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Rumänien macht Weg frei für EU-Beitritt

20. Oktober 2003

- Verfassungsreferendum erfolgreich

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Bonn, 20.10.2003, DW-radio, RADIO RUMÄNIEN

DW-radio / Rumänisch, 20.10.2003

Rumänien wird eine neue Verfassung bekommen. Dafür haben sich am Wochenende (18./19.10.) mehr als 90 Prozent der Wähler ausgesprochen. Nach einer spärlichen Wahlbeteiligung am Samstag (18.10.) schien zunächst die erforderliche Mindest-Quote von 50 Prozent gefährdet. Letztlich gingen dann aber doch fast 60 Prozent der Rumänen zu den Urnen. Die neue Verfassung soll den Weg Rumäniens für die Aufnahme in die EU frei machen. Sie schreibt unter anderem das Recht auf Privatbesitz fest, ermöglicht Ausländern den Erwerb von Immobilien und schafft die Wehrpflicht ab. Die zurzeit gültige Verfassung wurde 1991 angenommen, zwei Jahre nach dem Sturz des kommunistischen Diktators Nicolae Ceausescu. Über die Bedeutung des Referendums vom Wochenende berichtet Horatiu Pepine aus Bukarest.

Rumänien muss sowohl Wirtschaft als auch Gesetzgebung den europäischen Anforderungen anpassen. Dazu hat die regierende Sozialdemokratische Partei und die bürgerlich-demokratische Opposition die traditionellen politischen Rivalitäten für kurze Zeit ruhen lassen und nach einjähriger Debatte im Parlament einen Verfassungsentwurf vorgelegt. Darin ist eine Stärkung der Menschenrechte und eine pro-europäische Ausrichtung der Gesetzgebung vorgesehen. Pro-europäisch heißt aber auch, nationale Souveränität teilweise an die EU abzugeben, wie Ministerpräsident Adrian Nastase betont:

"Als Folge der Politik vor '89 hatte Rumänien eine gewisse Zurückhaltung beim Thema 'nationale Souveränität'. Der Wille zur Integration in eine starke internationale Organisation setzt jedoch eine veränderte Sichtweise voraus - die Akzeptanz der geteilten Souveränität. Wir können nicht in die EU des 21. Jahrhunderts integriert werden mit einer Auffassung von Souveränität, die noch aus dem 19. oder frühen 20. Jahrhundert stammt."

Aus diesem Grund hat die sozial-demokratische Regierung das Referendum über den Verfassungsentwurf mit einer Volksabstimmung zum EU-Beitritt des Landes verknüpft. Ein weiteres Referendum für den Beitritt ist nicht mehr nötig, weil gemäß der neuen Verfassung eine Zwei-Drittel-Mehrheit des Parlaments ausreicht.

Am Sonntagabend (19.10.), als sich die Zustimmung zur neuen Verfassung abzeichnete, sagte Nastase:

"Ich hoffe, dass das Endergebnis die vorläufigen Resultate bestätigen wird. Erlauben Sie mir, den 220.000 Kollegen, Beamten und Vertretern der lokalen Verwaltung zu danken, und in erster Linie den fast neun Millionen Rumänen, die bei schlechtem Wetter, bei Schnee und Regen ihre Häuser verlassen haben, um ein Zukunfts-Projekt zu wählen."

Das "Zukunfts-Projekt" schien jedoch zunächst gefährdet: Am Samstag (18.10.) waren nur 14 Prozent der Bürger zu den Urnen gegangen. Deshalb beschloss die Sozialdemokratische Partei (PSD) von Ministerpräsident Nastase am Sonntagmorgen (19.10.) in einer Krisensitzung Sonder-Maßnahmen: In vielen Ortschaften wurden PSD-Funktionäre beauftragt, die Menschen durch Hausbesuche zur Stimmabgabe zu bewegen. Und das bot der Opposition Anlass zu Kritik: Es wurde über fragwürdige Methoden berichtet, die Wähler dazu zu bewegen, ihre Stimme abzugeben. So sollen vielerorts Wahlhelfer mit mobilen Urnen unterwegs gewesen sein und die Menschen mitunter auf offener Straße aufgefordert haben, den Wahlstempel auf einen Stimmzettel zu setzen.

