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Russische Helsinki-Gruppe: Nirgendwo in Russland wird so eklatant gegen Menschenrechte verstoßen wie in Baschkortostan und Kalmykien

7. Juli 2003
https://p.dw.com/p/3pfo

Moskau, 4.7.2003, 0900 GMT, RADIO RUSSLAND, russ.

Vor einigen Tagen gaben Verfechter der Menschenrechte in Moskau eine Pressekonferenz, die die Menschenrechtslage in Baschkortostan zum Inhalt hatte. (...) Am Telefon haben wir heute die Vorsitzende der Moskauer Helsinki-Gruppe, Ljudmila Michajlowna Aleksejewa. (...)

(Moderator) Es ist Ihnen sicherlich bekannt, dass in Baschkortostan eine - ich weiß nicht, wie ich es richtig nennen soll - wiederholte Volksbefragung stattfand, um die genaue Zahl der in Baschkortostan lebenden Tataren festzustellen und Menschenrechtsverstöße aus ethnischen Gründen zu verhindern. Was geht sonst in der Republik vor? Warum konzentriert sich die Moskauer Helsinki-Gruppe, deren Aufgabe der Schutz der Menschenrechte ist, so sehr auf diesen Teil Russlands?

(Aleksejewa) Das ist nicht das erste Mal. Seit 1998 beobachtet die Moskauer Helsinki-Gruppe die Menschenrechtslage in allen 89 russischen Subjekten. Wir tun das parallel zu den lokalen Menschenrechtsorganisationen. Wir haben in jeder Region einen Partner, eine lokale Menschenrechtsorganisation, die Informationen über Verstöße gegen die Menschenrechte sammeln und Berichte darüber erstellen. Diese werden nach den Vorstellungen der Europäischen Menschenrechtskonvention verfasst und die Moskauer Helsinki-Gruppe stellt alle 89 Berichte zu einem Bericht über die Menschenrechtslage in Russland zusammen. Das tun wir jedes Jahr.

Baschkortostan und Kalmykien in Führung

Leider kann ich nicht behaupten, dass es, was die Menschenrechte betrifft, auch nur eine Region gibt, die frei ist von Problemen. Es gibt riesige Probleme mit den Menschenrechten und die Menschenrechte werden in allen Regionen auf die schrecklichste Weise verletzt. Es gibt aber Regionen, die diesbezüglich Meister sind. Es sind in erster Linie die Republiken Baschkortostan und Kalmykien. Unter den Regionen ist es die Region Krasnodar. Die Lage dort ist aber besonderer Art. Hauptsächlich ist es dort der nichtrussische Teil der Bevölkerung, der leidet, vor allem Menschen aus dem Kaukasus. (...)

Aber auch Baschkortostan ist für uns ein ständiges Thema. Auf der von Ihnen erwähnten Pressekonferenz habe ich gesagt, dass eklatante Menschenrechtsverletzungen Hand in Hand gehen mit einem Mangel an Transparenz beim Handeln der Behörden. In Baschkortostan ist dies sehr offensichtlich. Dort gibt es kein einziges Mediensprachrohr, das sich außerhalb der Kontrolle der Machtorgane befindet. Wenn jemand eine Zeitung herausgeben möchte, dann müsste dies außerhalb von Baschkortostan geschehen und man könnte sie nicht über die offizielle Ufa Petschat (Ufa Presse) vertreiben (Ufa - Hauptstadt von Baschkortostan - MD). (...)

(Moderator) Ljudmila Michajlowna, können Sie erklären, warum gerade Baschkortostan als ein so deutliches Beispiel für Menschenrechtsverletzungen angesehen wird? Ich habe bereits erwähnt, dass die Menschenrechte der tatarischen ethnischen Minderhit dort ebenfalls verletzt werden. In den föderalen Medien wird offen darüber berichtet. Was geht aber sonst dort vor sich? (...)

(Aleksejewa) Erstens gab es auf der Pressekonferenz eine Menge von Klagen über das Vorgehen der Rechtsschutzorgane. Darum ging es in den meisten Wortbeiträgen. Es wurden wirklich schreckliche Beispiele für Exzesse der Rechtsschutzorgane genannt. Und nicht nur Moskauer Menschenrechtler und Vertreter der Machtorgane hielten Reden (auf der Pressekonferenz - MD), sondern auch Menschen, die zur lokalen Bevölkerung gehören, hauptsächlich aus Baschkortostan, Vertreter unserer Partnerorganisation International Standard (sic.), Herr Sadykow und andere, darunter Opfer der Polizeiwillkür. Sie nannten wirklich schreckliche Beispiele und wir haben darüber ein Dokument verfasst und es während der Pressekonferenz an Journalisten verteilt.

Korrupte Polizei

Man hat den Eindruck, dass die Polizei in Baschkortostan - ähnlich übrigens wie in allen Teilen Russlands - ihren Hauptaufgaben nicht nachkommt, beispielsweise der Aufgabe, die Bürger gegen Übergriffe zu schützen, sondern ihre eigene Sache machen - Protektionismus betreiben, erpressen, Bestechungsgelder annehmen und Dinge tun, für die sie Geld erhalten (...). Nach der gestrigen Pressekonferenz zu urteilen ist dies für die Polizei Baschkortostans nicht mehr die Ausnahme von der Regel sondern die Norm.

(Moderator) Ljudmila Michajlowna, es stellt sich die Frage, wenn die Situation in Baschkortostan so kritisch ist, wenn die Zeitungen darüber schreiben, wenn es Fernsehberichte darüber gibt, wenn Sie und ich heute darüber sprechen und Sie Pressekonferenzen geben, was tut dann die föderale Regierung? Wenn ich es richtig verstehe, ist Baschkortostan eine Präsidialrepublik. Es gibt einen Präsidenten (Murtasa - MD) Rachimow. Es gibt eine Regierung. Was ist aber mit den föderalen Machtorganen? Was meinen Sie - weiß die föderale Regierung überhaupt etwas davon? Hat sie denn vor, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen?

(Aleksejewa) Sie muss es wissen, schon allein deshalb, weil wir seit Beginn des Jahres 1998 an die Präsidentenadministration, an die Regierung, die Staatsduma, den Föderationsrat, an alle (Wort unv.) und an das Innenministerium und andere Minister, an das Justizministerium, die Generalstaatsanwaltschaft und so weiter unsere Berichte senden, darunter auch über Baschkortostan. (...)

Nach der gestrigen Pressekonferenz rief mich die Vorsitzende der Menschenrechtskommission beim russischen Präsidenten, Ella Pamfilowa, auf eigene Initiative an. Ich gehöre dieser Kommission an. Sie sagte, Ljudmila Michajlowna, "ich habe von dieser Pressekonferenz und den schrecklichen Dokumenten gehört, die dort vorgelegt wurden. Schicken Sie sie alle an mich und wir wollen uns im Rahmen der Kommission beim Präsidenten damit befassen". Natürlich werde ich das sehr gern schon heute tun. (...) (TS)