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Rammstein: Anwälte wollen klagen

9. Juni 2023

Till Lindemanns Anwaltskanzlei will gegen die Frauen rechtliche Schritte einleiten, die ihn beschuldigen, gegen ihren Willen an ihnen "sexuelle Handlungen vorgenommen zu haben".

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Düsseldorf | Till Lindemann, Sänger der Band Rammstein
Bild: Malte Krudewig/dpa/picture alliance

Rammstein-Sänger Till Lindemann weist die schweren Vorwürfe gegen ihn zurück. Seine Interessen lässt der 60-Jährige nun anwaltlich vertreten. Das gaben die Berliner Rechtsanwalte Simon Bergmann und Christian Schertz am Donnerstag bekannt.

"In den sozialen Netzwerken, insbesondere auf Instagram, Twitter und bei YouTube, wurden von diversen Frauen schwerwiegende Vorwürfe zulasten unseres Mandanten erhoben", heißt es darin. "So wurde wiederholt behauptet, Frauen seien bei Konzerten von Rammstein mithilfe von K.o.-Tropfen beziehungsweise Alkohol betäubt worden, um unserem Mandanten zu ermöglichen, sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen zu können. Diese Vorwürfe sind ausnahmslos unwahr." Die Anwälte kündigten juristische Konsequenzen an. "Wir werden wegen sämtlicher Anschuldigungen dieser Art umgehend rechtliche Schritte gegen die einzelnen Personen einleiten."

Rammstein-Tour geht weiter

Trotz der zahlreichen Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann wegen sexueller Übergriffe läuft die Europa-Tour der Band weiter. Am Mittwoch fand der Auftakt der insgesamt sieben geplanten Deutschlandkonzerte in München statt, wo Rammstein an vier Abenden im Olympiastadion auftreten. Die Tour soll wie geplant weitergehen, solange die Staatsanwaltschaft nicht offiziell gegen die Band und ihren Frontmann ermittelt.

Dieser soll zahlreichen Aussagen Betroffener zufolge gezielt junge Frauen aus dem Publikum hinter die Bühne "bestellt" haben, um dort mit ihnen vor, während und nach der Show Sex zu haben. Manche der Frauen geben an, sie seien unter Drogen gesetzt worden. Die Auswahl der jungen Frauen führte die selbst ernannte "Casting Direktorin" Alena Makeeva durch, die die Mädchen zur vermeintlichen Pre- oder Aftershowparty einlud.

Makeeva entlassen, Kanzlei beauftragt, Awareness-Konzept

Übereinstimmenden Medienberichten zufolge hat sich die Band inzwischen von Makeeva getrennt. Die russische Staatsbürgerin arbeitete seit etwa vier Jahren für die Band. Makeeva soll der Zugang zu den Konzerten zukünftig verwehrt bleiben.

Im Olympiastadion wird die Bühne aufgebaut, man sieht LKW, Gabelstapler und Arbeiter vor leeren Rängen.
Vorbereitungen für die vier Münchener KonzerteBild: Sven Hoppe/dpa

Außerdem hat das Management der Band ein Awareness-Konzept für die Münchner Konzerte angekündigt, teilte ein Sprecher der Olympiapark München GmbH mit. Danach sollen sechs Mitarbeiter in Verbindung mit der Security nach Auffälligkeiten im Stadion Ausschau halten. Zudem soll es einen Safe-Space-Bereich geben, in den sich Betroffene zurückziehen können.

Nachdenklichkeit und "Schockstarre"

Aus dem Umfeld der Band wird von gedrückter Stimmung, Nachdenklichkeit und auch "Schockstarre" berichtet. Unklar scheint bei Beteiligten, wie die Band die Auftritte bei dem öffentlichen Druck schaffen soll. Für die anstehenden Konzerte gibt es bereits Konsequenzen. In der sogenannten "Row Zero", dem Sicherheitsbereich unmittelbar vor der Bühne, sollen keine Gäste-Gruppen mehr sein. Dort waren seit vier Jahren jeweils am rechten und linken Bühnenrand kleine Gruppen meist sehr junger, häufig auffällig gekleideter Frauen zu sehen.

Till Lindemann steht auf der Bühne, schaut nach oben und hält ein Mikrofon in der Hand.
Till Lindemann bei einem Rammstein-Konzert in Hamburg 2022Bild: picture alliance/dpa

Das Konzept für die Aftershowpartys sei ebenfalls geändert, heißt es aus dem Umfeld der Band. Es solle nicht mehr zwei Partys geben - eine große für Fans und Band, eine kleine für Lindemann und die Frauen, bei der die mutmaßlichen Übergriffe stattgefunden haben sollen. Das neue Konzept werde auch Auswirkungen haben auf die Einladung für Rammstein-Fans, die bei solchen Gelegenheiten gern Selfies mit den Musikern schießen. Das sei nun "blöd für alle", wird Lindemann dazu zitiert.

Auch die Politik hat sich eingeschaltet und fordert ein erhöhtes Sicherheitskonzept für die Rammstein-Konzerte sowie für weitere Großveranstaltungen.

Gegen "Patriarchales Mackertum"

Kulturstaatsministerin Claudia Roth verurteilte Übergriffe in der Kultur grundsätzlich: "Patriarchales Mackertum und sexuelle Übergriffe haben in der Musikbranche, wie überhaupt in Kunst und Kultur und auch überall sonst, nichts mehr zu suchen", sagte die Grünen-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Sie begrüße den Mut vieler junger Frauen, offen über ihre teilweise traumatischen Erlebnisse zu sprechen.

Sechs Männer knien am Bühnenrand.
02.06.2023: Rammstein am Ende des Konzerts in Odense, DänemarkBild: Sebastian Dammark/Gonzales Photo/picture alliance

Die deutsche Bundesfamilienministerin Lisa Paus hat von der Musikindustrie konkrete Veränderungen gefordert. "Sexuelle Übergriffe kommen in allen Lebenslagen vor. Auch auf Festivals oder Konzerten treffen sehr viele Menschen an einem Ort aufeinander, dazu kommen oft Alkohol und Drogen, was die Hemmschwelle bei Tätern senkt und die Opfer orientierungslos machen kann." Das sei nicht neu, aber es müsse darüber geredet werden, wie gerade junge Menschen besser geschützt werden könnten.

Sie lade die Musikbranche ein, dem Bündnis "Gemeinsam gegen Sexismus" beizutreten, einem breiten Zusammenschluss aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung, Medien, Kultur und Zivilgesellschaft. Der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV) zeigte sich offen: Der Verband sei mit dem Ministerium im Gespräch, "um diesen wichtigen Prozess gemeinsam voranzubringen", so ein Sprecher.

sw/nf/so (mit dpa)