Rhonegletscher: Klimawandel im Zeitraffer
7. August 2024Ob aus China, Pakistan oder der Andenregion: In den vergangenen Wochen gab es zahlreiche Meldungen über schmelzende Gletscher und die teils dramatischen Folgen. Auch in Europa zeigt sich an manchen Bergen, die einst von einem Eispanzer bedeckt waren, inzwischen nur noch blanker Fels. Vor zwei Jahren haben Experten dem Südlichen Schneeferner den Status als bis dahin fünftem Gletscher Deutschlands aberkannt. Bereits vor fünf Jahren hatte Island offiziell den ersten Gletscher für "tot" erklärt. Der 700 Jahre alte Okjökull war mit nur noch 15 Metern Eisdicke zu leicht geworden, um sich gletscherartig vorwärts zu schieben.
Auch am Rhonegletscher in der Schweiz nagen die hohen Temperaturen in erschreckendem Maß. An sich nichts Neues. Doch der Post eines britischen Ehepaaresauf der Plattform X sorgt für Aufsehen. Mehr als vier Millionen Mal wurde ein doppeltes Urlaubsbild von Helen und Duncan Porter in den vergangenen Tagen angeklickt. Es zeigt das Ehepaar aus Bristol auf einer Aussichtsplattform am Rhonegletscher im August 2009 und August 2024.
Gräuliche Gletscherzunge statt glitzerndem Eis
Trotz freundlichem Lächeln fürs Foto war den beiden Briten angesichts der geänderten Blicks auf die Berge eher zum Heulen zu Mute. Wegen des einst spektakulären Ausblicks hatte sich das Paar nach 15 Jahren in diesem Sommer wieder auf den Weg in die Umer Alpen im Schweizer Kanton Wallis gemacht, berichtet die britische Tageszeitung "The Guardian", um ein ganz andere Szenerie vorzufinden: Dort wo 2009 noch mächtige Eisflächen hell in der Sonne glitzerten, ist nun ein Bergsee zu sehen mit einer kleinen gräulichen Gletscherzunge im Hintergrund.
"Ich lüge nicht, es hat mich zum Weinen gebracht", schreibt Duncan Porter auf seinem Social-Media-Kanal. Den Erfolg seines aktuellen Tweets trotz des seit langem bekannten Phänomens erklärte Porter auf DW-Anfrage so: "Die Leute können sich tatsächlich stärker mit Geschichten identifizieren, vor allem, wenn es einen persönlichen Bezug gibt."
Schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts schmilzt der Gletscher langsam ab, der im Quellgebiet der Rhone liegt. Das hatte zunächst mit dem Ende der kleinen Eiszeit zu tun, die zuvor 400 Jahre lang für eine kühlere Phase der Erdatmosphäre gesorgt hatte. Inzwischen ist der Rückzug der Gletscherzunge rasant - was am menschengemachten Klimawandel liegt.
Pessimistische Prognose
Bereits im Jahr 2008 hatten Wissenschaftler der Eidgenössischen Technischen Hochschulen in Lausanne und Zürich mithilfe einer Computersimulationerrechnet, dass der Rhone-Gletscher bis zum Ende des Jahrhunderts komplett verschwunden sein könnte. "Bis 2060 wird der Rhonegletscher die Hälfte seines Volumens verlieren und im Jahr 2100 wären sogar nur noch 5 Prozent des Gletschers vorhanden", warnte vor 16 Jahren Matthias Huss von der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie in Zürich.
Im schlimmsten von den drei damals berechneten Szenarios könnte der Rhonegletscher bereits 2080 vollständig geschmolzen sein. Anderen Gletschern in den Alpen droht demnach ein ähnliches Schicksal.
Und die Aussichten sind nicht gut: Im aktuellen gemeinsamen Berichtvom europäischen Klimawandeldienst Copernicus und der Weltwetterorganisation WMO vom April heißt es, dass 2023 das zweitwärmste Jahr in Europa seit Beginn der Wetteraufzeichnungen war. Und das hatte entsprechende Auswirkungen auf die Eisflächen in den Bergen: "Nach dem Rekord-Eisverlust im Jahr 2022 war es ein weiteres außergewöhnliches Verlustjahr in den Alpen", schreiben Copernicus und WMO. In diesen beiden Jahren verloren die Gletscher in dem mitteleuropäischen Hochgebirgszug demnach rund zehn Prozent ihres Volumens.
Etwas hilflos erscheinen da die Bemühungen der vergangenen Jahre, den Rhonegletscher mit hellen Folien abzudecken, um wenigstens die Wirkung der unerbittlichen Sonneneinstrahlung zu mindern. Besser sei es, den Klimawandel in den Griff zu bekommen, so Daniel Farinotti von der ETH Zürich: "Wir haben den größten Hebel tatsächlich bei den CO2-Emissionen. Ich halte das für wesentlich einfacher als alle anderen technischen Maßnahmen", sagte der Professor für Glaziologie vergangenes Jahr der DW.