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OSZE stellt schwere Mängel im Justizwesen des Kosovo fest

14. Dezember 2004

– Zu viel Untersuchungshaft, überlange Verfahrenszeiten, unzureichend begründete Urteile

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Pristina, 13.12.2004, KOSOVA LIVE, engl.

Die OSZE-Mission in Kosova hat in ihrem am Montag (13.12.) veröffentlichten Bericht schwere Mängel im Justizwesen Kosovas benannt. Der Direktor der Abteilung für die Überwachung des Rechtswesens der OSZE, Richard Rogers, gab an, dass 51 000 Personen sich an den März-Unruhen in Kosova beteiligt hätten. Nach Angaben von Rogers können sie theoretisch alle der Begehung von Verbrechen verdächtigt werden.

"Während und nach den Unruhen wurden etwa 500 Personen festgenommen. 350 landeten als Fälle bei der Justiz. Bei 171 von ihnen wurden die Fälle abgeschlossen. Das hört sich nach viel an, aber Sie müssen bedenken, dass es in der Mehrzahl der Fälle um relativ geringfügige Delikte ging, wie etwa Diebstahl, Plünderung oder Verstöße gegen die öffentliche Ordnung. Nur 44 Fälle waren so schwerwiegend, dass sie vor das Bezirksgericht kamen", so Rogers.

Nach Angeben der OSZE deuten die März-Unruhen darauf hin, dass die interethnischen Beziehungen in Kosova brüchig sind. Die März-Unruhen sind aber nicht der Hauptgegenstand des Berichts. Die OSZE kündigte an, dass ein umfassender Bericht über diese Ereignisse im kommenden Jahr veröffentlicht werde.

Der Bericht konzentriert sich besonders auf Probleme im Zusammenhang mit der Festnahme und Bestrafung vom Personen, die innerhalb des Justizwesens systemisch zu sein scheinen und das Recht auf einen fairen Prozess beeinträchtigen. Die Hauptsorge gilt diesen Bereichen: Entscheidungen über Inhaftierung und Bestrafung sind auf allen Ebenen nicht ordnungsgemäß begründet und die Gerichte versäumen die Anwendung alternativer Maßnahmen zur Untersuchungshaft und Bestrafung.

Die OSZE ist der Auffassung, dass sehr häufig Entscheidungen über Untersuchungshaft nicht ordnungsgemäß begründet sind und regelmäßig die Anwendbarkeit alternativer Maßnahmen außer Acht lassen. "In vielen Fällen werden Beschuldigte ihrer Freiheit aufgrund von unzureichend begründeten Entscheidungen beraubt, die nicht nur das Recht auf Berufung, sondern auch die öffentliche Kontrolle über die Justizverwaltung behindern. Häufig handeln die an den Ermittlungen gegen inhaftierte Personen beteiligten, zuständigen Organe nicht mit der gebotenen, besonderen Sorgfalt und verursachen so eine übermäßige Verlängerung des Verteidigungszeitraums vor dem Prozess.

Schwere Mängel wurden auch bei der Strafzumessung festgestellt. Insbesondere mangelt es Urteilen an einer angemessenen Begründung, Gerichte machen exzessiven Gebaruch von Gewahrsam, ohne alternative Maßnahmen angemessen zu prüfen und es fehlt an institutionellen Kapazitäten, bestimmte alternative Maßnahmen anzuwenden", heißt es in dem Bericht.

Die OSZE zeigt anhand von Beispielen, dass während der Strafzumessung auf allen Ebenen gemilderte Strafen unzureichend begründet wird, die Strafzumessung überschreitet die etablierten rechtlichen Grenzen, und von mildernden ebenso wie von strafverschärfenden Umständen wird unzureichend Gebrauch gemacht. Nach Angeben der OSZE kommen Haftstrafen im Übermaß zur Anwendung. (...) (MK)