Regeln für AI: Europa und USA auf getrennten Wegen
28. Januar 2025Künstliche Intelligenz verändert ganze Industrien und Gesellschaften – doch zwischen den USA und der Europäischen Union wachsen die Differenzen darüber, wie die Technologien reguliert werden sollten.
Rasante Entwicklungen der letzten Jahre ermöglichen es Computern zunehmend, selbständig Aufgaben zu erledigen, für die lange Zeit menschliche Intelligenz vonnöten war. Diese Fortschritte eröffnen enorme Chancen, von personalisierter Medizin bis hin zu innovativen Ansätzen im Kampf gegen die Klimakrise. Gleichzeitig bringen sie jedoch auch erhebliche Risiken mit sich, von Arbeitsplatzverlusten über technologiebedingte Diskriminierung bis hin zum potenziellen Missbrauch für Überwachungszwecke.
Während die Europäische Union ein umfassendes Regelwerk für Künstliche Intelligenz einführt, um die Sicherheit von Technologien zu gewährleisten und Unternehmen für die möglichen Folgen haftbar zu machen, haben die USA einen gegensätzlichen Kurs eingeschlagen. Dort lockert Präsident Donald Trump Beschränkungen, während gleichzeitig der Einfluss der Technologiebranche wächst.
"In den USA sehen wir eine Abkehr von User-Sicherheit", so Lisa Soder von der Berliner Technologie-Denkfabrik Interface. Stattdessen stelle Trump bei der Regulierung von KI zunehmend die nationale Sicherheit und die Interessen der Industrie in den Vordergrund. "'America-first AI' ist im Moment einfach sehr angesagt", sagt sie im Gespräch mit der DW.
Der Einfluss von Big Tech in den USA
Schon an Trumps erstem Tag im Amt wurde deutlich, wie viel Einfluss er und seine neue Regierung der Industrie bei der Regulierung von KI einräumen wollen. Seine Amtseinführung als 47. Präsident fand in Anwesenheit von Tech-Milliardären wie Tesla- und SpaceX-CEO Elon Musk, OpenAI-CEO Sam Altman oder Meta-CEO Mark Zuckerberg statt, prominent platziert in der zweiten Reihe direkt hinter Trumps Familie. Noch am selben Tag hob Trump ein von seinem Vorgänger Joe Biden erlassenes Dekret auf und machte damit eine Reihe von KI-Schutzmaßnahmen hinfällig.
In den darauffolgenden Tagen lud Trump Altman sowie die CEOs der Tech-Firmen SoftBank und Oracle ins Weiße Haus ein, um das "mit Abstand größte KI-Infrastrukturprojekt der Geschichte" anzukündigen. Im Rahmen des Megaprojekts namens "Stargate" sollen in den nächsten vier Jahren bis zu 500 Milliarden Dollar in KI-Infrastruktur wie Rechenzentren investiert werden. "All das findet hier in Amerika statt", betonte Trump.
Kurz darauf unterzeichnete er ein Dekret, das die Ausarbeitung eines "Aktionsplans für Künstliche Intelligenz" innerhalb von 180 Tagen vorsieht. Ziel des Plans ist es, "Amerikas globale KI-Dominanz zu erhalten und auszubauen". Zwar sind die Details bislang unklar, doch es wird allgemein erwartet, dass Trumps Regierung – im Einklang mit ihrer umfassenden Deregulierungsagenda – den Technologie-Giganten des Landes erhebliche Freiheiten bei der Entwicklung neuer KI-Technologien einräumen wird. Gleichzeitig dürften die Anforderungen an Unternehmen, die Risiken bei der Entwicklung von KI-Anwendungen zu mindern, geringer ausfallen als unter seinem Vorgänger.
KI: Bleibt die EU ihrem "Sicherheit-geht-vor"-Grundsatz treu?
Dieser Ansatz steht im Gegensatz zum regulatorischen Umfeld auf der anderen Seite des Atlantiks. Dort ist im vergangenen Sommer die KI-Verordnung der EU in Kraft getreten. Ziel des Gesetzespakets ist es, EU-Bürger vor möglichen Risiken zu schützen, ohne Innovationen zu bremsen. Um diesen Spagat zu meistern, sieht das KI-Gesetz unterschiedliche Regeln und Anforderungen für KI-Systeme vor, abgestuft nach dem Risiko, das sie für die Grundrechte der Anwender darstellen.
Befürworter strenger Regeln loben den Ansatz der EU als notwendig, um Nutzer vor den Gefahren der Technologie zu schützen. Kritiker hingegen warnen, dass europäische Unternehmen dadurch gegenüber ihren internationalen Konkurrenten, insbesondere aus den USA, ins Hintertreffen geraten könnten.
Während die Behörden in Brüssel und den EU-Mitgliedsstaaten damit beschäftigt sind, Strukturen und Teams aufzubauen, um die neuen Vorschriften durchzusetzen, tobt hinter den Kulissen eine Debatte darüber, wie strikt die Regulierungsbehörden die Gesetze interpretieren sollten. "Auch in der EU erleben wir eine Art Stimmungsumschwung: eine große Unsicherheit darüber, was tatsächlich umsetzbar ist und wie ambitioniert die EU mit ihren Vorschriften sein kann – etwa in Bezug darauf, welche Art von Informationen sie von Unternehmen einfordern kann", sagt Soder.
Globaler Wettlauf um KI
Experten gehen davon aus, dass Trumps Präsidentschaft den globalen Wettlauf um Künstliche Intelligenz nachhaltig prägen wird – den internationalen Wettbewerb zwischen Nationen und Unternehmen, die neuesten KI-Technologien zu entwickeln, um wirtschaftliche, militärische und strategische Vorteile zu erlangen. Bislang führen die USA das Rennen an. Doch China, derzeit auf Platz zwei, hat in den vergangenen Jahren bemerkenswerte Fortschritte gemacht und holt schnell auf.
Bemühungen, international verbindliche Regeln und Leitplanken für den Einsatz von KI zu schaffen, sind bisher weitgehend gescheitert. Mit Trump im Weißen Haus scheint ein Durchbruch in diesem Bereich nun noch unwahrscheinlicher.
Auch die freiwilligen Selbstverpflichtungen vieler großer Technologieunternehmen zur sicheren und verantwortungsvollen Entwicklung von KI stehen laut Lisa Soder von der Denkfabrik Interface nun auf der Kippe. Vor diesem Hintergrund könnte es spannend werden zu beobachten, wie sich diese Unternehmen verhalten, wenn viele ihrer CEOs am 10. und 11. Februar in Paris mit führenden Politikern aus aller Welt zu einem von der französischen Regierung organisierten KI-Gipfel zusammentreffen.
"In der Vergangenheit haben die Unternehmen zugesichert, sich für Sicherheit und vertrauenswürdige Technologien einzusetzen", sagt Soder. "Doch angesichts der veränderten geopolitischen Lage wird dieser Gipfel ein entscheidender Test dafür sein, ob sie diese Zusagen auch weiterhin einhalten."