Missbrauch: zwölf Jahre Haft für Priester
25. Februar 2022Die Anklage hatte dem 70-jährigen Priester unter anderem sexuellen Missbrauch in 118 Fällen an neun Mädchen vorgeworfen. Das Landgericht Köln sprach den Mann, der früher als Seelsorger in Gummersbach, Wuppertal und Zülpich tätig war, schuldig, insgesamt 72 Mal minderjährige Mädchen missbraucht zu haben - davon in 23 Fällen schwer. Das jüngste Opfer war ein neun Jahre altes Mädchen. Außerdem habe er 15 Mal einen Jugendlichen missbraucht sowie mehrere sexuelle Übergriffe begangen.
Der Pfarrer muss außerdem drei Nebenklägerinnen Schmerzensgeld in Höhe von 5000, 10.000 und 35.000 Euro zahlen. Der Verteidiger hatte auf eine maximale Strafe von acht Jahren plädiert, die Staatsanwaltschaft hatte 13 Jahre gefordert. Wenn das Urteil rechtskräftig wird, gilt der Priester als Serienstraftäter. Das Gericht sah Wiederholungsgefahr.
Während des Prozesses hatten sich weitere Opfer gemeldet, woraufhin die Anklage erweitert wurde und der Priester in Haft kam. In dem seit November laufenden Prozess wurde deutlich, dass der Priester stets ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis auszunutzen verstand. Er missbrauchte den Zeugenaussagen zufolge zum Beispiel ein Mädchen, das in einer Ferienfreizeit Heimweh hatte. In einem anderen Fall erweckte er den Eindruck, sich um die Tochter einer alkoholkranken Mutter kümmern zu wollen. Als Krankenhausseelsorger baute er zu einer Familie ein besonderes Vertrauensverhältnis auf.
Namhafte Zeugen
Mit der Urteilsverkündung endete der Prozess nach drei Monaten. Als Zeugen sagten auch prominente Kirchenvertreter wie der heutige Hamburger Erzbischof und frühere Personalchef des Erzbistums Köln, Stefan Heße, sowie der ehemalige oberste Kölner Kirchenrichter, Günter Assenmacher, aus. Beide hatten in den Jahren 2010 und 2011 mit dem Geistlichen zu tun, als eine erste Anzeige wegen Missbrauchs gegen ihn vorlag.
Amtsträger des Erzbistums Köln haben in dem Prozess jede Mitverantwortung bestritten. "Wir haben konsequent gehandelt", beteuerte etwa Erzbischof Stefan Heße in seiner Zeugenvernehmung. Der Vorsitzende Richter Christoph Kaufmann hat seine Irritation über die Haltung der katholischen Verantwortungsträger teilweise offen gezeigt. So fragte er den ebenfalls als Zeuge geladenen ehemaligen Kirchenrichter Assenmacher, warum dieser keine eigene Recherche unternommen habe, um dem Fall auf den Grund zu gehen. Man könne einen Missbrauchsfall schwerlich durch Herumblättern in der Personalakte aufdecken, hielt er ihm vor. Assenmacher antwortete, weitergehende Untersuchungen seien nicht seine Aufgabe gewesen.
Keine Meldung an den Vatikan
Das Erzbistum Köln hatte den Priester zunächst beurlaubt. Nachdem die Anzeige jedoch zurückgezogen worden war, durfte er wieder als Krankenhauspfarrer arbeiten. Die Kirchenverantwortlichen ergriffen keine weiteren Maßnahmen und meldeten die Vorwürfe auch nicht an den Vatikan.
2018 rollte die mittlerweile gegründete Interventionsstelle der Erzdiözese den Fall erneut auf. Seit 2019 ist dem Angeklagten die Ausübung der priesterlichen Dienste untersagt. Weil seine unmittelbaren Vorgesetzten in den Gemeinden nichts von seiner Vorgeschichte wussten, hatte er bis kurz vor diesem Verbot in seiner Funktion als Seelsorger Kontakt mit Kindern und Jugendlichen.
kle/pg (kna, dpa)