Patente werden noch immer unterschätzt
8. November 2005Die neue Mercedes S-Klasse von Daimler-Chrysler ist ein Wunderwerk der modernen Technik. Und sie ist ein Beispiel für Innovation. Für 944 technische Einzelteile des Wagens besitzt Daimler-Chrysler Patentschutz, 174 Teile davon sind sogar frisch patentiert. Mit seinen Erfindungen macht das Unternehmen gute Geschäfte, die Einnahmen aus Lizenzen sind fünf Mal so hoch wie die Ausgaben für neue Entwicklungen.
Für Rolf Einsele, Patentanwalt bei Daimler-Chrysler, liegt in dieser Entwicklung die Zukunft vieler deutscher Unternehmen. "Die Großindustrie patentiert, die wissen was sie tun müssen, um ihre Aufwendungen in Forschung und Entwicklung abzusichern", sagt Einsele. Bei den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), gebe es dagegen dramatische Defizite - nur rund 40 Prozent der dort erarbeiteten Ideen würden durch gewerbliche Schutzrechte abgesichert. "Da Muss Bewusstsein geschaffen werden, das ist ganz entscheidend", glaubt Einsele.
Immer mehr Plagiate
Denn wer seine Ideen nicht absichert, dessen Produkte können schnell und vor allem auch legal kopiert werden. Für Jürgen Thumann, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, ein weltweites Problem. Nach Schätzungen der OECD mache der Handel mit Plagiaten jedes Jahr rund sechs Prozent des Welthandelsvolumens aus: "Damit gehen der innovativen Wirtschaft jedes Jahr weltweit zweihundert bis dreihundert Milliarden Euro Umsatz oder anders ausgedrückt etwa 200.000 Arbeitsplätze verloren. Und die Tendenz ist zunehmend."
Im europäischen Vergleich werden in keinem Land so viele Patente angemeldet wie in Deutschland. Im vergangenen Jahr waren es mehr als 23.000, das waren fast 19 Prozent aller weltweit angemeldeten Erfindungen. Weltweit sind die USA Spitzenreiter, dann kommt Deutschland, auf Platz drei folgt Japan. Ein Blick auf die Entwicklung der letzten fünf Jahre zeigt allerdings, dass Deutschland an Boden verliert, wie Einsele feststellt. "Wir Deutschen patentieren überwiegend in den klassischen Disziplinen, also im Automobil- und Maschinenbau", sagt der Patentanwalt. "In den, wie es europäisch heißt, besonders dynamischen Zukunftstechnologien, nämlich Telekommunikation, Biotechnologie und Medizintechnik liegen wir nicht in der Spitzengruppe, da haben wir sicherlich noch Aufholbedarf."
Teure EU-Patente
Wer ein Patent anmelden will, der muss allerdings tief in die Tasche greifen, jedenfalls wenn er sein Produkt nicht nur in Deutschland, sondern beispielsweise in ganz Europa schützen lassen will. So ist eine durchschnittliche Patentanmeldung in Deutschland mit Kosten in Höhe von 400 Euro verbunden, ein europäisches Patent schlägt hingegen mit 70.000 Euro zu Buche. Das liegt vor allem auch daran, dass die Patentschriften in alle Landessprachen übersetzt werden müssen und diese Übersetzungskosten, so BDI-Präsident Thumann, machen 40 Prozent der Gesamtkosten aus.
Im internationalen Vergleich steht die EU damit schlecht da, wie Thumann erklärt: "Europäische Patente sind dreimal teurer als japanische und fünf mal teurer als us-amerikanische. Die Kosten für gänzlich überflüssige Übersetzungen von Patentschriften müssen endlich eingespart werden. "Der Industrie wäre ein europäisches Gemeinschaftspatent am liebsten, doch das scheitert vor allem daran, dass man sich nicht auf eine gemeinsame Sprache einigen kann. In naher Zukunft könnte sich bei europäischen Patenten aber zumindest die Dreisprachigkeit durchsetzen. Ein entsprechendes Abkommen steht in der EU kurz vor der Ratifizierung. Dann würden sich die Kosten zumindest halbieren.