Respekt und Partnerschaft: Deutschlands neue Afrika-Politik
15. Januar 2025Ein halbes Jahr später als geplant und nur wenige Wochen vor der Bundestagswahl am 23. Februar hat sich die rot-grüne Bundesregierung eine neue Richtschnur für ihre Afrika-Politik gegeben.
Gegenseitiger Respekt
Gegenseitiger Respekt heißt der neue Schlüsselbegriff, besonders betont wird auch die Aufarbeitung der deutschen Kolonialverbrechen. "Wir können die aktuellen außenpolitischen Positionierungen afrikanischer Regierungen und Gesellschaften nicht verstehen, ohne die koloniale Vergangenheit in den Blick zu nehmen", sagt der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Nils Schmid.
Die Leitlinien versprechen, Unrecht anzuerkennen, Kulturgüter zurückzugeben und menschliche Überreste zu überführen. Das begrüßt der Politikwissenschaftler Andreas Mehler, Direktor des Africa Centre for Transregional Research der Universität Freiburg. Ganz explizit priorisiert die Bundesregierung den Aussöhnungsprozess mit Namibia - das einzige afrikanische Land, das namentlich genannt wird auf den 34 Seiten. Hier hätte sich Mehler gewünscht, dass auch Staaten wie Tansania oder Kamerun erwähnt worden wären.
Für die Grünen-Politikerin Jamila Schäfer, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags, ist der größte Fortschritt der neuen Leitlinien, "dass diese paternalistische Haltung verschwindet, dass wir eben sagen, es geht um gemeinschaftliche Partnerschaften, wo jeder was von hat und man nicht so Top Down denkt", wie das in den alten Afrikapolitischen Leitlinien von 2014 und 2019 der Fall gewesen sei.
Gleichberechtigung auf internationaler Ebene
Die Bundesregierung macht sich für zwei ständige afrikanische Sitze im UN-Sicherheitsrat stark. Derzeit verfügt der afrikanische Block in dem Gremium lediglich über drei nicht-ständige Sitze, die alle zwei Jahre neu besetzt werden.
Für den SPD-Außenpolitiker Schmid haben der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und der Krieg in Gaza deutlich gemacht, "dass wir eine internationale Ordnung nur gestalten können unter gleichberechtigter Einbeziehung auch afrikanischer Länder".
Der Austausch mit der Zivilgesellschaft wird betont in den Leitlinien und - in neuem Maß der Austausch mit der jungen afrikanischen Bevölkerung: "Diese junge Bevölkerung wird über die Ausgestaltung der zukünftigen Beziehungen zu Deutschland und Europa entscheiden", heißt es wörtlich.
Umgang mit autokratischen Tendenzen
Was aber, wenn sich diese jungen Partner - wie unter den Militärregierungen in der Sahelzone - vom Westen abwenden und lieber nach Russland orientieren?
"Autokratischen Tendenzen begegnen wir mit offenem, kritischem Dialog", besagen die Leitlinien. Politikwissenschaftler Mehler sieht darin einen "Realismusschub", SPD-Politiker Schmid will in der Praxis "zweigleisig fahren": Einerseits "im Gespräch bleiben mit denen, die das Sagen haben" - schließlich könnten Herausforderungen wie der Klimawandel nur global angegangen werden. Gleichzeitig aber "die stärken, die für politische Vielfalt und offenen Meinungsstreit um die beste Lösung eintreten."
2019 standen Sicherheit und Stabilität noch an erster Stelle. In den neuen Leitlinien - der ersten Aktualisierung, seitdem Bundeskanzler Olaf Scholz als Reaktion auf Russlands Invasion in der Ukraine eine "Zeitenwende" ausgerufen hatte - sind sie hinter Themenfelder wie den Klimaschutz platziert worden. Diese Schwerpunktsetzung kritisiert Wolfgang Stefinger von der konservativen CSU. "Es fehlt der klare Umgang mit der Rolle von China und Russland auf dem afrikanischen Kontinent", sagt Stefinger, der als Obmann im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sitzt.
Verpasste Chancen im Bereich Wirtschaft?
Eine verpasste Chance sieht Stefinger insbesondere im Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Diese Einschätzung teilt auch der Hauptgeschäftsführer des Afrika-Vereins der Deutschen Wirtschaft, Christoph Kannengießer: "In einer geopolitisch und geoökonomisch völlig veränderten Welt, in der gerade für Europa der afrikanische Kontinent politisch und wirtschaftlich von strategischer Bedeutung ist, reagiert die Bundesregierung viel zu zurückhaltend."
Kannengießer wünscht sich von der Bundesregierung, wirtschaftliche Risiken bei Investitionen stärker abzufedern. Er schlägt vor, ein "Garantiemodell für Banken zu schaffen, das es ermöglicht, afrikanischen Kunden das Einkaufen bei deutschen Unternehmen zu erleichtern." Denn bislang scheitern Geschäfte mit afrikanischen Kunden häufig an den für sie nachteiligen Zinsbedingungen.
Attraktive Angebote
Kannengießer lobt hingegen Deutschlands Bekenntnis zur Unterstützung der Panafrikanischen Freihandelszone und Maßgaben für stärkere Handelsbeziehungen. In der Energiepolitik will die Bundesregierung faire Partnerschaften, die eine Energiewende auf beiden Kontinenten unterstützen. Ein Projekt hebt Kannengießer dabei positiv hervor: das Hyphen-Wasserstoff-Projekt in Namibia.
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Schäfer sieht das Projekt als gutes Beispiel für die Ziele der Leitlinie: "Das sind genau diese Angebote, die mit dieser alten kolonialen Ausbeutungslogik brechen und stärker im Blick haben, wie wir dafür sorgen können, dass die lokale Bevölkerung auch nachhaltig profitiert." 50 bis 60 Prozent der Gewinne könnten perspektivisch vor Ort bleiben. In diesem Modell lieg der Unterschied zu einer "neoimperialistischen" Herangehensweise von Ländern wie Russland und China.
Werden die Leitlinien 2025 direkt wieder kassiert?
Deutschland steht vor vorgezogenen Neuwahlen am 23. Februar. Werden die Leitlinien also wieder abgeschafft, bevor sie verwirklicht werden können? Das federführende Auswärtige Amt verweist auf die regelmäßigen Treffen auf Ebene der Staatssekretäre der beteiligten Ministerien, die ja auch künftig fortgesetzt würden.
Politikwissenschaftler Mehler hält die neue Richtschnur für durchaus verbindlich. Es gebe einen relativ hohen Konsens zwischen den Parteien bei der Afrikapolitik.
Oppositionspolitiker Stefinger fühlt sich zwar gebunden, falls die Union an die Regierung kommen sollte. Er will die wirtschaftliche Zusammenarbeit stärken - "allerdings anders, als das bisher passiert". Die Konservativen würden das Thema Sicherheit und Frieden wieder in den Mittelpunkt rücken.