War Paul Whelan Agent oder nicht?
4. Januar 2019Sie wollen ihn auf "frischer Tat" ertappt haben, behauptet der russische Geheimdienst FSB. Der US-Bürger Paul N. Whelan soll am 28. Dezember im Hotel Metropol einen USB-Stick mit sensiblen Daten von russischen Agenten entgegen genommen haben. Sie seien ihm von einem russischen Staatsbürger übergeben worden, heißt es bei der russischen Nachrichtenagentur Rosbalt. Diese beruft sich auf Moskauer Sicherheitskreise.
Ob die beschriebenen Umstände der Festnahme wirklich stimmen, kann von unabhängiger Seite nicht überprüft werden. Derzeit sitzt Paul Whelan in Untersuchungshaft. Gegen ihn läuft ein Verfahren wegen Agententätigkeit. Der russische Geheimdienst lässt wissen: Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu 20 Jahre Haft.
Besuch vom US-Botschafter
Über die Umstände des Falls wundert sich der bekannte russische Sicherheitsexperte Pavel Felgenhauer. Er nennt sie im Gespräch mit der Deutschen Welle "suspekt". Whelan erscheine ihm nicht wie ein typischer US-amerikanischer Agent, er habe noch nicht einmal diplomatische Immunität besessen. In der Regel verfügen US-Agenten über einen Diplomatenstatus. So können sie bei einer Festnahme in einem Land, das keine guten Beziehungen zu den USA unterhält, einfach ausgewiesen werden.
In der Zwischenzeit hat der US-amerikanische Botschafter in Moskau, Jon Huntsman, den Gefangenen besucht. Einzelheiten des Gespräches im Lefortowo-Gefängnis sind nicht bekannt geworden. US-Außenminister Mike Pompeo ließ wissen, dass Washington die sofortige Freilassung seines Staatsbürgers fordern werde, wenn sich die Inhaftierung als nicht rechtmäßig erweise.
Paul Whelan besitzt neben der US-amerikanischen auch die irische und die britische Staatsangehörigkeit. Deshalb bemüht sich auch die britische Botschaft um Zugang zu Whelan. Der britische Außenminister Jeremy Hunt kritisierte in einem Interview in London die Festnahme. "Individuen sollten nicht als Figuren in einem diplomatischen Schachspiel missbraucht werden", sagte er. Seit dem Gift-Anschlag auf den russischen Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter in Großbritannien befinden sich die britisch-russischen Beziehungen auf einem Tiefpunkt. Hunt sagte weiter, dass sein Ministerium laufend überprüfe, für welche Länder Reisewarnungen ausgesprochen werden müssten. Dies kann als indirekte Drohung an die Adresse des Kremls verstanden werden.
Whelan als Druckmittel für einen Austausch?
Whelans Familie glaubt an die Unschuld des 48-Jährigen. US-amerikanischen Zeitungen sagte sein Bruder David, dass Paul Whelan nach Russland gereist sei, um an der Hochzeit eines Freundes teilzunehmen. Paul spreche kaum Russisch, fliege aber öfter nach Moskau, weil er sich für Land und Leute sowie den orthodoxen Glauben interessiert. Die Medien in den USA porträtieren Paul Whelan als eine Person, die gerne mit der Eisenbahn Russland erkunde, sowjetische Teeglashalter sammle und über die sozialen Medien Kontakt halte zu einfachen russischen Bekannten - darunter Friseure und ehemalige Militärs. Whelan ist selbst ein ehemaliger Marine, der zwei Mal im Irak diente. Wie er in den sozialen Medien mitteilte, ist er ein Anhänger Präsident Trumps. Im US-Staat Michigan leitet er die Sicherheitsabteilung eines Autoteileherstellers.
Sein russischer Anwalt Wladimir Scherebenkow ist von der Unschuld seines Mandanten überzeugt. Er habe noch keine Beweise gesehen, die das Gegenteil belegten, sagte er in Moskau. Sein Mandant sei in guter Stimmung.
Da die Hintergründe der Festnahme von Whelan unklar bleiben, spekulieren nun auch russische Medien über die Festnahme. Sicherheitsexperte Pavel Felgenhauer hält es im Gespräch mit der DW für denkbar, dass Whelan gegen die russische Staatsbürgerin Maria Butina ausgetauscht werden soll. Die Studentin, die auch als Waffenlobbyistin in Erscheinung trat, steht in Washington vor Gericht. Ihr wird vorgeworfen, als Moskaus Agentin konservative Kreise in den USA unterwandert zu haben. Um das Strafmaß zu mindern, hat sie mit der Staatsanwaltschaft offenbar vereinbart, sich schuldig zu erklären. Das hat das russische Außenministerium vor zwei Wochen als "erzwungenes, falsches Geständnis" heftig kritisiert.