Der liberale Oppositions-Führer Theodor Stolojan, ein Verfechter der neuen Verfassung, hatte auch Schwierigkeiten, seine Sichtweise an die Wähler zu bringen. Nicht außenpolitische Interessen sondern der innere Drang zur Erneuerung seien ausschlaggebend für die Akzeptanz der Verfassung, so Stolojan:

"Die vorgeschlagenen Verfassungsänderungen sind sehr wichtig für Rumänien und die Rumänen. Wir ändern die Verfassung nicht deshalb, um Europa oder anderen zu gefallen. Wir ändern sie, weil wir eine neue Verfassung brauchen, um die Demokratie zu festigen, um die Menschenrechte in Rumänien zu stärken."

Allen Beschwörungen zum Trotz: Der allgemeine Unmut über die Politik - vor allem über die schlechte wirtschaftliche Lage - war groß. Und es war ein hartes Stück Arbeit, die Menschen zum Urnen-Gang zu bewegen. Zwar lässt sich nun sagen: In Rumänien hat sich eine Mehrheit gebildet, die einerseits die Modernisierung der institutionellen Strukturen vorantreiben will, andererseits die Anpassung an europäische Strukturen befürwortet. Für das große Zukunfts-Projekt Europa muss allerdings noch ein gutes Stück Überzeugungsarbeit geleistet werden. (me)

RADIO RUMÄNIEN, rumän., 20.10.2003, 4.00 GMT

Das Zentrale Wahlbüro schätzt, dass das Referendum über die Änderung der Verfassung (Rumäniens – MD) gültig ist, nachdem etwa 54,46 Prozent der Wahlberechtigten daran teilgenommen haben. Präsident Ion Iliescu begrüßt die Teilnahme der Rumänen an der Abstimmung und ist der Ansicht, dass die Verfassungsänderungen Verbesserungen darstellen, die sowohl den rumänischen Staatsangehörigen als auch der europäischen und der euro-atlantischen Integration Rumäniens nutzen. Die Oppositionsparteien begrüßen das Ergebnis des Referendums, beklagen aber Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung. Die Großrumänien-Partei, die sich an der Beratung der Verfassungsänderungen nicht beteiligt hatte, beschuldigt die Behörden massiver Wahlfälschungen. (...)

Das Referendum über Verfassungsänderungen kann als gültig angesehen werden, da die Wahlbeteiligung über der 50-Prozent-Marke lag. (...) Die amtlichen Ergebnisse stehen erst morgen oder übermorgen fest.

(...) Bis zur Schließung der Wahllokale gestern Abend 20.00 Uhr (Ortszeit – MD) hatten 54,46 Prozent der Wahlberechtigten an der Abstimmung teilgenommen. (...) Eine höhere Teilnahme wurde im Kreis Vrancea mit 73,76 Prozent erzielt, im Kreis Ilfov mit 69,41 Prozent, im Kreis Teleorman mit 67,54 Prozent und im Kreis Gorj mit 67,22 Prozent. Die niedrigste Wahlbeteiligung gab es in der Hauptstadt. In Bukarest gingen an den beiden Tagen des Referendums 38,13 Prozent der Wahlberechtigten zur Abstimmung. Es folgen die Kreise Timis (Temesch – MD) mit einer Wahlbeteiligung von 45,27 Prozent, Covasna mit 45,96 Prozent und Brasov (Kronstadt – MD) mit 46,66 Prozent.

Hinzugefügt werden muss, dass in diesen Zahlen diejenigen Stimmberechtigten nicht enthalten sind, die in Sonder-Wahllokalen abstimmten, also zum Beispiel in Botschaften, in Zolldienststellen, auf Bahnhöfen, bei Militäreinheiten. (...) (me)