1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Regierungschaos im Libanon

9. September 2009

30 Minister umfasst die Kabinettsliste, die Ministerpräsident Saad al-Hariri Staatspräsident Michel Suleiman präsentiert hat. Doch wird es bei den vorgeschlagenen Ministern bleiben?

https://p.dw.com/p/JYf7
Saad Hariri (Foto:AP)
Ministerpräsident Saad al-Hariri hat 30 Minister fürs Kabinett vorgeschlagenBild: AP

"Ich mache mir keine großen Sorgen wegen der fehlenden Regierung", sagt ein älterer Mann, der an diesem Morgen die Hamra Straße in Westbeirut entlanggeht. "Wir haben uns daran gewöhnt. Das ist nichts neues für uns", begründet er seine Einstellung. Ein anderer Passant pflichtet ihm bei und versichert, dass auch er über die politische Lage im Libanon nicht beunruhigt sei. Die erfolgreiche Tourismussaison, eine der Haupteinnahmequellen des Zedernstaates mag beschwichtigend auf die Libanesen wirken. Auch die stabile Sicherheitslage lässt viele darüber hinweg sehen, dass das neu gewählte Parlament seine Arbeit nicht aufnehmen kann.

Libanesische Regeln der Demokratie

Menschen im Wahllokal im Bekaa-Tal (Foto:AP)
Am 7. Juni 2009 strömten die Menschen in die WahllokaleBild: AP

Der Urnengang Anfang Juni lief zwar sauber ab und alle Seiten haben das Ergebnis anerkannt. Aber im Libanon herrschen nicht die üblichen Regeln der Demokratie, sondern ein politisches System mit starken konfessionellen Zügen. Nicht etwa der Wahlgewinner, die Allianz des 14. März, eine Koalition aus mehrheitlich sunnitischen und christlichen Kräften, bildet die neue Regierung, sondern auch die Verlierer müssen mit einbezogen werden. Ein Beispiel ist die Hisbollah, die Anspruch auf Ministerposten hat. Sie steht für die Mehrheit der Schiiten und ihr militärischer Arm ist bei weitem stärker bewaffnet als die libanesische Armee. Nawaf al-Mousawi, neu gewählter Abgeordneter der "Partei Gottes", gibt selbstbewußt zu bedenken, dass Israel zwar die Beteiligung der Hisbollah an der Regierung nicht wünsche. Aber alle regionalen und internationalen Kräfte wüssten ganz genau, dass diese Forderung nicht erfüllt werden könne: "Im Libanon kann keine Regierung gebildet werden ohne die Beteiligung eines Hauptakteurs des politischen Lebens."

Maroniten und Schiiten

Alain Aoun (Foto:DW)
Alain Aoun von der "Freien Patriotische Bewegung"Bild: DW

Das gleiche gilt für die Freie Patriotische Bewegung von Exgeneral Aoun, die über 50 Prozent der Maroniten vertritt. Alain Aoun Abgeordnerter dieser Bewegung im neuegewählten Parlament umschreibt seinen Anspruch auf Ministerposten mit dem Begriff der "Konsensdemokratie". Da die Mehrheitsverhältnisse, die aus den Wahlen im Libanon hervorgehen nicht die konfessionelle Zusammensetzung der libanesischen Gesellschaft wieder spiegele, müsse in jeder Regierung alle politischen Kräfte vertreten sein. Die Opposition regiert mit und fordert sogar Schlüsselressorts, wie das Verteidigungs- oder Innenministerium. Wahlgewinner und zukünftiger Ministerpräsident Saad al-Hariri hatte bereits zugesichert, dass er eine Regierung der nationalen Einheit bilden werde, aber den oppositionellen Parteien kein Vetorecht einräumen wolle, wie in der Regierung zuvor. Nun läuft seit Wochen das Feilschen um Ministerzahlen und Posten.

Einfluss aus dem Ausland

Aber bei den Verhandlungen um die Bildung der neuen Regierung, spielen nicht nur die Interessen der jeweiligen Konfession eine Rolle, sondern auch die Verbündeten der Hisbollah und des Ex-Generals Aoun im Ausland. Syrien hat zwar das Wahlergebnis anerkannt und offizielle Stellen verpflichteten sich zur Nichteinmischung. Aber vieles deutet darauf hin, dass Damaskus nicht davon lassen kann das kleine Nachbarland als Druckmittel zu benutzen. Denn zu den großen Sorgen der Syrer gehört vor allem das Sondertribunal für den Libanon, das den Mord an den ehemaligen Ministerpräsidenten Rafik al-Hairiri und einiger anderer Morde untersuchen soll. Belastende Berichte wie in der Vergangenheit versucht das Asad-Regime abzuwenden. Es ist nicht auszuschließen, dass die Verzögerung der Regierungsbildung in Beirut mit diesem Umstand zusammenhängt. Nuhad Mashnouk, Mitglied der Mehrheitsfranktion im neuen Parlament, ist überzeugt, dass Syrien bereits einige Zugeständnisse bekommen hat: "Internationale und regionale Mächte haben einen Dialog mit Syrien geführt. Das Ergebnis war, dass Damaskus hier wieder politisch präsent ist, dass die Opposition gewisse Anteile an der Regierung bekommt und dass Saad al-Hariri Syrien besuchen wird." Mashnouk wundert es kaum, dass es trotz dieser politischen Bewegung noch keine Regierung gebildet werden konnte. Er bezeichnet sein Land als ein "politisches Erdbebengebiet" in dem nicht nur das Nachbarland Syrien eine Rolle spiele, sondern auch die Beziehungen verschiedener Länder zueinander, wie etwa Irak, Iran, Israel und USA. Vertreter der libanesischen Opposition aus den Reihen der Hisbollah und der Freien Patriotischen Bewegung reagierten mit harscher Kritik auf die Kabinettsliste, die Ministerpräsident Saad al-Hairiri vorgelegt hat. Sie werden ihr auf keinen Fall zustimmen, hieß es aus Kreisen des Exgenerals Aoun und des Generalsekretärs der "Partei Gottes" Hassan Nasrallah. Den Libanesen stehen wahrscheinlich weitere Wochen ohne Regierung und mit allerlei politischen Spekulationen bevor.

Nuhad Mashnouk (Foto:DW)
Nuhad Mashnouk, Mitglied der Mehrheitsfranktion im neuen ParlamentBild: DW

Autorin: Mona Nagger

Redaktion: Michaela Paul