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Politik

Rechter Schulterschluss vor EU-Wahlen

8. Januar 2019

Italiens Vizepremier Salvini trifft am Mittwoch PiS-Chef Kaczynski in Polen. Was sie verbindet, reicht über soziale Versprechen und die Vision eines Europa ohne Flüchtlinge hinaus. Aus Warschau Monika Sieradzka.

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Italiens Liga veranstaltet eine Kundgebung in Rom - Matteo Salvini
Matteo Salvini auf einer Kundgebung in Rom Bild: Reuters/A. Bianchi

Das Treffen des italienischen Vizepremiers und Innenministers Matteo Salvini mit dem PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski stärkt die rechten Allianzen, die in Europa schon vorhanden sind. Seit Jahren schwärmt der Hauptideologe der nationalkonservativen polnischen Partei "Recht und Gerechtigkeit" für Ungarns Premierminister Viktor Orban. Beide lehnen die Aufnahme von Migranten ab und sprechen von einer angeblich damit verbundenen Gefahr für die traditionellen christlichen Werte.       

Mit der Koalitionsregierung der Lega Nord und der Fünf-Sterne-Bewegung, die im Frühjahr 2018 in Rom an die Macht kam, bekommen die populistischen Kräfte in Osteuropa neue Verbündete. Bei einem Treffen im August 2018 in Mailand lobte Matteo Salvini den ungarischen Premier Viktor Orban in den höchsten Tönen für die neuen Stacheldrahtzäune an der ungarisch-serbischen und der ungarisch-kroatischen Grenze. Für Orban gilt der Anführer der rechtspopulistischen Lega Nord als "Held und Weggefährte", weil er Migranten daran hindert, über das Mittelmeer nach Italien zu kommen.        

Von der Regierung Italiens war die These zu hören, dass Migranten Krankheiten nach Europa bringen würden. Diese Behauptung hatte Jaroslaw Kaczynski schon vor vier Jahren zu einem großen Thema seines Wahlkampfes gemacht. Italiens Premier Giuseppe Conte fand außerdem eine gemeinsame Sprache mit seinem tschechischen Amtskollegen Andrej Babis, der seinen Landsleuten verspricht, keine Flüchtlinge aufzunehmen und damit die "europäische Zivilisation zu verteidigen". 

Die soziale Agenda der Rechten    

Neben der Fremdenfeindlichkeit verbinden auch soziale Versprechen die national orientierten Populisten in Italien und Polen. Diese soziale Agenda hat ihnen Wahlsiege gesichert. In Polen gilt die erstmalige Einführung des monatlichen Kindergeldes als Flaggschiff der Sozialpolitik der Nationalkonservativen. Dazu kommt ein niedrigeres Rentenalter und staatliche Zuschüsse für Wohnungen für junge Paare. Derzeit wird in Warschau auch über eine zusätzliche Unterstützung für Rentner diskutiert.   

Dank der guten Wirtschaftslage in Polen könnten solche Projekte, durch die die Bürger mehr Geld in der Tasche haben, leicht umgesetzt werden. Mit ihrem Fokus auf Sozialprogramme übernimmt die PiS traditionelle politische Themen der ohnehin schwachen linken Parteien. 

Gemeinsam gegen die EU 

Auch die italienischen Rechten haben eine soziale Agenda: Im Wahlkampf kündigten sie die Einführung eines Grundeinkommens und ein niedrigeres Renteneintrittsalter an, das Rom auf Kosten einer hohen Staatsverschuldung umsetzen wollte. Als die Europäische Kommission mit einem Defizitverfahren drohte, lenkten die Rechtspopulisten nach monatelangem Tauziehen im Dezember 2018 endlich ein.  

Die anti-europäische Rhetorik der Italiener in dieser Debatte wurde von regierungsnahen Medien in Polen sehr wohlwolllend kommentiert, weil sie der sturen Haltung Warschaus im Streit mit Brüssel um die polnische Justizreform ähnelte. In beiden Fällen habe man gegen ein "Diktat aus Brüssel" protestiert. Dabei zeigt sich Polen weniger nachgiebig als Italien, weil in Warschau die umstrittene Justizreform systematisch durchgeführt wird - trotz aller Kritik.  Die PiS braucht Erfolge 

Polen Parteitag der PIS vor den Kommunalwahlen | Jaroslaw Kaczynski
PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski Bild: picture-alliance/ZUMAPRESS/O. Marques

Innenpolitisch kommt die ideologische Rückendeckung aus Italien zu einem passenden Zeitpunkt für die polnische PiS, weil sie dringend Erfolge braucht. Die Partei ist nach einem Korruptionsskandal in der höchsten Finanzbehörde Polens in Bedrängnis gekommen. Nach Medienberichten habe der Chef des Ausschusses für Finanzaufsicht (KNF), Marek Chrzanowski, einen Bankeigentümer vor dem Finanzkollaps retten wollen, doch dafür habe ein von ihm angewiesener Finanzberater eine erhebliche Geldsumme kassieren sollen. Der KNF-Chef ist zurückgetreten - aber das war nur der Anfang des größten Skandals seit dem Amtsantritt der PiS.

Der KNF sei in diesem Vorgehen von Adam Glapinski, dem Chef der Nationalbank, unterstützt worden, schrieb die liberale Gazeta Wyborcza. Glapinski, der als Vertrauter des PiS-Chefs Jaroslaw Kaczynski gilt, fordert seitdem, dass die Artikel zu diesem Thema aus dem Internet gelöscht werden und droht den Journalisten mit Gerichtsverfahren. Jetzt ist er selbst in Erklärungsnot und muss sich wegen unbegründet hoher Gehälter für seine Mitarbeiterinnen verteidigen: Dass eine Beamtin über 15.000 Euro im Monat verdient, kommt auch bei der PiS nicht gut an. Es passt weder zum erwünschten sozialen Image der Regierungspartei noch zu ihrem Namen "Recht und Gerechtigkeit".

Die Radikalen werden salonfähig  

2019 finden nicht nur die EU-Wahlen, sondern auch die Parlamentswahlen in Polen statt. Zwar liegt die PiS immer noch vorne in Meinungsumfragen, doch sie sorgt sich zunehmend um ihr Image und kämpft um neue Wählergruppen. Deshalb sind jetzt auch die vor kurzem noch marginalisierten radikalen Nationalisten salonfähig geworden. Zuletzt hat die Regierung gemeinsam mit ihnen den 100. Jahrestag der Unabhängigkeit Polens gefeiert.

Diese Woche wurde ein fremdenfeindlicher 28-jähriger Abgeordneter aus dem radikal nationalistischen Lager zum Staatssekretär im Digitalisierungsministerium. Dass er für seine pro-russische Haltung bekannt ist, sorgt in Polen für viel Aufregung. Die PiS scheint das trotz ihrer offiziellen anti-russischen Rhetorik nicht zu stören - genauso wenig wie die pro-russischen Sympathien von Viktor Orban und Matteo Salvini.

Wenn europäische Politiker wie der italienische Vizepremier nach Warschau pilgern, kann sich Jaroslaw Kaczynski selbst auf die Schulter klopfen. Die polnische PiS und die ungarische Partei Fidesz sehen sich seit Jahren als Vorreiter eines Europa der starken Nationen, die gemeinsam gegen ein "Diktat aus Brüssel" auftreten sollen. Innenpolitisch wird die neue polnisch-italienische Allianz als Beweis für die bedeutende Rolle Polens in Europa vermarktet. Auf europäischer Ebene ist sie ein neuer Schulterschluss der Rechtspopulisten, die ihre Kräfte vor den bevorstehenden EU-Wahlen konsolidieren wollen.       

Porträt einer Frau mit kurzen blonden Haaren und blauen Augen
Monika Sieradzka DW-Korrespondentin in Warschau