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Präsidentschaftskandidaten in Belarus leiden unter Finanznot

26. Januar 2006

Die Präsidentschaftskandidaten in Belarus erhalten für ihren Wahlkampf Geld vom Staat. Absichtlich zu wenig, meint die Opposition. Aber andere Finanzquellen sind verboten. Bei Verstoß droht der Ausschluss von den Wahlen.

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Für Wahlwerbung bleibt kaum GeldBild: AP

Jeder Präsidentschaftskandidat in Belarus wird aus dem Staatshaushalt etwa 70 Millionen belarussische Rubel (ca. 25.000 Euro) erhalten. Das teilte die Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission Lidija Jermoschina mit. Sie machte ferner darauf aufmerksam, dass es den Kandidaten untersagt ist, eigene Mittel sowie Geld von politischen Parteien, gesellschaftlichen Vereinigungen und Bürgern zu verwenden. Jeder, der sich mit Wahlen auskennt, weiß, dass mit 25.000 Euro kein vollwertiger Wahlkampf geführt werden kann. Und das bedeutet, dass die Kandidaten gezwungen sind, andere Finanzquellen zu nutzen, die aber nun untersagt wurden. Verstöße gegen das Gesetz können dazu führen, dass der entsprechende Kandidat von den Wahlen ausgeschlossen wird.

Kosten nicht gedeckt

Walerij Uchnaljew vom Wahlstab des oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Aleksandr Milinkewitsch meint, dass man mit den 70 Millionen Rubel nur wenig anfangen könne. Er sagte der Deutschen Welle: „Für das Geld kann man 50.000 bunte DinA3-Plakate und 450.000 DinA4-Broschüren drucken.“ Uchnaljew betonte, das vom Staat zur Verfügung gestellte Geld könnte nur für Druckerzeugnisse reichen. Die Mieten für Räumlichkeiten, Transportkosten und andere Ausgaben könnten damit nicht gedeckt werden.

Aus der Zentralen Wahlkommission verlautete, dass staatliche Räumlichkeiten den Kandidaten kostenlos zur Verfügung gestellt würden. Allerdings, so Uchnaljew, habe die Erfahrung aus bisherigen Wahlkämpfen gezeigt, dass solche Räumlichkeiten meist angeblich bereits belegt seien. Er sagte: „Das bedeutet, dass man beispielsweise das Kulturhaus des Automobilwerks mieten muss, aber Geld ist dafür nicht vorgesehen.“

Opposition benachteiligt

Wladimir Gontscharik, der bei den Wahlen 2001 als einziger Kandidat von der Opposition antrat, unterstrich gegenüber der Deutschen Welle: „Eine solche Summe wird nur deswegen zur Verfügung gestellt, damit nur der eine, allen bekannte Kandidat gewinnt.“ Gontscharik erinnerte daran, dass im Unterschied zum Jahr 1994, als Aleksandr Lukaschenko die Wahlen gewann, heute keine Fernsehdebatten mehr durchgeführt werden. Der Opposition sei der Zugang zu den staatlichen Medien völlig verwehrt. Er unterstrich: „Wenn Lukaschenko unter den heutigen Bedingungen kandidieren würde, als gewöhnlicher Kandidat, dann würde er niemals siegen.“

Unterstützung über Umwege

Sergej Loschkin, der im letzten Präsidentschaftswahlkampf als PR-Fachmann tätig war, bezeichnete im Gespräch mit der Deutschen Welle die Summe von 70 Millionen Rubel als lächerlich. Er betonte: „Das zwingt die Kandidaten, ein ‚Schattenbudget‘ zu nutzen.“ Dabei müsse es sich nicht unbedingt um Geld handeln. Beispielsweise erhielten gesellschaftliche Organisationen Zuschüsse für ihre Tätigkeit, die angeblich nicht auf einen konkreten Kandidaten abziele, faktisch aber ihn unterstütze, so Loschkin. Der PR-Fachmann meint, das Wahlgesetz in Belarus sei sehr streng: „Weltweit ist es üblich, dass Kandidaten eine Wahlkasse einrichten. Wenn ein Kandidat uninteressant ist, dann kann er nicht viel Geld sammeln und den Wahlkampf auch nicht gewinnen.“

Lage bereits entschieden

Die Politikwissenschaftlerin Swetlana Naumowa ist der Ansicht, dass Geld im jetzigen Wahlkampf keine entscheidende Rolle spielt. Sie sagte der Deutschen Welle: „Natürlich, mit 25.000 Euro können sie nicht einmal die Bürger informieren. Aber auch wenn irgendein Gegenkandidat 100 Mal mehr Ressourcen hätte, würde dies nicht helfen.“ Naumowa meint, die belarussische Gesellschaft sei ziemlich politisiert und polarisiert. Deswegen sei es unmöglich, in den zwei Monaten bis zu den Wahlen die Situation grundlegend zu verändern.

Sergej Pantschenko

DW-RADIO/Russisch, 23.1.2006, Fokus Ost-Südost