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Protest in Budapest gegen "Propaganda" in staatlichen Medien

6. Oktober 2024

Tausende Bürger haben in der ungarischen Hauptstadt Budapest gegen die Vereinnahmung der staatlichen Medien durch die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban demonstriert.

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Ungarische Oppositionsanhänger protestieren mit zahlreichen Fahnen des Landes
Ein ungarisches Fahnenmeer in Budapest: Ein Bürgerprotest gegen die staatlichen MedienBild: Bernadett Szabo/REUTERS

Vor dem Sitz des staatlichen Fernsehens in der ungarischen Hauptstadt Budapest versammelten sich Tausende Menschen und protestierten gegen das, was sie als "Propagandamaschine" der Regierung betrachten. Die regierungskritischen Demonstrierenden kritisierten, dass der staatliche Sender MTVA einseitige Propaganda betreibe, in der nur Politiker der Partei und der Regierung des rechtsnationalistischen Ministerpräsidenten Viktor Orban zu Wort kommen würden. Sie forderten zugleich unabhängige öffentlich-rechtlichen Medien.

Bei der Kundgebung waren Transparente mit Forderungen wie "Unabhängige öffentliche Medien" und "Nicht links, nicht rechts, bloß ungarisch" zu sehen. Zahlreiche Protestierende schwenkten die Fahne Ungarns. Teilnehmer riefen Parolen wie "Wir haben keine Angst" und "Wir haben genug".

Orbans Hauptrivale: Peter Magyar

Die Demonstration war von der Tisza-Partei des redegewandten Oppositionsführers Peter Magyar organisiert worden, der sich zum wichtigsten innenpolitischen Rivalen Orbans entwickelt hat. In den vergangenen Monaten hat er auch an Popularität gewonnen. "Wir haben genug von der Bosheit, den Lügen und der Propaganda, unsere Geduld ist am Ende", sagte Magyar in einer Rede bei der Kundgebung mit Blick auf die staatlichen Medien. Der Oppositionspolitiker hat sich zum Ziel gesetzt, die öffentlich-rechtlichen Medien wieder aufzubauen und die demokratischen Kontrollmechanismen wiederherzustellen, die nach Ansicht von Kritikern unter Orban ausgehöhlt wurden.

Peter Magyar spricht bei der Protestkundgebung in Budapest
Der Oppositionspolitiker Peter Magyar in BudapestBild: Bernadett Szabo/REUTERS

MTVA gilt als Sprachrohr des Regierungschefs. Der Sender äußert sich nur selten kritisch über die Regierung, attackiert aber hingegen regelmäßig in harten Worten die politischen Gegner Orbans, der seit 2010 an der Macht ist. Viele der privaten und unabhängigen ungarischen Medien haben in den vergangenen Jahren entweder dicht gemacht oder einen regierungsnahen Kurs eingeschlagen. Die öffentlich-rechtlichen Medien wiederum wurden von Orbans Fidesz-Partei auf eine regierungsfreundliche Linie gebracht.

Die Regierung bestreitet, die Pressefreiheit zu untergraben. Die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für Meinungsfreiheit und Meinungsfreiheit Irene Khan, sagte hingegen, es gebe "ein verzerrtes Medienumfeld in Ungarn, in dem Pluralismus, Vielfalt und Unabhängigkeit der Medien in Frage gestellt werden."

EU-Kommission will Ungarn erneut verklagen

Kritik am Zustand des Rechtsstaats in Ungarn äußerte zuletzt auch die EU-Kommission. Vor vier Tagen kündigte sie an, Ungarn erneut wegen mutmaßlicher Verstöße gegen europäisches Recht vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. Grund sei diesmal das nationale Gesetz über die "Verteidigung der Souveränität", teilte die Brüsseler Behörde mit. Sie sieht darin unter anderem Verstöße gegen Grundsätze der Demokratie, der freien Meinungsäußerung und der Vereinigungsfreiheit. Konkret geht es den Angaben zufolge auch um die Achtung des Privat- und Familienlebens und das Recht darauf, vertraulich mit Anwältinnen und Anwälten sprechen beziehungsweise schreiben zu können. 

Ungarn: Gegenwind für Viktor Orban

Mit dem im Dezember verabschiedeten Gesetz wurde ein neues "Amt für Souveränitätsschutz" eingerichtet, das eventuelle Bedrohungen Ungarns aus dem Ausland überwachen soll. Das bereits geltende Verbot der Parteienfinanzierung aus dem Ausland wurde damit auf Vereine und andere Organisationen ausgeweitet. Verantwortlichen dieser Organisationen, die versuchen, Finanzquellen aus dem Ausland zu verschleiern, drohen zudem drei Jahre Freiheitsentzug.

Scharfe Kritik aus Europa

"Das Gesetz verleiht dem Amt einen sehr weiten Ermessensspielraum für die Ermittlungen - insbesondere, was den Zugang zu Informationen betrifft -, und gestattet es dem Amt, in die Ermittlungstätigkeit anderer Behörden einzugreifen", teilte die Kommission mit. Die Befugnisse und der große Ermessensspielraum würden Folgen etwa für Nichtregierungsorganisationen, Medien und Journalisten haben und wohl nicht verhältnismäßig sein. 

Der Grünen-Europa-Abgeordnete Daniel Freund sagte, das Gesetz "stammt aus dem Lehrbuch Wladimir Putins und kommt ganz konkret gegen die Zivilgesellschaft in Ungarn zum Einsatz". Die ehemalige deutsche Justizministerin Katarina Barley merkte an: "Das System Orban macht Ungarn zum Trojanischen Pferd von Russland und China in der EU."

kle/sti (afp, rtre)