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Rumänien verärgert über Ungarn

19. August 2002

– Immer mehr Vertretungen der rumänischen Minderheit "werden von ungarischen Zigeunern gehalten" – Sie beanspruchen Gelder aus dem Staatshaushalt, die für Rumänen bestimmt sind

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Bukarest, 16.8.2002, 520 GMT, RADIO RUMÄNIEN INTERNATIONAL, rumän.

Moderator:

Die rumänische und die ungarische Regierung müssten eine gemeinsame Strategie zur besseren Vertretung der rumänischen Minderheit in Ungarn in den örtlichen Selbstverwaltungen und im ungarischen Parlament erarbeiten. Dies erklärte in Bukarest Doru Vasile Ionescu vom Regierungsdepartement für die Auslandsrumänen. Auf einer Pressekonferenz, die im Victoria-Palast stattfand, kritisierte Doru Ionescu die Haltung der ungarischen Behörden gegenüber den Rumänen in Ungarn scharf. Die rumänischen Behörden sind unzufrieden, dass Gelder, die die ungarische Regierung für die Einrichtung rumänischsprachiger Schulen sowie für kulturelle und religiöse Veranstaltungen zur Verfügung stellt, die rumänische Minderheit nicht erreichen. Während der letzten Volkszählung zufolge die Zahl der Angehörigen der rumänischen Minderheit in Ungarn von 10.000 auf 8.000 zurückgegangen ist, nimmt die Zahl der rumänischen Selbstverwaltungen zu. ("Selbstverwaltung" ist in Ungarn die Bezeichnung für die Vertretungen der nationalen Minderheiten – MD.) Ein Bericht von Veronica Ionita.

Bericht:

"Die Presseerklärung, die ich im Namen des Departements für die Auslandsrumänen abgebe, das im Ministerium für Öffentlichkeitsarbeit angesiedelt ist, ist im Grunde genommen ein Alarmsignal." Mit diesen Worten leitete Doru Vasile Ionescu, Staatssekretär in besagtem Departement, seine heutigen Ausführungen ein. Er sagte, seine Ausführungen seien ein Alarmsignal, das die rumänische Regierung kurz vor den für den 20. Oktober geplanten Wahlen abgebe. Es handelt sich um die Wahlen zu den sogenannten Selbstverwaltungen der nationalen Minderheiten, darunter auch der rumänischen.

Dem ungarischen Gesetz entsprechend wurden bis zum 20. Juli die Kandidaten für die Wahlen zu diesen Selbstverwaltungen bekannt gegeben. Welche Schlussfolgerungen bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt gezogen werden können, sagt uns Doru Vasile Ionescu.

Doru Vasile Ionescu:

Aus den Daten, die in Budapest veröffentlicht wurden, geht hervor, dass in Ungarn 48 Selbstverwaltungen der rumänischen Minderheit geschaffen werden. Dem gegenüber waren es 1998 33 Selbstverwaltungen. Das entspricht einer Steigerung um 30 Prozent. Allein in Budapest sollen 17 Selbstverwaltungen der Rumänen geschaffen werden. Nach den Wahlen von 1998 waren es nur 13 Selbstverwaltungen. Von diesen waren aber nur drei echte rumänische Selbstverwaltungen. Die anderen zehn wurden von ungarischen Zigeunern gehalten. Jetzt soll es außer diesen drei rumänischen Selbstverwaltungen weitere 14 geben. Es werden wohl wieder Selbstverwaltungen der ungarischen Zigeuner sein.

Dieses Problem ist sehr ernst. Denn diese nicht-rumänischen Interessenvertretungen werden Gelder abziehen, die die ungarische Regierung für die rumänische Minderheit zur Verfügung stellt. Obendrein werden durch dieses System immer mehr Menschen öffentlich für die Rumänen sprechen, obwohl sie die rumänische Sprache nicht beherrschen, obwohl sie die typisch rumänischen Probleme nicht kennen. Damit wird die Zahl der Assimilierten noch größer. Von dem Negativimage, das der rumänischen Minderheit dadurch verpasst wird, ganz zu schweigen.

Die alarmierende Zunahme der sogenannten rumänischen Selbstverwaltungen steht in umgekehrtem Verhältnis zur Zahl derjenigen, die sich als Rumänen bezeichnen. Dies geht aus der Volkszählung hervor, die in Ungarn stattfand und deren Ergebnisse am 1. August (2002) veröffentlicht wurden. Der Volkszählung zufolge erklärten sich 1990 10.740 Personen als Angehörige der rumänischen Minderheit. 2001 ging diese Zahl auf 7.995 zurück. 1990 erklärten 8.730 Personen, dass sie rumänischsprachig sind. 2001 ging diese Zahl auf 8.482 zurück. 5.598 Personen erklärten, sie seien Rumänen orthodoxen Glaubens.

Ist es nicht paradox, dass es laut der Volkszählung einen Rückgang bei denjenigen gibt, die sich als Angehörige der rumänischen Minderheit oder als Rumänischsprachig bezeichnen, dass es bei der Zahl der künftigen rumänischen Selbstverwaltungen aber massiv aufwärts geht?

Nach Schätzungen der Vereinigungen der Rumänen in Ungarn gibt es dort etwa 25.000 Rumänen. Die Differenz zwischen dieser Zahl und den Ergebnissen der Volkszählung kann durch den Assimilationsprozess erklärt werden. Wie stark dieser Prozess gerade unter den Angehörigen der rumänischen Minderheit war, beweist ebenfalls die Statistik. Im Jahre 2001 haben alle übrigen 12 nationalen Minderheiten eine Zunahme ihrer Zahl festgestellt. Nur bei den Rumänen gab es einen Rückgang. (...)

Warum ist das so? Weil es in Ungarn kein Verfahren zur korrekten Feststellung der Volkszugehörigkeit gibt, so dass die Vertretung in den sogenannten Selbstverwaltungen die Wirklichkeit widerspiegelt. Bei den ungarischen Regierungen fehlt der politische Wille, das Wahlgesetz, das schon zehn Jahre alt ist, zu ändern. Grund ist unter anderem, das eine Änderung dieses Gesetzes voraussetzen würde, dass die 13 nationalen Minderheiten dann im ungarischen Parlament vertreten sind. Zur Zeit sind die nationalen Minderheiten im ungarischen Parlament nicht vertreten. Weder die ehemalige Regierung Viktor Orban noch die gegenwärtige hielten es für nötig, ein neues Wahlgesetz vorzubereiten.

Dem gegenüber verstehen es die ungarischen Regierungen sehr gut, Gesetze über die ungarischen Minderheiten außerhalb der Grenzen Ungarns zu verabschieden, Gesetze, die auch außerhalb des ungarischen Hoheitsgebietes Geltung haben. So sorgt zum Beispiel das Statusgesetz dafür, dass jedem Auslandsungarn mit einer Bescheinigung seine ungarische Volkszugehörigkeit bestätigt wird. Mit der korrekten Feststellung der Volkszugehörigkeit der Minderheiten in Ungarn nehmen es die ungarischen Regierungen nicht so genau. Gleiches gilt für ihre Vertretung in lokalen Strukturen und im Parlament des Landes.

Bericht:

Nach den ungarischen Gesetzen genügen fünf Wähler gleicher Volkszugehörigkeit, um eine Selbstverwaltung zu gründen. Die Selbstverwaltung kann aus dem ungarischen Staatshaushalt erhebliche Summen anfordern, die für Aktivitäten bestimmt sind, die zur Festigung der Identität der jeweiligen Volksgruppe beitragen. Dazu gehören zum Beispiel Bibliotheken, Kultur- oder kirchliche Veranstaltungen. Die Selbstverwaltung ist lediglich eine lokale Organisationsform. Sie hat keinerlei Einfluss auf die Vertretung der jeweiligen Minderheit in staatlichen Einrichtungen Ungarns wie etwa in der Regierung oder im Parlament. (...) (me)