1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Russischer Außenminister trifft EU-Vertreter in Luxemburg

3. März 2005

Bei einem Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow haben Spitzenvertreter der EU die Lage der Menschenrechte in Russland kritisiert. Doch auch Lawrow hatte Anlass zu Klagen.

https://p.dw.com/p/6KEt
Kernpunkt der Kritik an Russland: die Lage in TschetschenienBild: AP

Am Dienstag (1.3.) hat eine europäisch-russische Expertengruppe ihre regelmäßigen Konferenzen über Menschenrechte begonnen, die beim letzten EU-Russland-Gipfel im November vereinbart worden waren. Wichtigster Kritikpunkt für die EU-Kommissarin für Außenbeziehungen, Benita Ferrero-Waldner, ist nach wie vor das Vorgehen Russlands in der Kaukasusrepublik Tschetschenien. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hatte erst vor einigen Tagen Folter und Willkür durch moskautreue Behörden in Tschetschenien kritisiert.

Dezente Kritik von Seiten der EU

In einer guten Partnerschaft, so Frau Ferrero-Waldner, könne man aber über alles offen reden. Russland sei ein sehr wichtiger Partner der Europäischen Union. In der abschließenden Pressekonferenz blieb sie aber sehr diplomatisch und allgemein in punkto Menschenrechte: "Ich glaube, es wird auch sehr wichtig sein, darüber zu sprechen, alle Arten von Rassismus zurückzuweisen und die Aktivitäten von Verteidigern der Menschenrechte zu schützen."

Lawrow fordert Schutz russischer Minderheiten

Der russische Außenminister Sergej Lawrow brachte im Gegenzug die seiner Ansicht nach bestehende Benachteiligung der großen russischen Minderheiten in den baltischen Staaten zur Sprache. Litauen, Lettland und Estland waren früher Teil des sowjetischen Imperiums und sind seit dem 1. Mai 2004 Mitglieder der Europäischen Union. Sergej Lawrow mahnte folgende Verbesserung für die russischen Landsleute im Baltikum an: "Einbürgerung beschleunigen, Erlaubnis für Nicht-Eingebürgerte, an den Kommunalwahlen teilzunehmen, und Ratifizierung der europäischen Konvention für Minderheiten. Diese drei Empfehlungen - mehr ist es nicht, was getan werden muss."

Die EU, vertreten durch den luxemburgischen Außenminister Jean Asselborn, den Außenbeauftragten des Rates, Javier Solana, und Kommissarin Ferrero-Waldner, sagte zu, die baltischen Staaten würden die russischen Minderheiten nicht benachteiligen, sondern gemäß den EU-Standards behandeln. Die EU bietet Russland finanzielle Hilfen zum Aufbau in Tschetschenien an, sollte Moskau künftig auf die Einhaltung der Menschenrechte im Nordkaukasus achten.

EU will russischen Truppenabzug

Die Europäische Union erwartet von Russland den mehrmals in Aussicht gestellten Abzug von ehemals sowjetischen Truppen aus den jetzt selbständigen Staaten Georgien und Moldova. Sie werden in Moskau - nach europäischer Lesart - immer noch als sogenanntes "natürliches" Einflussgebiet Russlands angesehen. Der russische Außenminister Lawrow sicherte wortreich seine Bereitschaft zur Kooperation zu, in der Sache bewegte sich jedoch wenig: "Wenn wir erreichen wollen, dass die Staaten, die zufällig Nachbarn der EU und der russischen Föderation sind, friedlich und stabil leben können, dann können wir mit der EU viele Dinge diskutieren, die hilfreich wären, dieses Ergebnis zu erzielen. Die EU hat ihre Wege mit diesen Staaten zu kooperieren. Wir haben unsere Wege. Der wichtigste Punkt ist, dass sich diese Methoden nicht gegenseitig aufheben und widersprechen, sondern sich ergänzen."

Iran kein Streitthema

Russland und die Europäische Union stimmen in der Politik gegenüber dem Iran im Prinzip überein. Das Land müsse an der Herstellung von Atomwaffen gehindert werden. Die EU hat im Prinzip nichts gegen die Lieferung von Kernbrennstäben aus Russland zur Stromerzeugung im Iran einzuwenden, wenn die Rückführung des Materials sichergestellt ist, sagte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn

Russland will das erste iranische Atomkraftwerk in Buschehr fertig stellen und mit Kernbrennstoff beliefern. Der entsprechende 500-Millionen-Euro-Vertrag war am Wochenende unterzeichnet worden. Russland unterstützt die Verhandlungen der drei EU-Staaten Frankreich, Großbritannien und Deutschland mit dem Iran über einen Verzicht auf die Anreicherung von Uran. Die USA vermuten allerdings, dass das Kraftwerk Buschehr in geheimen Plänen des Irans zum Bau von Atomwaffen eine wichtige Rolle spielt.

Partnerschaftsvertrag kurz vor der Unterzeichnung

Wegen der unterschiedlichen Auffassungen zu Menschenrechten, Außenpolitik und einigen anderen Fragen im Justizbereich ist es bis heute nicht gelungen, den seit langem angekündigten umfassenden Partnerschaftsvertrag mit Russland auszuhandeln. Die EU und Russland konnten sich zum Beispiel noch nicht auf den Begriff einer gemeinsamen Nachbarschaft einigen. Russland reklamiert für sich, dass Belarus, die Ukraine, Moldova, Georgien, Armenien und Aserbaidschan mehr als nur Nachbarn seien. Diese ehemalige Sowjetrepubliken bilden eine Art strategischen "Puffer" gegenüber dem Westen, der Europäischen Union und der NATO.

Bis zum 10. Mai, dem Termin des nächsten Gipfeltreffens zwischen der Union und Russland, soll dieses Abkommen über die sogenannten vier Räume, Außenpolitik, Justiz, Wirtschaft und Kultur, unterschriftsreif sein. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn gab sich nach dem Gespräch Sergej Lawrow optimistisch: "Heute herrschte der Geist vor, dass wir zu einem Ende kommen sollten und bis Mai die vier Räume konkretisieren sollten. Wir haben eine Menge Arbeit in den kommenden Wochen vor uns, aber wir werden es gemeinsam schaffen."

Russland ist vor allem an einer Lockerung der Visa-Bestimmungen für die Einreise in die EU interessiert. Hier gab es keinen Fortschritt, da die EU zunächst ein Rückführungsabkommen für illegal eingereiste russische Bürger verlangt. Das lehnte der russische Außenminister Lawrow ab, weil nicht sicherzustellen sei, dass nicht auch Bürger aus vormaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien dann kurzerhand nach Russland abgeschoben würden.

Bernd Riegert
DW-RADIO, 28.2.2005, Fokus Ost-Südost