Randbemerkungen zum Gipfel-Wahnsinn
9. Juli 2015Am Sonntag soll er stattfinden, der letzte Gipfel zu Griechenland. Der allerletzte, das hat uns EU-Ratspräsident Donald Tusk zugesichert.
Mein letztes Hemd würde ich darauf aber nicht verwetten. Dafür haben wir es einfach zu oft gehört - und auch zu oft selbst berichtet. "Die Zeit wird knapp", "es ist an der Zeit, dass Griechenland glaubwürdige Reformvorschläge auf den Tisch legt", damit das mittlerweile echt so-gut-wie-bankrotte Land weitere finanzielle Hilfe bekommen kann. Die einzige Lehre, die man daraus ziehen konnte, war die, die ein Europa-Parlamentarier bei der Debatte mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras gezogen hat: "Zum letzten Mal heißt nicht wirklich zum letzten Mal."
Ein anderer Ausdruck, den wir alle zu oft gehört haben, ist der, dass "der Ball jetzt im Feld" - nun entweder der Griechen oder eben der anderen 18 Euro-Länder ist, je nachdem, wer sich gerade äußert. In diesem Beispiel war es der finnische Finanzminister Alexander Stubb, der den Ball bei den Griechen sah:
Darauf hingewiesen hat der "Financial Times"-Korrespondent Peter Spiegel. Ich könnte mir vorstellen, dass Spiegel und sein Kollege Pedro Rodriguez von der spanischen Zeitung "El Mundo" Strichlisten über die Nutzung der Ball-Metapher führen. Allerdings scheint Pedro die Schnauze mittlerweile voll zu haben - darauf deutet zumindest diese Twitter-Meldung von ihm hin: "Keine Ball-Spiele mehr."
Nicht, dass wir Journalisten die Einzigen wären, denen langsam die Lust am "Ballspiel" vergeht. "Keiner von uns möchte den Ball nur so weit über die Mittellinie kicken, dass wir ihn schon bald wieder in der eigenen Hälfte haben", sagte beispielsweise - recht frei übersetzt - der irische Finanzminister Michael Noonan.
Guter Unterhaltungswert
Allerdings wäre es auch irgendwie schade, wenn diese Sonder-Gipfelei tatsächlich ein Ende finden würde. Auf eine gewisse Art und Weise hat sie nämlich einen recht hohen Unterhaltungswert. So ein normales Mittagsbriefing in der EU-Kommission kann - ehrlich gesagt - eine ziemlich langweilige und lustlose Veranstaltung sein, zu der sich kaum ein Korrespondent persönlich ins Kommissionsgebäude begeben möchte. (Im Fernsehen wird das Ganze schließlich auch übertragen, da wird es bei einem kühlen Getränk und einem Sandwich auch erträglicher.)
Dank der Griechen-Krisen-Panik aber konnten wir tatsächlich erleben, dass ein Mittagsbriefing des Vizepräsidenten der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, im kompletten Chaos enden kann: Mindestens ein Dutzend Kollegen haben sich auf eine arme Pressesprecherin gestürzt. Das alles, weil Dombrovskis einfach mal so in den Raum geworfen (und sich dann aus dem Staub gemacht) hatte, dass ja gleich Jeroen Dijsselbloem sprechen würde.
Wie bitte? Dijsselbloem erklärt, wie es nach dem überwältigenden "Nein" im griechischen Referendum doch noch weitergehen kann mit einem Deal "Reformen gegen Geld"? Jetzt? Hier? Wusstet ihr das?
Ach so, in Den Haag wird er sprechen. War wohl doch nicht so gemeint. Wäre ja auch zu schön gewesen.
Von Team-Building und Drehtüren
Dem griechischen Drama habe ich noch weitere schöne Momente zu verdanken. Denn die Griechen-Krise hat auch zum Team-Buildung unter uns Journalisten beigetragen: Wenn man sich mit Kollegen aller Herren (Euro-)Länder mal ganz eng um den einen spanischen Reporter schart, der die Worte des spanischen Finanzministers Luis de Guindos aufgeschnappt hat, zum Beispiel. Luis de Guindos hatte das Euro-Gruppen-Treffen an diesem Mittwoch als Erster verlassen. Alle Kollegen, inklusive mir, riefen auf einmal völlig fassungslos "WAS???", als der spanische Kollege erklärte, de Guindos habe gesagt "no hay propuestas".
Wie bitte? Es gibt keine Reformvorschläge der Griechen? Wie möchte Alexis Tsipras Angela Merkel und den anderen Kolleginnen und Kollegen, mit denen er sich zum gefühlt 520. Euro-Gipfel trifft erklären, dass sein neuer, mit einigen Vorschusslorbeeren bedachter Finanzminister Euklid Tsakalotos den anderen in der Euro-Gruppe gerade KEINE Vorschläge mitgebracht hat?
"Sehen Sie, Herr Draghi, also da ist ein Waschbär bei Euklid ins Hotelzimmer ..." - so muss es gewesen sein. Schön zu sehen, dass die Griechen trotz geschlossener Banken und Kapitalverkehrskontrollen ihren Humor behalten haben. Überhaupt, Humor. Wären da nicht solche Twitter-Meldungen oder die der Kollegen, könnte einem das Lachen manchmal etwas vergehen an diesen Tagen, an denen die meiste Arbeit entschieden außerhalb tariflich geregelter Kernarbeitszeiten anfällt.
Ach, und über diese Beobachtung habe ich mich auch gefreut: Ein Kollege erkennt beim Anblick des folgenden Fotos sofort, welchen Anfängerfehler Tsakalotos da begangen hat: Sein Notizzettel zeigt mit der Schrift nach oben.
Falls sich jemand wundert: Die Tatsache, dass ich hier lauter Tweets von Peter Spiegel einbinde, ist kein Zufall. Ich bin Fan seiner Tweets geworden. Neulich bin ich tatsächlich vor dem Mittagsbriefing zu ihm hin, um ihm zu sagen, wie sehr ich seine Kurznachrichten schätze. Ich war (sehr!) kurz davor, ihn um ein Autogramm zu bitten.
Doch zum Glück habe ich es mir rechtzeitig anders überlegt. Wenn man einen Finanzjournalisten um ein Autogramm bittet, dann hat man schon ziemlich einen an der Waffel.
Der letzte Gipfel, der allerletzte
Oder es ist einfach ein Zeichen, dass diese griechischen Gipfeltragödien doch mal zum Ende kommen müssen. Wie gesagt, wenn man Donald Tusk Glauben schenken darf, wird der Gipfel am Sonntag nun wirklich der letzte in dieser Sache. Auch wenn sich der eine oder andere Kollege bereits mit einem kleinen Spiel mental auf die Phrasen vorbereitet, die ganz sicher wieder gedroschen werden.
Aber es ist nun einmal so, dass das EU-Motto "Ruhe bewahren und einfach auf den nächsten Gipfel warten" lautet. Dieser Tweet ist übrigens aus dem Jahr 2012:
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