Positive Bilanz für Mr. Euro
30. Oktober 2003Als Wim Duisenberg am 9. Juni 1998 erstmals in seiner Funktion als Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) vor die gespannt wartende Presse trat, war dieser Auftritt noch überschattet vom politischen Gezerre um seine Ernennung. Offiziell war Willem Frederik Duisenberg, so sein voller Name, für acht Jahre gewählt. Doch Frankreich war kein Freund des promovierten Volkswirts und vormaligen niederländischen Finanzministers. Paris wollte so bald wie möglich seinen eigenen Kandidaten an die Spitze der EZB-Zentrale in Frankfurt am Main entsenden.
Der heute 68-jährige Duisenberg erklärte sich nach hartem Ringen in einer persönlichen Erklärung zum vorzeitigen Rücktritt aus Altersgründen bereit. Als Nachfolger wurde bereits damals der französische Notenbank-Chef Jean-Claude Trichet benannt. Duisenberg sollte ursprünglich bis 2002 das Amt übernehmen; die Übergabe zog sich aber wegen der Verstrickung Trichets in einen französischen Finanzskandal bis 2003 hin.
Größte Währungsumstellung aller Zeiten
Der Niederländer übernahm 1998 eine schwierige Aufgabe, hatte er doch die größte Währungsumstellung aller Zeiten zu verantworten. 12 Länder gaben ihre nationalen Währungen zugunsten des Euro auf. Sie erklärten sich zudem bereit, ihre Geldpolitik in die Hände des so genannten Eurosystems zu legen, an dessen Spitze die von Duisenberg geführte EZB steht (siehe angehängtes Stichwort).
Spott und Häme blieben nicht aus. Sie kamen häufig aus Nicht-Euro-Ländern. "Euro Dead" titelte etwa das britische Boulevard-Blatt "Sun" Anfang 2000. "Dim Wim", was so viel bedeutet wie "einfältiger Wim", nannte die Zeitung den Währungsfachmann an anderer Stelle.
Auch von Finanzmarkt-Experten kamen anfangs kritische Worte. "Ich erinnere da an die Sache, als der Euro recht schwach war und Duisenberg sagte, Interventionen bringen nichts. Daraufhin ist der Euro erst recht kollabiert", sagt der Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert.
Kritiker sind verstummt
Heute sind die kritischen Stimmen über die Amtsführung des Niederländers verstummt. Missverständnisse zwischen Duisenberg und den Bankern, Brokern und Volkswirten auf den Finanzmärkten gibt es nicht mehr, sagt Christian Reichert von der DZ Bank in Frankfurt. "Inzwischen wird ja kaum ein Marktteilnehmer die EZB als Institution oder Wim Duisenberg als ihren Chef kritisieren wollen, man kann ihm deshalb ein gutes Urteil aussprechen", so Reichert.
Die wichtigste Aufgabe der EZB hat Duisenberg zielstrebig umgesetzt: Er hielt die Teuerungsrate bei etwa zwei Prozent und die Preise weitestgehend stabil. Auf diese Weise erarbeitete er der Zentralbank das Vertrauen vieler Menschen im Euro-Land. Denn eine solch niedriege Inflationsrate war zuvor vor allem in den südeuropäischen Ländern unbekannt. Duisenbergs Geldpolitik wird deshalb von vielen Volkswirten als erfolgreich bezeichnet.
Gegenspieler der Politik
Ein großes Problem für Duisenberg waren zu Beginn seiner Amtszeit Befürchtungen, die EZB könne ihre Unabhängigkeit gegenüber den Regierungen der EU-Staaten nicht wahren. Diese Ängste stellten sich bald als unbegründet heraus. Der nach außen stets Ruhe und Gelassenheit ausstrahlende Geldpolitiker machte sich immer wieder als harter Gegenspieler der europäischen Regierungen einen Namen. Vor allem die Defizit-Sünder Frankreich und Deutschland traf seine Kritik. Im September 2003 warnte er die beiden Länder zum Beispiel davor, den Stabilitätspakt in Frage zu stellen. "Ich sehe die jüngsten Diskussionen über den Stabilitäts- und Wachstumspakt mit großer Sorge", sagte Duisenberg und fügte hinzu: "Der Mangel an fiskaler Disziplin und an irgendeiner klaren, mittelfristig ausgerichteten Konsolidierungsstrategie ist ein Faktor, der auf den langfristigen Wachstumsaussichten der Eurozone lastet."
So wie der Ruf Duisenbergs hat sich auch der Euro-Kurs gegenüber dem US-Dollar erholt von seiner rasanten Talfahrt auf weniger als 0,83 Dollar. Er steht nun bei etwa 1,15 Dollar. Dies ließ vor allem in Deutschland jene Skeptiker verstummen, die in einer Union mit ehemaligen Weichwährungsländern eine Gefahr gesehen hatten. Mittlerweile ist der Außenwert des Euro so hoch, dass Ängste auftauchen, seine Stärke könne die deutsche Export-Wirtschaft gefährden.
Dies zeigt: Es ist ein schmaler Grad, auf dem ein EZB-Präsident balancieren muss, um allseits Lob zu ernten. Wim Duisenberg hat dieses Kunststück in seinen fünf Jahren an der Spitze der Notenbank gelernt. Sein Nachfolger muss sich anstrengen, um die gleichen Fertigkeiten vorweisen zu können.