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2,5 Meter pro Sekunde

21. August 2009

Eigentlich ist Prag eine gemütliche Stadt: entspanntes Bummeln von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten und abends ein Bier in einer Kneipe. Doch in den Metrostationen lauern versteckte Gefahren: rasende Rolltreppen.

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Rolltreppen mit Menschen (Foto: AP)
Auch für Rolltreppen gibt es EU-RichtlinienBild: AP

Die Metrolinie B in Prag ist berüchtigt - und zwar für ihre rasenden, langen und steilen Rolltreppen. Für die einen ist das ein Problem: "Meine Mutter ist schon einmal hingefallen, als sie auf die Rolltreppe gestiegen ist. Und auch mit Kinderwagen ist es ein Riesenproblem: Wenn man schlecht auf die erste Stufe steigt, kann man mitsamt dem Wagen hinfallen", beschwert sich eine Pragerin.

Für die anderen ist es ein Segen: "Es wäre schrecklich, wenn sie noch langsamer fahren würden. Dann bräuchte man ja noch länger. Man hetzt ohnehin schon ständig zur Arbeit und auch sonst wohin", sagt eine Pendlerin, der es nicht schnell genug gehen kann.

Dreimal zu schnell

Blick auf Prag
Blick auf Prag

In manchen U-Bahnstationen rollt die Treppe mit sagenhaften neun Kilometern pro Stunde ans Tageslicht. Anders ausgedrückt: 2,5 Meter pro Sekunde. Der Europäischen Union ist dieses Tempo zu schnell. Laut EU-Richtlinie sind statt der neun nur etwa drei Kilometer pro Stunde erlaubt.

Deshalb wollen die Prager Verkehrsbetriebe nun sämtliche Rolltreppen der Hauptstadt modernisieren und an die EU-Normen anpassen. "An den Metrostationen mit sehr langen Roll-Treppen wird sich das natürlich auf die Fahrtzeit auf der Treppe auswirken", sagt Sprecher Ondrej Peceni. Doch Staus werde es wohl keine geben. "Schließlich sind wir hier nicht in Asien, wo die Leute Schulter an Schulter stehen."

Langsam rollen für die EU

55 veraltete Rolltreppen, die teils noch aus sowjetischer Produktion stammen, sollen bis zum Jahr 2015 abmontiert werden. 8000 Pendler und Geschäftleute haben eine Petition dagegen unterschrieben, doch es hilft nichts: Ende 2009 werden die Bauarbeiten voraussichtlich beginnen. Der Umbau kostet die Prager Verkehrsbetriebe rund 2,8 Millionen Euro. Und die Fahrgäste viel Zeit.

Leere Rolltreppe (Foto: http://www.flickr.com/photos/85052304@N00/383033678/)
Leer statt schnell: Die Bauarbeiten sollen Ende des Jahres beginnenBild: flickr / kauiwaui



Vielen Pendlern graut es jetzt schon. Die notorischen Links-Steher auf den Rolltreppen ertragen sie noch mit stoischer Gelassenheit, aber dass jetzt Baustellen und die Schließung ganzer U-Bahnstationen droht, macht manche rasend: "Ich bitte Sie, fragen Sie in diesem Staat niemanden nach irgendetwas, hier macht doch sowieso jeder, was er will!", empört sich ein Prager. Die EU-Richtlinie zum gedrosselten Rolltreppentempo kennt fast keiner.

Die Rolltreppe als Hort der Ruhe

Einige Prager nehmen es dagegen fast schon philosophisch: "Die Rolltreppen sollen ruhig langsamer fahren, denn das zwingt einen zum Nachdenken. Nicht nur über schöne Frauen, sondern auch darüber, was man zuhause vergessen hat. Im menschlichen Leben ist die Zeit so relativ und wer darüber nachdenkt, weiß, wie relativ das ist."


Autorin: Barbara Schmidt-Mattern
Redaktion: Julia Kuckelkorn