Putin: Luftabwehr zum Absturz-Zeitpunkt aktiv
28. Dezember 2024Nach dem Absturz einer Passagiermaschine aus Aserbaidschan am Mittwoch sah sich Russland Schuldvorwürfen ausgesetzt. War es tatsächlich ein Vogelschlag, der das Unglück auslöste? So hieß es zunächst von der russischen Zivilluftfahrtbehörde Rosaviatsia. Oder wurde das Flugzeug abgeschossen?
Nun hat Russlands Präsident Wladimir Putin seinen aserbaidschanischen Kollegen Ilham Aliyev angerufen: "Wladimir Putin entschuldigte sich dafür, dass sich der tragische Vorfall im russischen Luftraum ereignete", teilte der Kreml in Moskau nach einem Telefonat der beiden mit. Demnach erklärte Putin auch, dass zu dem Zeitpunkt die russische Flugabwehr im Einsatz gegen ukrainische Drohnenangriffe war. Dass die Flugabwehr das Flugzeug mit einer Rakete getroffen habe, sagte Putin in dieser Deutlichkeit allerdings nicht.
Putin "sprach den Familien der Opfer erneut sein tiefes und aufrichtiges Beileid aus und wünschte den Verletzten eine baldige Genesung", so der Kreml weiter. In dem Gespräch sei festgestellt worden, dass das aserbaidschanische Passagierflugzeug wiederholt versuchte, auf dem Flughafen von Grosny zu landen, der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Tschetschenien. "Gleichzeitig wurden Grosny, Mosdok und Wladikawkas von ukrainischen Kampfdrohnen angegriffen, wobei die russische Luftabwehr diese Angriffe abwehrte."
Nach Angaben aus Baku machte Staatschef Aliyev in dem Telefonat deutlich, dass das Flugzeug zunächst durch "externe physische und technische Störungen" über Russland getroffen wurde. Dies habe zu einem vollständigen Kontrollverlust geführt. Aliyev fügte hinzu, dass die zahlreichen Löcher im Rumpf des Flugzeugs, die Verletzungen der Passagiere und der Besatzung durch Fremdkörper, die während des Fluges in die Kabine eingedrungen sind, sowie die Aussagen der überlebenden Flugbegleiter und Passagiere die Beweise für externe physische und technische Störungen bestätigen.
Auch Selenskyj spricht mit Aliyev
Der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, schrieb seinerseits auf seinem Social-Media-Kanal, er habe ebenfalls mit Aliyev gesprochen und sein Beileid ausgedrückt. Russland müsse Erklärungen geben und damit aufhören, Desinformationen zu verbreiten. Fotos und Videos zeigten eindeutig den Schaden am Flugzeugrumpf, der stark darauf hindeute, dass die Maschine von einer Flugabwehrrakete getroffen worden sei.
In der Mitteilung des Kreml hieß es, russische Ermittler hätten ein Verfahren wegen Verstoßes gegen die Regeln für die Sicherheit des Flugverkehrs eingeleitet. "Die ersten Ermittlungsmaßnahmen sind im Gange, und es werden zivile und militärische Spezialisten befragt."
Ermittler aus Aserbaidschan in Russland
Zudem seien zwei Mitarbeiter der aserbaidschanischen Generalstaatsanwaltschaft in Grosny, wo sie mit Vertretern der russischen Seite zusammenarbeiteten. Auch an der Absturzstelle in der Nähe von Aktau gingen die Arbeiten der Ermittler aus Russland, Aserbaidschan und Kasachstan weiter, hieß es. Die Gesellschaft Azerbaijan Airlines hatte ihrerseits erklärt, "physische und technische Einwirkung von außen" hätten ersten Ermittlungen zufolge den Crash von Flug J2 8243 verursacht.
Die Chefdiplomatin der Europäischen Union, Kaja Kallas, forderte etwa zeitgleich mit den Äußerungen aus Moskau eine rasche, unabhängige internationale Untersuchung. Berichte, dass russisches Feuer den Absturz verursacht haben könnte, erinnerten stark an den Flug MH17, ließ die EU-Außenbeauftragte verlauten.
Die Boeing der Malaysia Airlines wurde am 17. Juli 2014 über dem Donbass-Gebiet von einer russischen Luftabwehrrakete abgeschossen. Alle 298 Menschen an Bord starben.
Vor dem Telefonat der beiden Präsidenten hatte die aserbaidschanische Regierung erstmals öffentlich von einem Waffeneinsatz gegen das in Kasachstan abgestürzte Passagierflugzeug gesprochen. Schäden am Wrack und Zeugenaussagen legten nahe, dass das Flugzeug von außen beschädigt worden sei. Dies sei über dem ursprünglichen Zielflughafen Grosny in Russland geschehen.
Die Embraer E190 von Azerbaijan Airlines mit 67 Menschen an Bord war ursprünglich auf dem Weg von der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku nach Grosny in Tschetschenien. Irgendwann drehte die Maschine mit der Kennung 4K-AZ65 ab, flog trotz ihrer Schäden über das Kaspische Meer. Bei der versuchten Landung in Aktau in Kasachstan stürzte der elf Jahre alte Regionaljet ab, zerriss in mehrere Teile und ging in Flammen auf. 38 Insassen kamen dabei ums Leben. Wie durch ein Wunder überlebten 29 Menschen das Unglück.
AR/wa (dpa, afp)