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Palantir: Geheimdienstdarling an der Börse

Sabrina Kessler New York
30. September 2020

Palantir handelt mit Geheimnissen - wagte sich jetzt aber auf's Parkett. Fast alles an der Firma ist undurchsichtig, klar ist nur: Geld verdient sie nicht. Außerdem werden ihr Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.

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USA New York Börsengang Palantir
Bild: Andrew Kelly/Reuters

Wenn Firmen etwas zu verbergen haben, sollte man als Anleger lieber ganz weit Abstand nehmen. Bei Palantir, der wohl berüchtigtsten Softwarefirma der Welt, gehört Verschwiegenheit allerdings zum Geschäftsmodell. Bei der Jagd nach Terrorristen und Kriminellen hilft sie Regierungen und Geheimdiensten - dementsprechend wenig war bislang über das Tech-Unternehmen bekannt. 

Der Börsengang ändert daran einiges. Schon vorab musste sich das Unternehmen im Börsenprospekt offenbaren. Seit ihrer Gründung vor 17 Jahren sei die Firma noch nie profitabel gewesen und werde es womöglich auch nie sein, heißt es da. Trotzdem wurde das Unternehmen vor dem Listing mit 22 Milliarden Dollar bewertet.

Bei seinem Debüt an der New York Stock Exchange (NYSE) am Mittwoch legte das neue Papier einen Kurssprung von 31 Prozent hin. Die Aktie kletterte auf 9,50 US-Dollar, nachdem die NYSE am Vortag den Referenzpreis auf 7,25 Dollar festgelegt hatte. Im Handel kam die Datenanalyseaktie wenigstens zeitweise auf einen Börsenwert von fast 22 Milliarden Dollar - am Ende waren es rund 17 Milliarden.

Börsengang in der Sparversion

Die Art und Weise, wie Palantir an die Börse ging, ist bei Investoren durchaus umstritten. Das Unternehmen hatte sich für ein sogenanntes Direct Listing entschieden, davon gab es an der Wall Street bislang erst zwei. Spotify und Slack hatten so 2018 und 2019 den Schritt auf's Parkett gewagt..

Bei einem Direct Listing werden - anders als bei einem konventionellen Börsengang - keine neuen Unternehmensanteile ausgegeben. Lediglich die Eigentümer und Frühinvestoren haben die Möglichkeit, ihre eigenen Anteile auf den Markt zu werfen. Das spart Kosten und Marketing, denn auf die übliche Roadshow und das Underwriting von Investmentbanken, die den Börsengang absichern, wird verzichtet.

Auch der Handel insgesamt wird beschleunigt, da Investoren die neu erstandenen Aktien nach dem ersten Handelstag nicht wie bei einem klassischen IPO sechs Monate halten müssen. "Dies ist offensichtlich ein Vorteil für Frühinvestoren, wird aber von öffentlichen Anlegern in der Regel als negativ empfunden", sagte Nick Einhorn, Vice President Research bei Renaissance Capital, die sich auf die Analyse von Firmen vor Börsengängen spezialisiert hat..

Für die Gründer Alex Karp und Peter Thiel ist die Notierung durchaus lukrativ. Läuft alles gut, sammeln sie Milliarden mit dem Unternehmen ein, das bislang noch keinen einzigen Cent abgeworfen hat. Peter Thiel, der deutsche Starinvestor, sitzt zwar längst auf einem milliardenschweren Polster, seit er den Bezahldienst PayPal gegründet hat. Alex Karp aber arbeitet noch an seinem Lebenswerk: Bis auf seine Zeit bei Palantir hat er noch keine große Karriere vorzuweisen. Allerdings spricht der 52-jährige hervorragend deutsch - er hat an der Frankfurter Goethe-Universität beim berühmten deutschen Philosophen Jürgen Habermas studiert. 

USA Datenfirma Palantir
Trotz des Börsenganges ist einiges an der Firma geheimnisvoll, so war lang nicht klar, wo genau wer was arbeitetBild: Andrej Sokolow/dpa/picture-alliance

Illustre Kundschaft

Der Kundenstamm jedenfalls kann sich sehen lassen. CIA, FBI, NSA oder die Marines: Fast jede US-Behörde nutzt den Service von Palantir. Auch in Deutschland wird der Datenspezialist zur Verbrechensbekämpfung genutzt, etwa bei der hessischen Polizei. Insgesamt 125 Kunden lassen sich inzwischen mit den Analysen der Silicon-Valley-Firma beliefern.

Laut Medienberichten soll Palantir geholfen haben, das Versteck von Osama bin Laden zu finden. Ein Gerücht, das das Unternehmen weder bestätigt noch dementiert. Sicher ist, dass die Firma maßgeblich daran beteiligt war, den Anlagebetrüger Bernie Madoff zu überführen. Daten aus 40 Jahren sollen dabei geholfen haben.

Doch wo die rund 2400 Angestellten arbeiten oder wer genau den Service in Anspruch nimmt, blieb lange unter Verschluss. Nicht umsonst hat Palantir den Ruf als geheimnisvollstes Unternehmen des Silicon Valley inne. Wer hier investiert, kann gar nicht wissen, was er bekommt.

Geheimdienstler, Geschäftsleute, Privatkunden

Während der Nachwehen des 11. September, als Terrorismus das beherrschende Thema war, beschloss Thiel, einen Dienstleister aufzubauen, der mit großen Datenmengen helfen sollte, Terroristen zu jagen. Der CIA-Investmentarm "In-Q-Tel" unterstützte das Unternehmen damals in der Hoffnung, man könne die Technologie irgendwann einmal für den Geheimdienst und das Militär nutzen. Der erste Einsatz für Palantir folgte dementsprechend während der Kriege in Afghanistan und in Irak.

Heute wird die Technik des kalifornischen Unternehmens längst auch außerhalb der Geheimdienstwelt eingesetzt. Der Flugzeugbauer Airbus, der Chemie- und Pharmariese Merck oder der Autokonzern Fiat Chrysler etwa nutzen die Daten. Beim Öl-Multi BP zum Beispiel helfen die Analyse-Tools von Palantir, neue Öl- und Gasvorkommen aufzudecken. Die Öl-Produktion in der Nordsee konnte so etwa um zehn Prozent erhöht werden.

Dass Palantir immer stärker auf Privatkunden setzt, hat einen Grund. Das Unternehmen will sich lösen von dem undurchsichtigen Geheimdienstgeschäft. Geschäftskunden sollen in Zukunft zu mehr als der Hälfte des Gesamtumsatzes beitragen. 2019 setzte Palantir immerhin 742 Millionen Dollar um.

USA Alex Karp CEO Palantir
Palantir ist das erste "große Ding", an dem CEO Alex Karp beteiligt istBild: Bertrand Guay/AFP/Getty Images

Geheimnisvolle Geldverbrenner

Zur gleichen Zeit aber verlor das Unternehmen mehr als eine halbe Milliarde Dollar. Auch deshalb kommen Zweifel an der milliardenschweren Bewertung auf . In diesem Jahr soll sich der Umsatz zwar um knapp dreißig Prozent auf rund eine Milliarde Dollar erhöhen. Bewertet wird die Firma allerdings mit dem 22-fachen.

"Palantir kann seine Produkte nicht so einfach skalieren wie klassische Softwareunternehmen", sagt CNBC's Aktienexperte Jim Cramer, der zur Vorsicht mahnt. Das Unternehmen verliere immer noch eine Menge Geld, auch wenn die Margen in die richtige Richtung liefen. Um überhaupt weiter funktionieren zu können, sei die Firma dringend auf frisches Kapital angewiesen. "Da ist grundsätzlich nichts falsch dran, bloß: bezahlt nicht zu viel für die Aktie!"

Stets hart an der Grenze

Nicht nur die Fundamentaldaten stoßen Kritikern sauer auf. Auch die Tatsache, dass Palantir 2016 in Facebooks Cambridge Analytica Skandal verwickelt gewesen sein soll, trägt nicht zum positiven Image der Firma bei. Im Börsenprospekt beteuerte Alex Karp deshalb, man habe von Anfang an Gelegenheiten abgelehnt, Daten zu sammeln oder zu verkaufen. Andere Technologieunternehmen hingegen, darunter einige der größten der Welt, hätten ihr gesamtes Geschäft darauf aufgebaut.

Auch der Vorwurf, Palantir bedrohe Bürger- und Menschenrechte, wird immer wieder laut. "Palantir ist mitverantwortlich an der Überwachung, Verhaftung und Abschiebung unserer Gemeinden", wird etwa die mexikanische Aktivistin Jacinta Gonzalez auf der Website Marketwatch zitiert.

Seit 2014 hilft das Unternehmen der amerikanischen Einwanderungs- und Zollvollstreckungsbehörde ICE und dem Ministerium für Innere Sicherheit, unerwünschte Migranten und illegale Flüchtlinge aufzutreiben. Nicht nur externen Kritikern geht das zu weit. Man habe sogar, so Firmengründer Karp, Mitarbeiter verloren, die die Kooperation nicht gutheißen wollten. Auf zukünftige Projekte mit den US-Behörden werde man aber nicht verzichten.

 

Dieser Beitrag wurde nach dem ersten Handelstag mit der Palantir-Aktie aktualisiert.