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Barbara Groß darf doch in Tokio starten

14. Dezember 2020

Die deutsche Rollstuhlbasketball-Nationalspielerin Barbara Groß bleibt auch international spielberechtigt. Der Einspruch gegen die Aussortierung aufgrund des Grades ihrer Behinderung war erfolgreich.

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Nations Cup Cologne | Spanien vs. Deutschland | Barbara Gross
Bild: picture-alliance/dpa/G. Mueller-Laschet

"Ich bin so erleichtert über diese Nachricht und auch ein wenig überrascht über den Zeitpunkt, da ich erst im März mit einer Entscheidung gerechnet hatte", freut sich Barbara Groß. "So fühlt es sich für mich an wie ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk." Die deutsche Rollstuhlbasketballerin darf nun doch im kommenden Jahr bei den Paralympics in Tokio starten. Das teilte der Rollstuhlbasketball-Weltverband IWBF dem Deutschen Behindertensportverband (DBS) mit. Groß war die einzige deutsche Athletin, die Ende Juli die bittere Nachricht erhalten hatte, dass sie international nicht mehr startberechtigt sei. 

Die 26-Jährige war eine von weltweit neun Rollstuhlbasketballerinnen und -basketballern, die als sogenannte "Minimalbehinderte" durch das Sieb des "Classification Code" des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC) gefallen waren. Hintergrund war ein schwelender Streit zwischen dem IPC und dem IWBF. Das Paralympische Komitee hatte den Rollstuhlbasketballern vorgeworfen, als einziger Weltverband den 2015 verabschiedeten Klassifizierungscode nicht umgesetzt zu haben und sogar mit dem Ausschluss der Sportart von den Paralympics gedroht.

Der DBS hatte im Fall Barbara Groß medizinische Gutachten nachgereicht und den Antrag gestellt, die Entscheidung zu überprüfen. Die zuständige Kommission des IWBF nahm den Beschluss vom Juli nach Sichtung der Unterlagen zurück, sodass die langjährige deutsche Nationalspielerin nun auch international weiterhin spielberechtigt sein wird. Von den anderen international betroffenen Spielerinnen und Spielern gibt es noch keine Neuigkeiten.

Rio de Janeiro Paralympics  Rollstuhlbasketball Deutschland vs. Brasilien
Barbara Groß (2.v.r.) darf - wie hier bei den Paralympics 2016 in Rio - auch weiterhin im deutschen Team spielenBild: picture-alliance/Pressefoto Baumann

Auch Teamkolleginnen sind erleichtert

"Ich bin sehr froh", sagte Groß in einer ersten Reaktion gegenüber der DW. Sie hatte auch nach der schlechten Nachricht im Sommer weiter trainiert, um fit zu bleiben - für den Fall, dass ihr Einspruch Erfolg hat. "Dennoch gab es Tage, an denen ich auch gezweifelt habe", räumte sie ein.

Barbara Groß hat ihr Marketing-Studium in den USA erfolgreich beendet und ist nach Deutschland zurückgekehrt. In der Rollstuhlbasketball-Bundesliga spielt sie jetzt für die River Rhine Rhinos aus Wiesbaden. 2002 wurde Groß als Achtjährige bei einem Autounfall schwer verletzt. Sie wurde mehrfach operiert, die Knochen- und Knorpelschäden an Knie und Fußgelenk waren jedoch irreparabel. Auch wenn sie im Alltag keinen Rollstuhl benutzen muss, hat Barbara Groß weiterhin Schmerzen, ihre Gelenke sind nur eingeschränkt bewegungsfähig. "Seit dem Unfall konnte ich nie wieder 'Fußgänger-Sport' machen", sagte Groß im Oktober in einem DW-Exklusivinterview.

Seit 2015 gehört sie zum Kader des Nationalteams und holte mit der Mannschaft fünf Medaillen bei internationalen Großereignissen, unter anderem Gold bei der EM 2015. Bei den Paralympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro gewann sie mit der deutschen Mannschaft Silber - und erhielt hinterher aus der Hand des damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck das "Silberne Lorbeerblatt", die höchste sportliche Auszeichnung Deutschlands.

"Wir sind extrem erleichtert, dass Babsi auch weiterhin an unserem großartigen Sport auf internationaler Ebene teilnehmen darf", sagte Mareike Miller, Kapitänin des deutschen Nationalteams, der DW. "Die ganze Mannschaft freut sich, dass wir nun in das neue paralympische Jahr vollzählig und ohne diese Schwierigkeiten starten dürfen."

Inzwischen sind die Fronten im Streit zwischen dem IPC und dem Rollstuhlweltverband IWBF auch nicht mehr ganz so verhärtet. Die IWBF beauftragte die englische Universität Loughborough damit, neue Kriterien für eine Minimalbehinderung zu entwickeln, die mit dem Klassifizierungscode des IPC in Einklang stehen. Innerhalb von sechs Monaten soll ein Ergebnis vorliegen. Die Universität hat ein Institut, das sich auf Behindertensport spezialisiert hat.

Gelebte Inklusion

Rollstuhlbasketball gilt seit Jahrzehnten als Vorzeigesportart in Sachen Inklusion. Ein Punktesystem sorgt dafür, dass durch den Einsatz Minimalbehinderter (z.B. mit Bewegungseinschränkungen an Hüfte, Knien oder Knöcheln) keine Wettbewerbsverzerrung entsteht. Auf nationaler Ebene dürfen sogar Nicht-Behinderte im Rollstuhl mitspielen, das gilt jedoch nicht für internationale Wettbewerbe. In Deutschland gibt es rund 2500 aktive Rollstuhlbasketballer, rund 80 Prozent davon sind Querschnittgelähmte. 

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter