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KriminalitätGriechenland

Prozessauftakt um Mord an griechischem Journalisten Karaivaz

Kaki Bali (aus Athen)
27. Juni 2024

Das Verfahren um den Mord an Giorgos Karaivaz verspricht einer der spektakulärsten Mordprozesse Griechenlands zu werden. Es geht um organisierte Kriminalität, mafiöse Strukturen und Pressefreiheit.

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Ein Blumenstrauß aus weißen Margariten ist an einem Jägerzaun in der Nähe es Tatorts befestigt
Ein Blumenstrauß am Tatort in Athen, wo der Polizeireporter Giorgos Karaivaz ermordet wurdeBild: Giannis Panagopoulos/ANE/Eurokinissi/picture alliance

Drei Jahre ist es her, dass der griechische Polizeireporter Giorgos Karaivaz ermordet wurde. Am 9.04.2021 wurde er in Athen auf offener Straße niedergeschossen, als er von der Arbeit im Sender Star TV nach Hause kam. Zwei Männer auf einem Motorrad sollen ihn ermordet haben. Vor 14 Monaten wurden zwei Brüder im Alter von 41 und 39 Jahren festgenommen, denen der Mord zur Last gelegt wird. Am Mittwoch (26.06.2024) begann in Athen der Prozess gegen sie.

Der Gerichtssaal war voll mit Verwandten des Ermordeten, mit Journalisten und ein paar dunklen Gestalten. Vor dem Gebäude standen überall bewaffnete Polizisten. Die Szenerie hatte etwas Erschreckendes, vor allem für die Geschworenen. Viele in Griechenland halten dieses Verfahren für einen der wichtigsten Prozesse im Zusammenhang mit der griechischen Mafia - und fast niemand vertraut der Polizei. 

Ein Ermittler in weißem Overall mit weißer Atemschutzmaske zeigt einem anderen Mann in dunkler Kleidung, der eine schwarze Atemschutzmaske trägt, etwas auf dem Boden. Im Hintergrund sind vor einem schwarzen Auto zwei weitere Männer in dunklen Jacken, ebenfalls mit Atemschutzmasken, zu sehen
Der Tatort im Athener Stadtviertel Alimos. Hier wurde Karaivaz neben seinem Auto am hellichten Tag erschossenBild: Giannis Panagopoulos/ANE/Eurokinissi/picture alliance

Doch die Verhandlung dauerte nur eine halbe Stunde. Dann vertagte das Gericht das Verfahren auf den 5. Juli. Der Anwalt der Witwe des Journalisten hatte die Verschiebung beantragt. Er begründete dies damit, dass er von dem Anwalt, der vor ihm den Fall bearbeitet hatte, nicht vollständig informiert worden sei. "Die Beweise, die wir vorlegen werden, werden den Verlauf des Falles verändern", kündigte er an. Die beiden angeklagten Brüder bestreiten den Tatvorwurf und behaupten, sie hätten mit der Ermordung des Journalisten absolut nichts zu tun.

Eine Million für einen Auftragsmord?

Erst einen Tag vor dem Prozessbeginn wurde bekannt, dass bei der Überprüfung der Bankkonten der beiden Angeklagten Geldeingänge in Höhe von einer Million Euro festgestellt wurden. Nach Vermutung der Staatsanwaltschaft handelt es sich bei dem Geld um die Bezahlung für den Auftragsmord an Giorgos Karaivaz. Die Beträge scheinen aus einem Land der Europäischen Union überwiesen worden zu sein, mit dem ein Rechtshilfeabkommen besteht. 

Die Strafverfolgungsbehörden haben bereits einen Antrag auf Unterstützung gestellt, damit die griechischen Behörden über die Daten des Kontoinhabers informiert werden, der das Geld eingezahlt hat. Die Staatsanwaltschaft spekuliert, dass diese Person entweder selbst Drahtzieher des Mordes ist oder zu denjenigen führen wird, die den Mordauftrag gegeben haben. Solche Verfahren sind zeitaufwändig, wie erfahrene Polizeibeamte bestätigen.

Dennoch stellt sich die Frage, warum die Überprüfung der Bankkonten der beiden Verdächtigen um ein Jahr verzögert wurde. Fraglich ist auch, warum die Justizbehörden nicht nachgeforscht haben, wer der Kontoinhaber ist, der die Überweisungen vorgenommen hat, um ihn zusammen mit den beiden Brüdern vor Gericht zu stellen.

Drahtzieher und Hintermänner

Für Polizei und Justiz ist es von entscheidender Bedeutung, die Person zu identifizieren, die den Auftrag zur Ermordung von Giorgos Karaivaz gab. Musste der bekannte Journalist sterben, weil er mit seinen Recherchen die Elite der Organisierten Kriminalität in Griechenland gestört hatte? Oder wurde er ermordet, weil er zu viel über die Beziehungen zwischen der Polizei und der griechischen Mafia wusste? Gab es vielleicht einen anderen Grund? Wenn man endlich herausfindet, wer eine Million Euro gezahlt hat, um Karaivaz aus dem Weg zu räumen, wird man auch erfahren, warum.

Ein gezeichnetes Portrait des 2021 in Athen ermordeten Journalisten Giorgos Karaivaz in einem goldenen Rahmen lehnt an der Wand seines Hauses in Athen
Eine Zeichnung des ermordeten Journalisten Giorgos Karaivaz vor seinem HausBild: Angelos Tzortzinis/AFP via Getty Images

"Ich möchte, dass diejenigen gefunden werden, die den Befehl gegeben haben", sagte Karaivaz' Mutter mit Tränen in den Augen zu den TV-Journalisten, die außerhalb des Gerichtsgebäudes warteten. Auch Maria Antoniadou, Präsidentin der Journalistengewerkschaft  ESIEA besteht darauf, dass die Drahtzieher des Mordes gefunden und verhaftet werden.

"Wir wollen alle daran erinnern, dass seit der Ermordung von Giorgos Karaivaz drei Jahre vergangen sind und der Fall für Journalisten auf der ganzen Welt nach wie vor von größter Bedeutung ist und dies auch bleiben wird, bis die Verantwortlichen verurteilt sind", sagte Antoniadou der DW. Einer der Gründe warum Griechenland europäisches Schlusslicht in der Liste der Pressefreiheit ist, die von Reporter ohne Grenzen herausgegeben wird, ist der noch immer ungeklärte Mord an dem investigativen Journalisten Karaivaz.  

Die Zeit ist knapp

Die Präsidentin von ESIEA warnte auch vor der Gefahr, dass die mutmaßlichen Mörder bald freigelassen werden könnten. Denn in Griechenland darf die Untersuchungshaft eine Frist von 18 Monaten nicht überschreiten. Im Falle der beiden angeklagten Brüder läuft sie im Oktober 2024 aus. Wenn der Prozess nicht zügig vorangeht, wird diese Frist zu einem riesigen Problem - und vielleicht zu einer Gefahr für Zeugen und Geschworene. 

Ein schwarzgekleideter Polizist mit einer schwarzen Atemschutzmaske steht hinter einem Absperrband der Athener Polizei, im Hintergrund wird ein schwarzes Fahrzeug auf einen Transporter geladen.
Ein Polizist sichert den Tatort in Athen. Im Hintergrund wird das Auto des ermordeten Reporters sichergestelltBild: Panayiotis Tzamaros/AP/picture alliance

Der Gerichtsakte zufolge waren die mutmaßlichen Täter Profis. Zur Umsetzung ihres Plans nutzten sie einen Roller und einen Transporter. Sie hatten die Gegend im Athener Stadtteil Alimos, wo Karaivaz wohnte, ausgekundschaftet und ihre Fluchtroute gut geplant. Sie kannten auch seine Bewegungen genau, seine Abfahrtszeiten am Morgen, seine Arbeitszeiten beim Fernsehsender STAR, usw.

"Nachdem sie den genauen Ort seines Wohnsitzes, den Tagesablauf seiner Arbeit und die genauen Zeiten für den Weg zum Ort seiner Arbeit und für die Rückkehr zu seinem Wohnort kannten, beschlossen und organisierten sie den Mord", heißt es in der Anklageschrift gegen die beiden Brüder. Ziel des Prozesses sei es, Beweise über die bislang unbekannten Drahtzieher ans Licht zu bringen. Es wird geschätzt, dass der kaltblütige Mord an Giorgos Karaivaz einer der teuersten Mordaufträge der griechischen Mafia war.

Foto-Porträt einer Frau mit braunen Haaren, blauen Blazer und grauem T-Shirt
Kaki Bali DW-Korrespondentin in Griechenland