit dieser Unannehmlichkeit zahlen", erklärt sie.
Was tun in der Warmwasserfreien Zeit?
Aber das Fernwärmesystem hat auch Vorteile. Es ist billiger, da Wärme in großen Mengen in der ganzen Stadt gleichzeitig geliefert wird. Kleinere, individuelle Heizungen sind in der Anschaffung und Wartung für den einzelnen Verbraucher teurer.
Im Vorfeld der Warmwasser-Sperrzeit erscheinen in den Stadtmedien Tipps, wie man diese Zeit am besten überbrücken kann. Von altmodischen Methoden, Wasser in einem Wasserkocher zu erhitzen, bis zu innovativen Verfahren, wie dem Erhitzen des Wassers durch eine Waschmaschine. Und im Allgemeinen sei das Abstellen des Wassers ein guter Grund, Freunde in einem anderen Wohnbezirk zu besuchen und bei ihnen zu duschen oder aber gemeinsam in eine Banja zu gehen, eine russische Sauna. Oder aber gleich die Wohnung zu verlassen und in den Urlaub zu fahren.