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SportGlobal

Post-Olympic Blues: Wenn nach Olympia das mentale Loch kommt

15. August 2024

Viele Olympia-Athletinnen und -Athleten klagen nach den Spielen darüber, dass sie antriebslos und niedergeschlagen sind. Die gute Nachricht: Meistens geht es auch wieder vorbei.

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Schatten einer Hochspringerin, auf der Matte sind die Olympischen Ringe gedruckt
Wenn Olympia vorbei ist, fallen viele Aktive in ein mentales LochBild: Gero Breloer/dpa/picture alliance

Man muss keine Sportlerin oder ein Sportler bei den Olympischen Spielen in Paris gewesen sein, um so etwas wie den Post-Olympic Blues zu erleben. "Es kann jedem passieren, der etwas emotional Wichtiges macht", sagt Jens Kleinert vom Psychologischen Institut der Deutschen Sporthochschule Köln. "Ich baue zum Beispiel über ein oder zwei Jahre mein Haus und packe unheimlich viel Energie hinein - auch emotionale Energie, weil es für mich so viel bedeutet. Dann ist das Haus plötzlich fertig. Und alle wundern sich, dass ich mich gar nicht so richtig darüber freuen kann, sondern sage: Irgendwie fühle ich mich gerade total kaputt und leer."

Phelps: "Ich wollte nicht mehr am Leben sein"

So ergeht es vielen Aktiven nach dem Abschluss der Olympischen Spiele. Sie fallen in ein mentales Loch. Selbst der frühere US-Schwimm-Superstar Michael Phelps, mit 23 Goldmedaillen der erfolgreichste Olympionike aller Zeiten, durchlebte nach eigenen Worten den Post-Olympic Blues - und das massiv. Nach den Spielen 2012 in London habe er vier Tage lang sein Zimmer nicht verlassen, sagte Phelps. "Ich wollte keinen Sport mehr treiben. Ich wollte nicht mehr am Leben sein."

US-Schwimmer Michael Phelps ballt nach einem Sieg in einem Olympia-Wettkampf 2016 in Rio im Becken die Faust
Im Schwimmbecken war Michael Phelps fast unschlagbar - doch hinterher kamen die DepressionenBild: Adam Pretty/Getty Images

Auch die deutsche Fahnenträgerin bei der Eröffnungsfeier in Paris, Anna-Maria Wagner, litt nach den Spielen 2021 in Tokio an dem post-olympischen Syndrom. "Ich habe viel geweint, ohne Grund", sagte die Judoka der DW. "Ich war einfach nicht gut drauf."

Emotionaler Tank ist leer

Olympische Spiele seien für die Athletinnen und Athleten eine "emotional aufreibende Phase", erklärt Sportwissenschaftler Kleinert: "Sie wissen: 'Ich kann nur alle vier Jahre oder vielleicht sogar nur einmal im Leben dorthin.' Das ist für die Aktiven extrem bedeutend. Das emotionale System fährt in dieser Zeit und auch davor auf Hochtouren. Dann fällt man unter Umständen hinterher in ein Loch - weil der emotionale Tank leer ist."

Malaika Mihambo schaut während des olympischen Wettkampfs in Pairs mit skeptischer Miene auf die Anzeigetafel
Auch Top-Weitspringerin Malaika Mihambo - Gold in Tokio, Silber in Paris - durchlitt nach eigenen Worten schon mal den Post-Olympic BluesBild: Axel Kohring/Beautiful Sports/IMAGO

Die gute Nachricht sei, dass nur in Ausnahmefällen klinische, also behandlungsbedürftige Symptome aufträten, so Kleinert: "Das emotionale System braucht eine Zeit lang, um sich zu regenerieren, um aufzutanken. Und dann gibt sich das in der Regel auch wieder."

Kein Riesending

Dänische Forschende ermittelten in einer 2023 veröffentlichten Studie, dass 27 Prozent der Aktiven im dänischen Olympia- und Paralympics-Team nach den Spielen in Tokio unter depressiven Verstimmungen litten. Dieser auf den ersten Blick hoch erscheinende Wert sei aus psychologischer Sicht nicht überraschend, erklärt Jens Kleinert: "Solche Stimmungslagen können in jeder emotional belastenden Situation auftreten. So hat auch nach schweren Verletzungen jeder Fünfte das gleiche Problem. Sportpsychologinnen und Sportpsychologen müssen ein Auge darauf haben, aber wir müssen auch aufpassen, dass wir daraus nicht ein Riesending machen. Das Ganze wird gerade ein bisschen aufgebauscht."

Zurück und nach vorne schauen, Tank auffüllen!

Können denn die Sportlerinnen und Sportler selbst etwas tun, damit sie nach einem Großereignis wie den Olympischen Spielen nicht in ein Loch fallen? "Man kann sich überlegen: Wie sieht mein Leben in den ersten Wochen nach den Spielen aus? Was könnten interessante Aufgaben oder neue Perspektiven sein?", rät Kleinert.

Porträt von Jens Kleinert, Professor an der Deutschen Sporthochschule Köln
Professor Jens Kleinert von der Sporthochschule Köln rät, sich schöne Dinge vorzunehmenBild: Deutsche Sporthochschule Köln

"Es kann aber auch hilfreich sein, zurückzublicken und die schönen Momente der Olympischen Spiele noch einmal zu reflektieren. Also: Zurückschauen, nach vorne schauen und den emotionalen Tank wieder auffüllen! Mit Dingen, die einem Freude machen, auch außerhalb des Sports." Und der erwähnte Hausbauer könnte, um aus seinem mentalen Loch herauszukommen, vielleicht mal wieder Sport treiben.

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter