Rassistisch, rücksichtslos, grausam - die deutsche Kolonialgeschichte
Der Kolonialismus des deutschen Kaiserreichs ist eine Geschichte gescheiterte Weltmacht-Träume, deren Folgen teils bis heute nachwirken. Damit beschäftigt sich derzeit eine Schau im Deutschen Historischen Museum.
Die Fratze des Kolonialismus
Nachdem Reichskanzler Otto von Bismarck Namibia, Kamerun, Togo sowie Teile Tansanias und Kenias unter deutsche Schutzmacht gestellt hatte, versuchte ab 1888 Kaiser Wilhelm II. den Kolonialbesitz weiter auszubauen. Die Reichsregierung wolle einen "Platz an der Sonne", so formulierte es 1897 der spätere Reichskanzler Bernhard von Bülow.
Deutsche Kolonien
Mit Erwerbungen im pazifischen Raum (Nord-Neuguinea, Bismarck-Archipel, Marshall- und Salomon-Inseln, Samoa) und China (Tsingtao) sowie dem Anschluss der Königreiche von Ruanda und Burundi an Deutsch-Ostafrika waren die kolonialen Eroberungen Ende des 19. Jahrhunderts weitgehend abgeschlossen.
Ein System der Ungleichheit
Die "weiße" Bevölkerung in den Kolonien war eine kleine, stark privilegierte Minderheit. Sie überstieg selten die Ein-Prozent-Marke. 1914 lebten rund 25.000 Deutsche in den Kolonien, etwas weniger als die Hälfte davon in Deutsch-Südwestafrika. Die rund 13 Millionen "Eingeborenen" des deutschen Kolonialreichs galten lediglich als Untertanen. Der Rechtsweg war ihnen grundsätzlich verschlossen.
Der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts
Der Genozid gegen die Herero und Nama auf dem Gebiet des heutigen Namibia ist wohl das schwerste Verbrechen in der deutschen Kolonialgeschichte - im entscheidenden Kampf am Waterberg flüchtete 1904 ein Großteil der sich auflehnenden Herero in die Wüste. Hier wurden sie von deutschen Truppen systematisch am Zugang von Wasserstellen gehindert. Vermutlich starben dabei mehr als 60.000 Herero.
Deutsche Schuld
Nur etwa 16.000 Herero haben den Vernichtungsfeldzug überlebt und wurden in Konzentrationslagern interniert, in denen das Sterben weiter vorangetrieben wurde. Genaue Opferzahlen sind bis heute umstritten. Ob diese abgemagerten Herero ihre Flucht noch lange überlebt haben? Jedenfalls hatten die meisten nichts mehr - keinen persönlichen Besitz, keine Existenzgrundlage, keine Lebensperspektive.
Umdenken um 1907
Als Ergebnis der Kolonialkriege wurden ein Umbau der Kolonialverwaltung in Deutschland, wissenschaftliche Aspekte zur Nutzung der Kolonien und eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Völker in den deutschen Kolonien für notwendig erachtet. Als Gestalter der neuen Kolonialpolitik wurde nicht zufällig ein erfolgreicher Firmensanierer aus der Privatwirtschaft gewonnen, Bernhard Dernburg.
Die Wissenschaft und die Kolonien
Neben Dernburgs Reisen wurden auch wissenschaftliche und technische Einrichtungen für koloniale Zwecke gefördert oder gegründet. Daraus entstanden etwa Teile der heutigen Universitäten von Hamburg und Kassel. 1906 leitete Robert Koch eine längere Expedition nach Ostafrika, um die Übertragungswege der Schlafkrankheit zu erforschen, wie diese Sammlung mikroskopischer Präparate zeigt.
Einer der größten Kolonialkriege
In Deutsch-Ostafrika kam es 1905/06 zum sogenannten Maji-Maji-Aufstand, bei dem geschätzte 100.000 Einheimische starben. Es formierte sich eine breite Allianz ethnischer Gruppen gegen die deutsche Kolonialherrschaft. Der Maji-Maji-Aufstand wurde in Deutschland danach kaum mehr thematisiert. Für Tansania ist er ein wichtiges Ereignis der Geschichte.
Der Verlust der Kolonien
Nach dem für Deutschland verlorenen Ersten Weltkrieg wurde der Friedensvertrag von Versailles unterzeichnet. Als dessen Inhalte bekannt wurden, war das Entsetzen in Deutschland groß. Plakate wie dieses zeigen, was Deutsche damals befürchteten: Der Wirtschaftsmacht beschnitten und seiner Kolonien "beraubt", drohen Armut und Elend.
Kolonialistische Ambitionen im Dritten Reich
Der koloniale Gedanke blühte im Dritten Reich wieder auf, nicht nur im Generalplan Ost mit seinen Säuberungs- und Umsiedlungsplänen. Die Nationalsozialisten strebten auch die Rückgewinnung der deutschen Kolonien an, wie anhand dieser Schulwandkarte von 1938 deutlich wird. Dienen sollten sie vor allem als Rohstoffreservoir.
Holprige Aufarbeitung
Die Verhandlungen um eine gemeinsame Erklärung zum Genozid an Herero und Nama gehen jetzt in die heiße Phase. Dabei gibt es auf beiden Seiten immer wieder Probleme: Deutschland mauert, wenn es um eine finanzielle Entschädigung geht, in Namibia gibt es innenpolitisches Kompetenzgerangel. Kürzlich haben Vertreter der Herero Beschwerde bei den UN über die Verhandlungen mit Deutschland eingelegt.