Schauspieler Patrick Stewart wird 80
12. Juli 2020Weit weg von seinem Geburtsort Mirfield, einer Kleinstadt in der englischen Grafschaft West Yorkshire, gelangte Patrick Stewart mit 47 Jahren zu Weltruhm. Im US-amerikanischen Los Angeles, wo er während der Dreharbeiten zur legendären Science Fiction-Reihe "Raumschiff Enterprise" (engl. "Star Trek") angeblich zunächst aus dem Koffer gelebt haben soll, ließ ihn die Rolle seines Lebens sogar noch weiter reisen: Als Captain Jean-Luc Picard führte er die Crew des Raumschiffs der Geschichte nach durch die unendlichen Weiten des Weltraums bis hin zu Galaxien, die nie zuvor ein Mensch gesehen hatte.
Das Interesse an der Schauspielerei weckte ein Lehrer in Stewart als dieser elf oder zwölf Jahre alt war. Er soll ihn aufgefordert haben, ein Werk von Shakespeare vorzutragen. Noch heute hegt er eine Leidenschaft für den großen englischen Dramatiker und Lyriker, dessen Sonette er während der Corona-Pandemie über seinen Twitter-Acount verbreitete.
Häusliche Gewalt - eine prägende Kindheitserfahrung
Stewarts Eltern hingegen hatten nichts mit Schauspielerei zu tun. Der Vater war im Zweiten Weltkrieg Offizier bei der britischen Armee und soll die Mutter, eine Weberin, während Patricks Kindheit geschlagen und misshandelt haben. Über seine Erfahrungen mit häuslicher Gewalt schrieb Stewart 2009 in der englischen Zeitung "The Guardian", da auch sein Erwachsenen-Dasein davon geprägt war. Die Bühne erschien ihm als "ein weitaus sichererer Ort" als die Realität; in der Schauspielerei sah er eine Möglichkeit, dieser zu entfliehen.
Mit Shakespeare in love
Von jenem Lehrer inspiriert, der ihn mit Shakespeare in Berührung gebracht hatte, begann Patrick als Zwölfjähriger Theater zu spielen. Mit sechzehn verließ er frühzeitig die Schule und konnte dank eines Stipendiums in Bristol Schauspiel studieren. Nebenbei arbeitete er als Journalist. 1965 wurde er dann offizielles Mitglied der Royal Shakespeare Company - und blieb es für ein Vierteljahrhundert.
Für Aufsehen in der Theaterwelt sorgte er mit einer eigenen Bühnen-Adaption der von Charles Dickens 1843 veröffentlichten Erzählungen "A Christmas Carol". Die mehr als 30 Rollen spielte er alle selbst. Nach der Uraufführung 1987 in Stewarts Heimatstadt Mirfield wurde die One-Man-Show zum Kritiker-Liebling und ein Dauerbrenner am New Yorker Broadway.
"Star-Trek"-Angebot aus Hollywood
Im selben Jahr geschah es auch, dass der talentierte Mr. Stewart vom Bühnenschauspieler, der er bis auf wenige Film-Nebenrollen 1981 und 1984 hauptsächlich war, zum internationalen Weltstar gebeamt wurde: "Star-Trek"-Produzent Robert Justman bot ihm die Rolle des Captain Jean-Luc Picard an, eine der Hauptrollen in einer Neuauflage der bekannten TV-Serie. Titel: "Raumschiff Enterprise - Das nächste Jahrhundert" (im Original: Star Trek: The Next Generation).
Der erfolgreiche Shakespeare-Mime zögerte. Bislang hatte er mit Hollywood nie etwas zu tun gehabt. Doch sein Agent ermunterte ihn, erinnerte sich Stewart in einem Interview mit der Zeitung "Die Welt" (2020): "Das Angebot kannst Du als Einstieg erst mal annehmen. Das wird keine große Sache, eine so ikonische Serie wie 'Star Trek' kann man eh nicht wiederbeleben."
Abenteuer im Universum auf der USS Enterprise D und E
Wie falsch. In insgesamt sieben TV-Staffeln mit 178 Episoden und in vier abendfüllenden Kinofilmen führte Patrick Stewart als kommandierender Offizier Jean-Luc Picard die USS Enterprise durch ihre galaktischen Abenteuer. Die TV-Serie hatte in kürzester Zeit astronomischen Erfolg auf Erden. Anfangs waren sich die Produzenten uneins, ob Stewarts britischer Akzent wirklich zum Kommandanten eines US-Raumschiffs im 24. Jahrhundert passen könnte.
Inzwischen ist das leichte Understatement des feinsinnig-diplomatischen Captain Picard nicht mehr aus der Serie wegzudenken. Erst recht nicht, wenn er im Cockpit des Raumschiffs Shakespeare zitiert. Überhaupt fliegt Shakespeare immer mit. All die Zeit auf verschiedenen Bühnen, auf denen er als Shakespeare-Schauspieler auftrat, die er auf englischen Thronen als einer der Shakespeare-Könige verbracht habe, sei im Grunde nichts anderes als die Vorbereitung auf den Kommandanten-Sessel der Enterprise gewesen. Als die Kult-Serie 1994 auslief, schloss Patrick Stewart definitiv aus, je wieder auf die Kommandobrücke der Enterprise zurückzukehren.
Jean-Luc Picard: Commander im vorübergehenden Ruhestand
Aber es kam noch anders. Anfang 2020 startete eine neue Erzählung aus dem Enterprise-Epos: In der Amazon-Serie "Star Trek Picard", sehen wir Captain Jean-Luc Picard im Jahr 2399 auf seinem Landsitz in Frankreich, wo der pensionierte Admiral der Sternenflotte seinen Ruhestand verbringt.
Stewart hatte in vielen Interviews betont, er habe zur Figur Picard alles gesagt. Aber nun war es sogar sein Wunsch, sie wieder zu beleben. Der Ex-Raumschiff-Commander kann in der Rolle ausgiebig räsonieren - über das traurige Ende seiner Sternenflotte und die Krise der "Vereinten Planeten".
Darin spiegele sich vieles aus unserer Gegenwart, meint Labour-Mitglied Stewart, der aus seiner Verachtung für US-Präsident Trump und dem britischen Premierminister Boris Johnson keinen Hehl macht. 2010 war der Schauspieler von der Queen zum Ritter geschlagen und in den Adelsstand erhoben worden. Dass er dadurch mit Schauspielgrößen wie Sir Laurence Olivier und Sir Alec Guinness in einer Reihe stehe, sei für Stewart die größte Ehre.
Nicht ohne meinen Pitbull
Eine Bedingung knüpfte Stewart 2017 an seine Rückkehr in die Rolle des Captain Picard. Er müsse einen Hund an seiner Seite haben - einen Pitbull: "Ich bin besessen von Pitbulls. Für mich sind das die schönsten, wunderbarsten, klügsten und mitfühlendsten Wesen, die es gibt."
Ob der Wahl-New Yorker, der dort in dritter Ehe mit Musikerin Sunny Ozell lebt, daran gedacht habe, mit der Schauspielerei bald aufzuhören, fragte ihn der "Playboy" in einem Interview im Juni 2020 - kurz vor seinem 80. Geburtstag. "Nein", erwiderte Stewart, "noch nie! Das würde bedeuten, mein Leben aufzugeben." Er dreht bereits für die zweite Staffel "Star Trek: Picard", die Corona-bedingt vermutlich noch etwas auf sich warten lassen dürfte.