Putin verspricht Rückeroberung der besetzten Region Kursk
19. Dezember 2024Mehr als vier Monate nach Beginn der ukrainischen Offensive im russischen Gebiet Kursk sieht sich Kremlchef Wladimir Putin unter massivem Handlungsdruck. Auf seiner jährlichen Pressekonferenz zum Jahresende zeigte er sich zuversichtlich, dass seine Truppen die Kontrolle der teilweise von ukrainischen Streitkräften besetzten Grenzregion Kursk wiedererlangen werden. "Wir werden sie unbedingt rausschmeißen", sagte Putin in Moskau. Bis wann dies geschehen werde, könne er allerdings "im Moment leider nicht beantworten", räumte der Präsident ein.
Die von Russland angegriffene Ukraine hatte im August in der russischen Grenzregion Kursk eine überraschende Militäroffensive gestartet und Dutzende Ortschaften besetzt. Die Führung in Kiew wollte so nach eigenen Angaben ihre Position stärken für mögliche Verhandlungen zur Lösung des Konflikts. Die Offensive war jedoch bald ins Stocken geraten und Russland konnte mittlerweile große Teile seines Gebietes wieder zurückerobern.
Bei seiner jährlichen im Staatsfernsehen übertragenen großen Fragerunde äußerte sich Putin auch zur Frage einer Frau aus der Region Kursk. Sie wollte wissen, wann die Bewohner endlich nach Hause zurückkehren könnten und alles wieder aufgebaut werde. Putin versicherte, nach der Befreiung der Region werde der komplette Schaden erfasst. "Alles wird wieder aufgebaut", so der Staatschef. Straßen und die Infrastruktur würden instandgesetzt. Er bat die Menschen in der Region, die ihre Wohnungen verloren haben und in Notunterkünften untergebracht sind, um Geduld.
Bereit zu "Raketenduell" mit den USA
Bei seinem Aufritt schlug der russische Präsident den USA auch ein "Raketenduell" vor, um zu zeigen, dass die neue ballistische Hyperschallrakete Oreschnik von keinem US-Raketenabwehrsystem abgefangen werden könne. "Wir sind zu einem solchen Experiment bereit", betonte Putin. Er sprach sich dafür aus, dass sich beide Staaten auf ein bestimmtes Ziel einigen, das dann von US-Raketen geschützt werden solle. Russland hat die Oreschnik-Rakete erstmals am 21. November auf die Stadt Dnipro in der Ukraine abgefeuert. Der Schaden war allerdings gering.
Die Rakete ist atomar bestückbar. Putin bekräftigte, dass Russland im Notfall auch zum Einsatz von Atomwaffen bereit sei. Die neue Doktrin erlaube es, auch einen Angriff nichtnuklearer Länder, die von Atommächten unterstützt würden, mit einem Atomschlag zu beantworten, wenn die Souveränität Russlands bedroht sei.
Im weiteren Verlauf betonte Putin, der Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad sei keine Niederlage für die russische Armee. Die in Syrien stationierten russischen Truppen seien durch dessen Entmachtung nicht besiegt worden. Man werde nun nachdenken, was mit den russischen Militärbasen in Syrien geschehen solle. Russland habe der neuen Übergangsregierung in Damaskus dazu Vorschläge gemacht. Russland habe auch 4000 iranische Kämpfer aus Syrien evakuiert.
Putin sieht Wirtschaftslage als stabil an
Der russische Präsident zog ungeachtet beispielloser westlicher Sanktionen eine insgesamt zufriedenstellende Wirtschaftsbilanz für das ablaufende Jahr - vor allem im Vergleich zu westlichen Industrienationen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde 2024 um 3,9 Prozent, "vielleicht sogar vier Prozent" wachsen, prognostizierte der Kremlchef. In den vergangenen beiden Jahren habe das BIP sogar um acht Prozent zugelegt. Im gleichen Zeitraum habe Deutschland null Prozent Wachstum gezeigt, unterstrich er.
Schwierigkeiten räumte Putin vor allem bei der Bekämpfung der Inflation ein. "Es gibt hier einige Probleme (...), eine gewisse Überhitzung der Wirtschaft, und die Regierung sowie die Zentralbank sind bereits damit beauftragt, das Tempo zu drosseln", sagte der Kremlchef. Seinen Angaben nach sind die Preise im Jahresverlauf um 9,2 bis 9,3 Prozent gestiegen. Dies hänge aber - etwa bei den Lebensmitteln - damit zusammen, dass der Verbrauch gestiegen sei.
Ökonomen warnen vor einem deutlichen Einbruch der Wachstumsraten im kommenden Jahr. Putin sagte, das erwartete Wachstum der russischen Wirtschaft 2025 liege "irgendwo bei 2 bis 2,25 Prozent". Zugleich sprach er von einer "weichen Landung". Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine hat der Westen gegen Russland zahlreiche Sanktionen verhängt, die das Land aber zumindest teilweise umgehen kann, beispielsweise beim Verkauf von Öl und Gas.
Neben der hohen Inflation macht der russischen Wirtschaft auch der sehr hohe Leitzins Probleme, der bei 21 Prozent liegt. Zuletzt hatte es einen Verfall der Rubel-Währung gegeben, diese verlor im November um rund 15 Prozent an Wert gegenüber dem Dollar. Viele Analysten machten dafür Panikkäufe von Fremdwährungen verantwortlich. Vorausgegangen waren neue US-Sanktionen gegen russische Banken infolge des Angriffskriegs gegen die Ukraine.
Pressekonferenz und Bürgersprechstunde mit Putin
Bei der kombinierten Jahrespressekonferenz und TV-Audienz stellt sich Putin traditionell den Fragen von handverlesenen Journalisten und Bürgern. Das Format dient der Selbstdarstellung. Vorab waren nach offiziellen Angaben über zwei Millionen Fragen, Klagen und sonstige Eingaben eingegangen.
Früher liefen die Pressekonferenz und die Bürgersprechstunde getrennt voneinander. Erstmals 2020 und endgültig 2023 wurden die beiden Formate zusammengeführt. Kremlsprecher Dmitri Peskow begründete dies mit der Zeitnot des Präsidenten. Im ersten Kriegsjahr hatte Putin die Veranstaltung ganz ausfallen lassen. Die vielen Probleme des Landes wie Armut, soziale Not, Klagen über die Gesundheitsversorgung und fehlende Infrastruktur sind immer wieder Themen solcher Fragerunden. Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine beherrscht auch der Krieg die Tagesordnung.
Putin nutzt das Format, um sich als Kümmerer und Problemlöser darzustellen. Fast alle russischen Sender übertragen die Fragestunde live. Im vergangenen Jahr hatte die Show mehr als vier Stunden gedauert.
kle/jj (dpa, rtr, afp)