Piraten wollen Programm machen
26. November 2012Die Piratenpartei ist keine deutsche Erfindung. Im Januar des Jahres 2006 gründete sich in Schweden die "Piratpartiet", um für Freiheit im Internet und für mehr Bürgerrechte einzutreten. Im Herbst desselben Jahres schlossen sich einige hundert junge Menschen in Deutschland zur Piratenpartei zusammen. Sie forderten zuerst eine Überarbeitung des Urheberrechts. Nutzer, die im Internet privat Musik und Filme austauschen, sollten nicht als "Raubkopierer" kriminalisiert werden. Generell sollte - nach Vorstellung der Piraten - alles Wissen der Welt auch allen Menschen frei zur Verfügung stehen. "Netzmonopolisten" wie Verlage sollten sich neuen Beteiligungsmodellen für Kreative, Leser, Zuschauer und Hörer öffnen. Weitere politische Ziele wurden formuliert: Bildung sollte stets kostenfrei sein. Ebenso sollten öffentliche Verkehrsmittel wie Busse und Bahnen für Bürger unentgeltlich nutzbar sein, und der Staat müsse ein bedingungsloses Grundeinkommen garantieren.
Piraten wollen mit Wählern gemeinsam Lösungen finden
Die Frage, wie all diese Pläne denn umgesetzt werden könnten, beantworteten die Mitglieder der neuen Partei häufig mit einem naiv wirkenden "Ich weiß es noch nicht". Führende Parteienforscher sahen in dieser entwaffnenden Ehrlichkeit einen neuen Typ von Politiker, der sich mit dem Wähler auf gleicher Ebene bewegen würde. Kritiker, vor allem Vertreter der etablierten Parteien, werfen den Piraten bis heute vor, nichts weiter als ein "Chaotenhaufen" zu sein. Die bis April dieses Jahres amtierende Bundesgeschäftsführerin der Piratenpartei, die 24-jährige Psychologiestudentin Marina Weisband, meinte dazu im Interview mit der Deutschen Welle: "Wir müssen lernen, dass man in einem gemeinsamen Lernprozess zu besseren und nachhaltigen Lösungen kommt, als immer zu sagen, wir wissen wo es langgeht". Das sei unglaubwürdig.
Der Parteivorsitzende Bernd Schlömer, 41, der immer noch seinem Beruf als Diplom-Kriminalist nachgeht, formulierte es ganz deutlich: "Politik muss leicht und verständlich für jedermann sein." Dies sei eine überparteiliche Verpflichtung. Der Fraktionsvorsitzende der Piratenpartei in Nordrhein-Westfalen, der 55-jährige Biophysiker Joachim Paul, glaubt, dass die Demokratie einer Erneuerung bedarf: "Wir sind zu einer Verbände-Demokratie verkommen." Nach Pauls Einschätzung hätten es die etablierten Parteien verschlafen, dass Bürger in wichtigen politischen Fragen angehört werden wollten.
Der Erfolg droht zu verfliegen
Zuspruch erhielt die Piratenpartei zunächst bei Kommunalwahlen. Sie zogen in die Stadträte von Strausberg (Hessen), Aachen und Münster (Nordrhein-Westfalen) ein. Im September 2011 landeten 15 Abgeordnete im Landesparlament von Berlin. Im März 2012 gingen vier der 51 Sitze im Abgeordnetenhaus des Saarlandes an die Piraten. In den Landtagen von Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen ist die Partei ebenfalls vertreten - jeweils mit einem Wählerzuspruch von rund acht Prozent.
Diese Wählergunst kann sich bei der Bundestagswahl im Herbst 2013 aber ganz anders darstellen. Nach den aktuellen Prognosen des anerkannten "Deutschlandtrend" vom Meinungsforschungsinstitut "infratest dimap" würden sich bei aktuellen Wahlen nur noch vier Prozent der Wähler für die Piratenpartei entscheiden. Sie würde damit an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, die Voraussetzung ist zum Einzug in den Bundestag.
Piraten auf Identitätssuche
Die Piratenpartei Deutschland hat heute rund 35.000 Mitglieder. In den großen Parteien wie der SPD oder der CDU sind jeweils zehnmal mehr Menschen organisiert. Politiker dieser so genannten Volksparteien sehen in der Piratenpartei daher kein Revolutionspotential.
Dennoch habe die deutliche Unterstützung der Piratenpartei bei den bisherigen Landtagswahlen den großen Volksparteien gezeigt, dass viele Bürger mit der Art und Weise, wie Politik gemacht wird, nicht mehr einverstanden sind. Das ist das Fazit des Bonner Politikwissenschaftlers Gerd Langguth. Gerade junge Leute schätzten die Transparenz in politischen Belangen.
Ein umfangreiches Programm ist notwendig
Hat die Piratenpartei das Potential Nachfolgepartei der Grünen oder der FDP zu werden? Tatsächlich sind viele ehemalige Grüne-Anhänger zu den Piraten gewechselt. So auch Joachim Paul, dem die Grünen zu technikfeindlich erschienen. Bernd Schlömer, der Vorsitzende der Piratenpartei Deutschland, bezeichnet seine Partei auch als liberal, weil man sich als Freiheitspartei der Bürger begreife.
Andererseits hatten einige Mitglieder mit rechtsradikalen Ansichten starke Irritationen ausgelöst. Inzwischen sei aber deutlich klargestellt, "dass Menschen mit rechtem Gedankengut keine Heimat bei den Piraten finden", so Bernd Schlömer.
Eine genaue Einschätzung, für welche politischen Ziele die Partei denn nun eigentlich steht, fehlt aber immer noch. "Wir müssen für viele Bereiche auch Ziele definieren", gibt Schlömer zu. Der Parteivorsitzende setzt dabei auf den Bundesparteitag am Wochenende in Bochum (24.11. - 25.11.2012) und auf die dort versammelte Gemeinschaft. Schlömer weiß, wenn von dort keine weiteren Festlegungen kommen, wird es in Zukunft eng.