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Power-Frau der Kirche

28. Oktober 2009

Was würde Martin Luther dazu sagen, dass fast 500 Jahre nachdem aus seiner Reformation die evangelische Kirche entstand, nun eine Frau die Geschicke in 22 evangelischen Landeskirchen leitet? Klaus Krämer kommentiert.

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Bild: DW

Luther, der selber immer für eine Überraschung gut war, würde vermutlich auch die Wahl von Margot Käßmann gefallen. Immerhin schuf er durch seine Heirat den "Beruf" der evangelischen Pfarrfrau – für das 16. Jahrhundert eine Sensation.

Wer seit Sonntag (25.10.09) die Synoden-Tagung in Ulm verfolgte, für den war es kaum noch eine Überraschung, dass die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann das Rennen um die Nachfolge des Berliner Bischofs Wolfgang Huber gemacht hat, - obwohl auch das eine Sensation ist. Bereits bei der Bewerbungsvorstellung zur Kandidatur für den fünfzehnköpfigen Rat, dem höchsten Leitungsgremium des Dachverbandes, machte sie mit Abstand die beste Figur, bekam den meisten Applaus. Bei der anstehen Wahl in den EKD-Rat wurde sie am Dienstag als Einzige im ersten Wahlgang gewählt und mit weit mehr Stimmen bedacht als jeder andere der 21 Kandidaten – ein deutliches Indiz dafür, dass auch eine Mehrheit bei der Wahl zum Ratsvorsitz zustande kommen würde.

Aufbruch zu neuen Ufern

Die Landesbischöfin von Hannover, Margot Käßmann (Foto: dpa)
Die neue EKD-Vorsitzende: Margot KäßmannBild: dpa

Dass die zierliche 51-jährige Bischöfin dann am Mittwoch tatsächlich 132 von 142 Stimmen bekam, macht deutlich, dass das Kirchenparlament auf Kontinuität für die Zukunft setzt. Der im Wesentlichen unter ihrem Vorgänger, Bischof Huber, eingeschlagene Weg einer Erneuerung des volkskirchlichen Protestantismus ist unter Margot Käßmann garantiert. "Kirche der Freiheit" heißt dieser Reformprozess, der seit drei Jahren der sinkenden Akzeptanz und den steigenden Kirchenaustrittszahlen entgegengesetzt wird. Mit einem Impulspapier, einem Zukunftskongress, einer Zukunftswerkstatt und mit übers Land verteilten Kompetenz-Zentren hat die evangelische Kirche einen nicht mehr rückgängig zu machenden Aufbruch begonnen. Sie möchte jene Menschen und Milieus erreichen, zu denen sie schon längst den Kontakt verloren hat. Zu den Vordenkern dieser Konzeptionen und Neuorientierungen gehört selbstverständlich auch Margot Käßmann.

Bodenständig und offen für die Probleme anderer

Bereits seit Jahren ist die Bischöfin der größten Landeskirche neben Huber das evangelische Gesicht. Im Gegensatz zu ihrem bisweilen intellektuell bis oberlehrerhaft wirkenden Vorgänger wirkt Käßmann, die Tochter eines Automechanikers aus Nordhessen, bodenständig, wohltuend "geerdet", den Menschen zugewandt. Mit ihrer positiven seelsorgerlichen Art versteht die Mutter von vier inzwischen erwachsenen Töchtern die Menschen mit ihren Sorge und Nöten. Vielleicht wirkt sie gerade deshalb so echt, weil sie in ihrem Leben selber Brüche bewältigen musste und damit offensiv in der Öffentlichkeit umging.

Mehr Frauenpower für die evangelische Kirche

Den Begriff einer "protestantischen Päpstin" mag sie nicht. Bereits vor sechs Jahren konstatierte Margot Käßmann nüchtern und zugleich selbstbewusst, dass alle Ämter in der evangelischen Kirche selbstverständlich auch von Frauen besetzt werden können. Das mag problemlos sein für ihr Wirken innerhalb der eigenen konfessionellen Grenzen. Doch ihr Amt erfordert es, dass sie auf einem ihrer Spezialgebiete, der ökumenischen Ebene, mit der katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen im Gespräch bleiben muss. Gleiches gilt für den interreligiösen Dialog mit den Muslimen. Ob dort ein weiblicher evangelischer Chef, aufgrund des Geschlechts, noch dazu geschieden, die gleiche Akzeptanz erfährt, wie ein männlicher Vertreter, ist zumindest fraglich. Vielleicht jedoch bringt die Frau an der Spitze der evangelischen Kirche gerade mit Blick auf die katholische Kirche aber auch einiges in positive Unruhe. Nicht wenige Frauen im von Männern dominierten Katholizismus sind von der Vita der evangelischen Bischöfin beeindruckt und wünschen sich Gleiches. Vielleicht stärkt die Wahl der EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann deren Kampfesmut, wenn es um das Durchsetzen größerer eigener Rechten geht. Auch das würde dem Reformator Martin Luther vermutlich gefallen.

Autor: Klaus Krämer

Redaktion: Sabine Oelze