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Rumänien würdigt seinen ehemaligen König

6. Januar 2004

– Durch seinen Staatsstreich vor 60 Jahren führte er sein Land an die Seite der Alliierten – Jetzt unterstützt er es auf dem Weg in die NATO und in die EU

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Bukarest, 30.12.2003, 510 GMT, RADIO RUMÄNIEN, rumän.

Moderator: Am 30. Dezember 1947 ist Rumänien eine Republik geworden. Cristian Nita sprach mit dem Analysten Iosif Boda über die Bedeutung dieses Ereignisses für die Gegenwartsgeschichte Rumäniens.

Cristian Nita: Am 30. Dezember 1947 wurde König Michael gezwungen, seine Abdankungsurkunde zu unterschreiben und Rumänien zu verlassen. Am gleichen Tag proklamierte die Abgeordnetenversammlung auf einer Sondersitzung die Rumänische Volksrepublik. Welche Bedeutung hat Ihrer Meinung nach die Abdankung des Königs und die Umwandlung Rumäniens von einer Monarchie in eine Republik?

Iosif Boda: Ich glaube, es würden noch nicht einmal zwei Bücher reichen, um die riesige Bedeutung dieses Ereignisses für Rumänien wenigstens einigermaßen zu beschreiben. Ich spreche von einer riesigen Bedeutung, weil Rumänien erstens auf eine politische Staatsform wie die Monarchie verzichten musste. Die Monarchie war, so lange es sie in Rumänien gab, für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes nur von Vorteil. Rumänien ist dann zu einer anderen Staatsform übergegangen, nämlich zur Republik. Leider war es aber ein importierte Version der Republik, die das Volk nur schwer akzeptieren konnte. Es kam zu Fehlentwicklungen. (...)

Cristian Nita: Obwohl der ehemalige rumänische König der Vertreter einer anderen Gesellschaftsordnung ist, arbeitet er sehr gut mit den Behörden bei der Integration Rumäniens in die Europäische Union und in die NATO zusammen. Wie beurteilen Sie dies?

Iosif Boda: Ich begrüße diese Entwicklung der Beziehungen zwischen den Regierenden, die nach 1990 in Rumänien an die Macht kamen, und König Michael. Ich glaube, wir sollten die Rolle des ehemaligen Königs nicht ignorieren. Seine Verbindungen zu anderen Königshäusern bestehen nach wie vor. Diese Häuser repräsentieren – symbolisch natürlich – die Herrschenden in vielen Ländern Europas. Ich glaube, die Entwicklung der Beziehungen, vor allem nach dem Jahre 2000, zwischen den jetzt Regierenden in Rumänien und dem König als Symbol dessen, was er mal war und was er noch sein kann, ist – zumindest seit 2000 – zu begrüßen.

Moderatorin: König Michael spielte auch nach seiner Abdankung weiterhin eine wichtige Rolle. In den letzten Jahren unterstützte er die Bemühungen Rumäniens um den Beitritt zur NATO und zur Europäischen Union. Bedeutsam bleibt aber die Rolle, die der ehemalige König im Zweiten Weltkrieg spielte. Deswegen fordern zwei britische Lords und ehemalige Minister der Konservativen Partei die Anerkennung der Verdienste des rumänischen Königshauses und die Auszeichnung König Michaels im nächsten Jahr (2004). Dann sind es sechzig Jahre seit der Entmachtung von Marschall (Ion) Antonescu (Verbündeter von Adolf Hitler – MD). Die beiden Lords erinnern daran, dass König Michael von Rumänien am 23. August 1944 einen Staatsstreich gegen die Militärführung Rumäniens und gegen die deutsche Besatzungsmacht anführte und dass er Rumänien auf die Seite der Alliierten brachte. Prinz Radu von Hohenzollern-Veringen über die Vorschläge der beiden britischen Lords.

Prinz Radu von Hohenzollern-Veringen: Wie die beiden ehemaligen konservativen Minister betonen, und ebenso Herr (Dennis) Deletant (in Großbritannien lebender rumänischer Publizist – MD), die Zeitung "Daily Telegraph" sowie rumänische Zeitungen, die die Meldung nachdrucken, spielte König Michael eine wesentliche Rolle. Zu jenem Zeitpunkt war die Lage sehr kompliziert. Die Tat des Königs und der demokratischen Kräfte in Rumänien hat wie eine Lawine auf den gesamten Kriegsverlauf im letzten Jahr, also von 1944 bis 1945, gewirkt. Eine Rolle spielt dabei, dass von dann an die rumänischen Ölfelder den Deutschen nicht mehr zur Verfügung standen. Daran erinnern die beiden Lords. Eine Rolle spielt, dass die Einflussmöglichkeiten der Wehrmacht im Osten Europas gemindert wurden, und das nicht nur in Rumänien, sondern auch in Bulgarien und dann auch in Serbien. Eine Rolle spielt, dass Menschenleben gerettet wurden, vor allem das Leben von Briten. Denn wie Sie sicher wissen, hält Großbritannien sehr viel davon, die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg wach zu halten, auch an den Ersten Weltkrieg. Großbritannien ist eines jener europäischen Länder, in denen man der Erinnerung an jene Ereignisse nach wie vor größte Bedeutung beimisst. (me)