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Rodelbahn in Sotschi ist einzigartig

Mikhail Bushuev27. Januar 2014

An den Planungen der Bob- und Rodelbahn für die Olympischen Winterspiele in Russland waren deutsche Fachleute maßgeblich beteiligt. Mike Richter vom Ingenieurbüro Gurgel + Partner, berichtet im DW-Gespräch.

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Mike Richter (Foto: Gurgel + Partner)
Bild: Gurgel + Partner

Deutsche Welle: Was zeichnet die Bob- und Rodelbahn in Sotschi aus?

Mike Richter: Hier muss natürlich an erster Stelle die gute Zusammenarbeit mit den russischen Planern und Baufirmen genannt werden, die es ermöglicht hat, diese Bahn in so kurzer Zeit und dennoch in ausgezeichneter Qualität zu errichten. Planerisch waren für uns zweifelsohne die drei Bergauf-Strecken innerhalb der Wettkampfstrecke eine neue Herausforderung. Sie stellen für diese Bahn nunmehr ein Alleinstellungsmerkmal dar. Mit diesem neuen Element ist eine Bahn entstanden, die den Sportlern einen neuen Rhythmus abverlangt und damit eine neue technische Schwierigkeit bietet. Gleichzeitig konnten wir damit ein hohes Maß an Sicherheit erreichen. Die planerische Herausforderung dabei bestand vor allem darin, dass die Bergauf-Strecken auch von allen Zwischenstarts befahrbar sein mussten. Infolge der durch die Geländesituation bedingten Standorte für das Startplateau sowie den Zielbereich ergab sich eine Wettkampflänge, die mit 1500 Metern nur in Abstimmung mit den internationalen Bob-, Skeleton- und Schlittenverbänden realisiert werden konnte. Die beeindruckende Architektur am Bob- und Schlittenstart ist bei den Athleten bereits auf Zustimmung gestoßen. Weiterhin wurde für die Sicherheit der Athleten enorm viel getan, so dass man sagen kann, dass diese Bahn eine der sichersten weltweit ist.

Welche Schwierigkeiten hatten Sie bei der Umsetzung des Projekts in Sotschi?

Ingenieure vom Leipziger Büro Gurgel + Partner auf der von ihnen entworfenen Bob- und Rodelbahn in Sotschi (Foto: ISCIBGgroup)
Ingenieure vom Büro Gurgel + Partner auf der von ihnen entworfenen Bob- und Rodelbahn in SotschiBild: ISCIBGgroup

Wie bei jeder zu planenden Bahn müssen selbstverständlich die örtlichen Gegebenheiten berücksichtigt werden. Gemeint ist hier das natürliche Gefälle des Geländes, die Besonderheiten des Grundstückes, der Vegetation sowie vorhandene Bäche, und bei dieser Bahn die lokalen Einschränkungen durch angrenzende Grundstücke. Die Summe dessen hat uns einige Kompromisse auferlegt, die in die Planung einflossen. Beispielhaft sei hier der Kreuzungspunkt der Bahn mit der Bremsstrecke genannt, der erschließungstechnisch negativ zu sehen ist und somit zu höherem Aufwand bei der Errichtung der Bahn geführt hat. Der anstehende und teilweise schwierige Baugrund erforderte einen hohen Aufwand für Stützbauwerke entlang des Trassenverlaufes.

Welche Besonderheiten hatte Ihre Arbeit in Sotschi?

Eine neue Bahn entsteht immer in enger Kooperation mit den Technischen Kommissionen beider internationaler Verbände. Die FIBT und die FIL sind bereits in die frühesten Planungsprozesse eingebunden. Sie begleiten die Entstehung einer neuen Bahn bis zur abschließenden Homologierung, der offiziellen Zulassung als Wettkampfstrecke. Es gibt natürlich viele Schwierigkeiten, die den Planungsprozess einer kombinierten und künstlich unterkühlten Bob- und Rodelbahn zu einem besonderen Prozess machen. Beispielhaft seien hier die extrem geringen durch die Baufirma zu gewährleistenden Toleranzen genannt und als zweites - wo ich den russischen Ingenieuren wirklich meinen Respekt aussprechen möchte - die extrem kurze Bauzeit des eigentlichen Bahnkörpers einschließlich der erforderlichen Sicherheitseinrichtungen. Unüblich war für uns in dieser Größenordnung die durchgängige Betreuung der Baustelle vom Fundament bis zur Kontrolle der von uns geforderten Toleranzen des fertigen Bahnkörpers.

Was könnte ein breites Publikum über diese Bob- und Rodelbahn noch interessieren?

Interessant für den Zuschauer sind sicher die drei Bergauf-Strecken. Weiterhin interessant für den Zuschauer sind die Fahrlinien in der Kurve 10, da diese Kurve zwei Gefällewechsel aufweist. Die Kurve 15 mit dem Hochpunkt in der Kurvenmitte und einem Gefällewechsel von 16,5 Prozent bergauf am Kurveneingang zu 13,5 Prozent bergab am Kurvenausgang sehen in Natura sicher imposanter aus, als auf dem Fernsehbildschirm. Hier ist besonders interessant, dass die Piloten am Eingang dieser Kurve den Ausgang nicht sehen können.

Was unterscheidet Ihre Arbeit an der Bahn in Sotschi von anderen Projekten, auch in Russland, denn Sie sind ja auch in Tschusowoj im Ural am Bau einer Bob- und Rodelbahn beteiligt?

Die Planung einer Olympiabahn ist immer etwas ganz besonderes, was wohl sicher jeden Ingenieur mit Stolz erfüllt. Als besonderen Höhepunkt erleben wir als Planer immer wieder die Homologierung der Bahn. Dies vor allem auch deshalb, weil es eine direkte Schnittstelle zwischen den Athleten und Planern gibt. Wir hoffen sehr, dass diese Bahn eine regelmäßige Austragungsstätte internationaler Wettkämpfe wird, auch nach den Olympischen Spielen. Die Grundlagen dafür sind geschaffen und die Begeisterung der Athleten für diese Bahn sollte ein wichtiger Meilenstein für diesen Prozess sein.

Das Ingenieurbüro Gurgel wurde 1993 von Udo Gurgel gegründet. Es ist spezialisiert auf den Entwurf, die Planung und die Berechnung von Bob- und Rodelbahnen. Stammsitz ist Leipzig. Das Büro setzt auf Erfahrungen aus einer langjährigen Tätigkeit im "Wissenschaftlich Technischen Zentrum Sportbauten" in Leipzig. Dort begann man 1968 mit den Planungen zum Bau der ersten Bob- und Rodelbahn der DDR in Oberhof, nach der Rodelbahn am Königssee die zweite Kunsteisbahn der Welt. Die Rennschlittenbahn in Oberhof ist die erste vollständig am Computer berechnete Bahn der Welt.