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Rumänien wird nach den gleichen Kriterien beurteilt wie alle anderen EU-Kandidaten

3. März 2004

– Außenminister Mircea Geoana zieht in DW-Interview positive Bilanz seiner Gespräche in Berlin

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Bonn, 3.3.2004, 1140 GMT, DW-RADIO / Rumänisch, Robert Schwartz

Der rumänische Außenminister Mircea Geoana hat sich am Montag und Dienstag (1./2.3.) zu einem Arbeitsbesuch in Berlin aufgehalten. Aus diesem Anlass gewährte er unserem Sender ein Exklusivinterview. Die Fragen stellte Robert Schwartz.

Frage

: Die Beziehungen zwischen Berlin und Bukarest scheinen weiterhin sehr gut zu sein. Sie bezeichneten sie als "ausgezeichnet". Deutschland stehe dem Beitrittstermin Rumäniens zur Europäischen Union weiterhin positiv gegenüber, hat Ihr Amtskollege Joschka Fischer erklärt. Aber wenn wir Deutschland sagen, dann meinen wir die Koalition aus Sozialdemokraten und Grünen. Die oppositionellen Christdemokraten und Christsozialen sind viel zurückhaltender. Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber hat sich sogar gegen einen Beitritt Rumäniens und Bulgariens zur Europäischen Union ausgesprochen. Was sagen Sie zu solchen Signalen aus Deutschland?

Mircea Geoana

: Es ist klar, dass wir diese Signale auch in Bukarest wahrgenommen haben. Und deswegen habe ich in Berlin nicht nur mit den Vertretern der Mehrheit im Bundestag bzw. mit den Vertretern der Bundesregierung gesprochen, sondern ebenso mit den Vertretern der Opposition. Deswegen würde ich sagen, dass der zweite Teil meines Besuchs ausschließlich Gesprächen im Bundestag vorbehalten war. Ich hatte Gelegenheit zu Gesprächen mit Vertretern aller Fraktionen im Bundestag. Hervorheben möchte ich vor allem mein Gespräch mit Michael Glos, einem wichtigen Mann in der Führung der CSU. In Bezug auf die Haltung dieser Partei zum EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens konnte ich eine Dinge klarstellen. Die Dinge stellen sich heute sehr viel deutlicher und klarer dar. Es gibt keine Verbindung zwischen dem EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens und dem EU-Beitritt der Türkei. (...) Und vor allem: Rumänien wird nach den gleichen Kriterien wie die ersten zehn Länder beurteilt. Es gibt überhaupt keinen Wunsch, Rumänien als Sonderfall zu behandeln oder es - in Anführungsstrichen – zu bestrafen. Es stimmt, dass in Deutschland eine politische Auseinandersetzung stattfindet, die sehr viel verzwickter ist, wenn es um die Türkei geht, wenn es um das geht, was beim Aufbau Europas nicht erreicht wurde, wenn es um innenpolitische Themen geht, die sich nach außen auswirken. Aber ich würde sagen, dass ich jetzt, am Ende meines Besuchs in Berlin, ein sehr viel besseres Gefühl habe. Man schaut nicht besonders auf Rumänien. Wenn Rumänien seine Hausaufgaben macht, dann können die Termine eingehalten werden. Wenn Rumänien seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, dann wird die Europäische Kommission unsere Leistung bewerten und es werden dem entsprechende Entscheidungen getroffen.

Frage

: Nach der scharfen Kritik aus Brüssel hat nun auch Bundesaußenminister Joschka Fischer unterstrichen, dass Rumänien seine Anstrengungen spürbar verstärken muss, wenn es möchte, dass der Beitrittskalender für 2007 eingehalten wird. Sie haben auch in Berlin gesagt, dass Rumänien sehr viel schärfer gegen die Korruption vorgehen muss. Es gebe noch viel zu tun. Diese Absichtserklärungen, die natürlich lobenswert sind, werden in letzter Zeit oft wiederholt. Was wird aber konkret getan? (...) Wie geht es weiter mit dem Problem der Unabhängigkeit der Justiz? Das sind nur einige Fragen, auf die rasch und pragmatisch geantwortet werden muss.

