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Rätselraten um neuen Senat

Friederike Müller12. April 2013

Kameruns Präsident Biya herrscht seit über 30 Jahren. Seine Nachfolge muss geregelt werden, sonst droht Streit zwischen den mehr als 260 Volksgruppen. Zweifelhaft ist, welche Rolle der neue Senat dabei spielen wird.

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Kameruns Präsident Paul Biya auf Staatsbesuch in Paris. Foto: PATRICK KOVARIK/AFP/Getty Images
Bild: Patrick Kovarik/AFP/Getty Images

Der Senat gehört schon seit 17 Jahren zu Kameruns politischen Institutionen. So steht es in der Verfassung von 1996. Doch erst jetzt soll der Senat gewählt werden - und das im Schnellverfahren. Warum so plötzlich? Der Kameruner David Simo lacht, als er die Frage hört. “Nach 17 Jahren kann er doch nur plötzlich kommen!“ Der Wissenschaftler leitet die Abteilung für Germanistik an der Universität Yaoundé 1 und forscht unter anderem zur Wahrnehmung von Staatlichkeit in Kamerun. Er selbst hat keine hohen Erwartungen an den Neuzugang unter Kameruns politischen Institutionen. Eine ähnliche Haltung beobachtet er bei seinen Landsleuten: “Man spürt hier eine gewisse Gleichgültigkeit, denn kaum jemand weiß genau, wozu der Senat gut sein soll.“

Dass die Wahl am Sonntag (14.04.2013) den Menschen nicht so wichtig ist, liegt auch daran, dass das Volk nicht selbst abstimmt. Nur die Gemeinderatsmitglieder aus den zehn Regionen Kameruns wählen über Partei-Listen die Senatoren für diese zweite Abgeordnetenkammer. Das ist in dem zentralafrikanischen Land umstritten, denn die Gemeinderatsmitglieder, die Vertreter in den Senat wählen, sollten gar nicht mehr im Amt sein. Ihr Mandat endete bereits 2012. Doch Präsident Paul Biya verlängerte ihre Amtszeit vergangenen Sommer in einem umstrittenen Dekret. Auch bei der Zusammensetzung des neuen Senats mischt der Staatschef kräftig mit. Denn die Gemeinderäte bestimmen nur 70 der insgesamt 100 Senatoren. Die übrigen 30 ernennt der Präsident persönlich.

Stellt Biya Weichen für die Nachfolge?

Biya gehört zu den dienstältesten Präsidenten Afrikas. Er regiert Kamerun seit über 30 Jahren. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen 2011 konnte er seine Amtszeit um sieben Jahre verlängern, die Opposition warf ihm allerdings Wahlbetrug vor.

Andreas Mehler vom Hamburger GIGA-Institut für Afrika-Studien Foto: Werner Bartsch
Afrika-Experte Mehler sieht Zeichen von VeränderungBild: Werner Bartsch

Biya ist bereits 80 Jahre alt, ein Nachfolger scheint nicht in Sicht. Sollte Biya sterben, übernimmt laut Verfassung der Vorsitzende des Senats übergangsweise das Amt - bis zur Wahl eines neuen Präsidenten. Wurde es daher höchste Zeit für den greisen Machthaber, die zweite Parlamentskammer ins Leben zu rufen?

Afrika-Experte Andreas Mehler vom German Institute for Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg hält das für möglich: “Lange Zeit wollte Biya genau dieses Szenario nicht in der Öffentlichkeit diskutiert sehen. Es wäre ein Zeichen seiner Schwäche gewesen." Das habe sich nun geändert, weil ihm klar geworden sei, dass er nicht ewig leben werde. Ein Standpunkt, den der Kameruner Professor David Simo nicht teilt. “Präsident Paul Biya hat seine Motive noch nie offengelegt. Er kann uns natürlich überraschen, indem er uns dieses eine Mal in seine Karten schauen lässt. Aber das bezweifele ich stark.“

Streitszenarien für Kamerun

Offen ist, wie Kamerun nach der Ära des Präsidenten Paul Biya aussehen könnte. Andreas Mehler befürchtet, dass im schlimmsten Fall ethnische Spannungen gewaltsam ausbrechen könnten, wenn es um die Nachfolge geht. Wichtig sei also, der Politik diesen Zündstoff zu nehmen. “Aber die Einrichtung eines Senats zielt eben nicht in diese Richtung. Nur über ein ethnisch-regionales Ticket wird man überhaupt erst gewählt.“

Mehler befürchtet, dass nur die regional dominanten Mehrheiten repräsentiert werden, nicht aber die Minderheiten. Insofern sehe er viele Anzeichen dafür, dass die politische Szene in Kamerun sehr ethnisiert bleibe und sich möglicherweise mit der Senatswahl verschärfe. Das könne zum Problem werden, wenn Biya wirklich abtrete. Auch David Simo betrachtet diese Entwicklungen mit Sorge. Er setzt auf die kamerunische Mittelschicht, die sich in den letzten Jahren zunehmend entwickelt habe: “Ich wage zu hoffen, dass sie sich im Wettlauf um die Macht als ein Gegengewicht zum Stammeskalkül behaupten kann.“

David Simo ist Germanist an der Universität von Yaoundé Foto: Randy Kühn
Germanist Simo: Sorge um KamerunBild: Randy Kühn/Uni Leipzig

Keine Illusion von Demokratie

Mit der Wahl des neuen Senats werden diese Probleme zunächst nicht gelöst. Denn wie auf der nationalen Ebene dominiert auch lokal die Regierungspartei des Präsidenten Paul Biya „Rassemblement Démocratique du Peuple Camerounais“ (RDPC) die politische Landschaft stark. Sie stellt den größten Teil der Gemeinderäte, die den Senat wählen.

Wenig Hoffnung macht Andreas Mehler die Tatsache, dass die kamerunische Wahlbehörde Elecam einige Listen nicht zur Senatswahl zugelassen hat, weil sie nicht alle erforderlichen Bedingungen erfüllten - darunter auch Listen der Regierungspartei RDPC. “So kann die Bewegung des Präsidenten in zwei Regionen nicht antreten", sagt Mehler. Dadurch werde immerhin ein kleiner Teil der Sitze im Senat an die Opposition gehen. Solche formalen Prozesse gäben zumindest den Anschein von Rechtsstaatlichkeit. “Aber das Ganze findet trotzdem in einem Kontext von autoritärer Herrschaft statt. Insofern sollte man sich keinen Illusionen hingeben.“

Ob Kameruns neuer Senat die typischen Aufgaben einer zweiten Kammer erfüllen kann, ist für Mehler fraglich. In der Regel sollten solche Einrichtungen die Regionen eines Landes repräsentieren oder eine Veto-Möglichkeit zu knappen Mehrheitsentscheidungen der ersten Kammer bieten, erklärt er. "Ob das funktioniert, hängt dann sehr stark vom Demokratieniveau ab", so Mehler und nennt andere Beispiele aus Afrika. "In den Bundesrepubliken Südafrika, Äthiopien oder Nigeria macht das jedenfalls mehr Sinn als in einem Kleinstaat wie Liberia oder auch in autoritär regierten Staaten wie Gabun oder Simbabwe." In diese Kategorie falle auch Kamerun.

Bazar in Kameruns Hauptstadt Yaoundé Foto: Issouf Sanogo/AFP/Getty Images
Bazar in Kameruns Hauptstadt Yaoundé: Senatswahl lässt Menschen kaltBild: Issouf Sanogo/AFP/Getty Images