Mircea Geoana:

Eine rasche und pragmatische Antwort hat Premier Adrian Nastase gegeben, als er der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament unsere Prioritätenliste für die Zeit von jetzt bis Juni vorlegte. Dort haben wir die Glaubwürdigkeit der Regierung (Wort unverständlich). Und wir haben durch Handeln und nicht durch politische Erklärungen geantwortet auf die berechtigten Kritiken der letzten Zeit. Ich denke da besonders daran, dass wir mit den Reformen in der Justiz, in der Verwaltung und im Kampf gegen die Korruption besser und schneller vorankommen müssen.

Frage

: Rumänien zwischen der EU und der NATO? Das ist eine andere Frage, die in letzter Zeit oft diskutiert wird. Nachdem die Zugehörigkeit zur NATO sichergestellt war, haben Sie Ihre europäische Offensive gestartet. War die europäische Integration Rumäniens nicht wegen der privilegierten Beziehungen zu den USA gefährdet?

Mircea Geoana:

(...) Warum wird diese Frage immer nur den neuen Mitgliedern der EU und der NATO gestellt? Ich meine, dass gute Beziehungen zu den USA notwendig sind – für Europa im Allgemeinen und für jedes einzelne Land der Europäischen Union. Ich denke, es wäre eine große Überraschung gewesen, wenn Rumänien nicht versucht hätte, in der NATO zu einem ambitionierten Spieler zu werden. In einigen Wochen treten wir der NATO übrigens bei. Ebenso möchte Rumänien aber auch ein ambitionierter Spieler in der Europäischen Union werden. Also, diese Art von Fragen gehen von einer negativen Voraussetzung aus, nämlich: wer gute Beziehungen zu den USA unterhält, der ist notwendigerweise ein schlechter oder ein nicht so guter Europäer. Ich glaube, dass das eine Fehldeutung ist, die man bekämpfen sollte. Wer ein guter und ein ambitionierter Europäer ist, der muss nicht unbedingt ein Anti-Amerikaner sein. Wer so etwas behauptet, der hat meiner Ansicht nach Probleme zu begreifen, wie die Welt heute funktioniert.

Frage:

Und was bedeuten gute Beziehungen zu den USA und zur EU im Verhältnis zu Moskau?

Mircea Geoana:

Nun, das heißt, dass Rumänien schon Teil der westlichen Strukturen geworden ist. Und dann sind unsere Beziehungen zu Moskau keine ausschließlich bilaterale Sache mehr, wie es bis vor kurzem noch war – mit allen damit zusammenhängenden Vor- und Nachteilen. Rumänien trägt schon Verantwortung als NATO-Mitglied und als künftiges Mitglied der Europäischen Union. Wenn alles gut läuft, wird Rumänien vom nächsten Jahr an, also nach der Unterzeichnung des EU-Beitrittsvertrags, Mitglied der Kommissionen und des strukturierten europäischen Dialogs einschließlich im Bereich der Außenpolitik. Wir hoffen, dass wir bis zu jenem Zeitpunkt, zu dem Rumänien nicht nur am NATO-, sondern auch am EU-Tisch sitzt und auch am Dialog mit Russland teilnimmt, dass wir dann also einen europäischen Außenminister und einen Präsidenten des Europäischen Rates haben werden. Damit käme die Europäische Verfassung aus der Sackgasse. Und dann werden Sie sehen, dass Rumänien auch im Verhältnis zu Drittstaaten wie zu Russland, aber auch zur Ukraine, zur Republik Moldova, zum Kaukasus, zum Balkan ein aktiver Spieler sein wird. (...) Wir sind der Ansicht, dass Russland für den Erfolg des europäischen Projekts unverzichtbar ist. Wir denken, dass ein sehr inniges Verhältnis zwischen Russland und dem Westen die letzte Phase der echten Vereinigung des europäischen Kontinents ist. Und wir sind fest davon überzeugt, dass Russland an die Seite des Westens gehört und nicht in ein Nullsummenspiel, wie man manchmal sowohl in Russland als auch jenseits des Atlantiks zu denken versucht ist. (me)